Deutscher Apothekertag 2019

Begleiten ja – Kotau nein!

Ein Kommentar von Christian Rotta

Dr. Christian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags

Friss oder stirb! Auf diese kurze Formel lässt sich der Auftritt Spahns auf der Hauptversammlung zusammenfassen. Oder genauer: „Wenn Sie weiterhin ein Rx-Versandhandelsverbot wie der Bundesrat fordern, lasse ich meinen Ge­setzentwurf in der Schublade verschwinden und verwende keine weitere Kraft mehr auf den Entwurf des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes. Auch die gesetzliche Etablierung pharmazeutischer Dienstleistungen und Vergütungs­anpassungen können Sie dann vergessen.“

Starker Tobak (auch in Richtung Bundesrat) und man fragt sich nicht erst seit Düsseldorf, welche Absichten, Motive und Interessen unseren Gesundheitsminister zu dieser radikalen apotheken­politischen Entweder-Oder-Rhetorik veranlassen. Der Entwurf zum Apothekenstärkungsgesetz enthält höchst unterschied­liche rechtliche Elemente mit Änderungen in insgesamt neun Gesetzen bzw. Rechtsverordnungen, von denen die Verlagerung des Rx-Boni-Verbots vom Arzneimittelrecht ins Sozialrecht zwar eine der gewichtigsten, aber keineswegs die einzige Regelung ist. Auch „boni- und versandhandelsfremde“ Themen, die der Gesetzentwurf aufgreift, sind für die Arzneimittelversorgung in Deutschland und die Zukunft der Vor-Ort-Apotheke von weitreichender Bedeutung. Die Palette reicht hier von der Sicherstellung der freien Apothekenwahl und einem Makelverbot für elektro­nische Verordnungen über die Etablierung pharmazeutischer Dienstleistungen, die Ermög­lichung regionaler Modellvor­haben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen bis zur Anpassung von Vergütungsbestandteilen, der Neujustierung des Apothekenbotendienstes und den Erfordernissen an automa­tische Ausgabestationen für Arzneimittel. Diese geplanten Regelungen sollen sich alle in Luft auflösen, wenn die ABDA in der Versandhandelsfrage nicht klein beigibt? Es ist ein eigenartiges Politikverständnis, das hier zum Ausdruck kommt. Es entspricht den ­üblichen demokratischen Gepflogenheiten, dass Interessenverbände und Berufsorganisa­tionen differenzierte Pro- und Contra-Stellungnahmen zu einzelnen Aspekten eines Gesetzentwurfs abgeben. Diesen Anregungen und Kritiken kann der Gesetzgeber dann folgen oder – auch nicht. Ein normales parlamentarisches Procedere.

Umso mehr muss es irritieren, wenn Jens Spahn als zuständiger Gesundheitsminister jetzt der ABDA die Pistole auf die Brust setzt und das weitere Schicksal des gesamten Gesetzentwurfs zum Apothekenstärkungsgesetz ausschließlich von der Zustimmung zu seinem „SGB V-Rechtskonstrukt“ als (vermeintliche) Alternative zum Rx-Versandhandelsverbot abhängig macht. Was steckt hinter dieser brüsken und anmaßenden Alles-oder-Nichts-Attitüde? Warum sollte die ABDA nicht legitimiert sein, einzelne Bausteine eines Gesetzentwurfs zu kritisieren und abzulehnen, andere zu begrüßen und dabei den Gesetzgebungsprozess insgesamt konstruktiv zu begleiten? Das Verhalten Spahns zeigt einmal mehr, dass die Aufrechterhaltung des (grenzüberschreitenden) Rx-Versandhandels ganz oben auf seiner politischen Agenda steht. Mit der ruppigen Drohgebärde spricht er nicht nur dem eigenen Koalitionsvertrag von Union und SPD Hohn; er bringt auch zum Ausdruck, dass er durchaus bereit ist, den durch das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 ent­standenen preisrechtlich untrag­baren Zustand aufrechtzuerhalten, wenn die ABDA nicht „die Hacken zusammenschlägt“ (so ein Delegierter auf der Haupt­versammlung) und ihm in der Versandhandelsfrage nicht bedingungslos folgt.

Für die ABDA muss es ein Ausdruck der Selbstachtung sein, dieses Spiel nicht mitzuspielen. Natürlich ist es richtig, wenn die ABDA das Verfahren beim Vor-Ort-Apotheken-Stärkungs­gesetz weiterhin kritisch-konstruktiv begleitet. Klar muss aber auch sein, dass dieser Dialog nicht bedeutet, sich von einem Versandhandelsverbot bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verabschiedet zu haben. Diese Forderung muss eindeutig und unmissverständlich aufrechterhalten bleiben. Alles andere bedeutete, die Zumutungen Spahns zu akzeptieren. Und diesen Kotau dürfen wir nicht machen!

 

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