Deutscher Apothekertag 2019

Rolle rückwärts nach vorne

Ein Kommentar von Christian Rotta

Dr. Christian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags

Normalerweise werden auf Apo­thekertagen Leitanträge des Geschäftsführenden ABDA-Vorstandes ohne lange Debatte und in großer Einmütigkeit verabschiedet. Dieses Mal war alles anders: In Düsseldorf wurde ein tiefer Riss zwischen ABDA-Mitgliedsorganisationen und ABDA-Spitze sichtbar. Nicht zuletzt aufgrund der Steilvorlage des Bundesrates, der sich wenige Tage vor der Hauptversammlung für die Verankerung des Versandhandelsverbots bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ausgesprochen hatte, kulminierte die Debatte zu einer Generalabrechnung mit der eigenen Standesführung – einer ABDA-Spitze, die sich gegenüber Jens Spahn bereits vor Monaten von der von Kammern und Verbänden mit Verve vertretenen Position zur umfassenden Sicherung des einheitlichen Arzneimittelabgabepreises abgesetzt hatte.

Die Hauptversammlung sah sich der peinlichen Situation gegenüber, dass mit dem Bundesratsbeschluss Landesregierungen mehrheitlich ein Versandhandelsverbot mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im geplanten „Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz“ verankert wissen wollten – die ABDA-Führung ihrerseits von dieser Position aus „realpolitischen Gründen“ inzwischen jedoch nichts mehr wissen wollte. Im ABDA-Leitantrag war von einem Rx-Versandhandelsverbot an keiner Stelle mehr die Rede.

Was für ein verheerendes Bild – auch und gerade gegenüber Politikern, die sich in ihren Parteien für ein Rx-Versandhandelsverbot eingesetzt hatten, um auf diese Weise wieder eine umfassende und wasserdichte Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erreichen! Wie sollte man sich als Politiker auf eine solch hasenfüßige Berliner Berufsvertretung in Zukunft verlassen können?

Es war deshalb nur konsequent, dass Kammerpräsidenten und Verbandsvorsitzende in Düsseldorf ad hoc die Notbremse zogen: In einem gemeinsamen Änderungsantrag gaben sie „Butter bei die Fische“ und schärften den Leitantrag, indem sie den Gesetzgeber aufforderten, die Stellungnahme des Bundesrats zum Rx-Versandhandelsverbot „in das laufende Gesetzgebungsverfahren ergänzend einzubringen und umzusetzen“. Dass in der weiteren Debatte aus dem Petitum, das Verbot „umzusetzen“ ein „zu berücksichtigen“ wurde, war eher sprachkosmetischer Natur und ausschließlich der Gesichtswahrung des angeschlagenen ABDA-Präsidenten und seines Vize geschuldet, die – wie es hieß – ob der vehementen Kritik der Hauptversammlung bereits Rücktrittsabsichten gehabt haben sollen.

Fest steht: Mit der Ergänzung des Leitantrags wird gegenüber Politik und (Berufs-)Öffentlichkeit deutlich gemacht, dass die deutschen Apothekerinnen und Apotheker zur Wiederherstellung der Rx-Gleichpreisigkeit weiterhin auf ihrer Forderung nach einem Versandhandelsverbot bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bestehen, selbst wenn es zurzeit nicht realistisch ist, diese Forderung mit dem aktuellen Gesundheitsminister durchzusetzen. Die Düsseldorfer Rolle rückwärts nach vorne war und ist – gerade über Spahn hinaus – ungemein wichtig! Dies gilt umso mehr, als der Gang des weiteren Verfahrens beim sog. Apotheken-Stärkungsgesetz mehr denn je in den Sternen steht und völlig offen ist, welches rechtliche Schicksal dem Spahnschen „SGB V-Rechtskonstrukt“, so es in Kraft treten sollte, letzten Endes zuteil werden wird.

 

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