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Aus den Ländern
„Wir stecken in starren Strukturen fest“
Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg zieht Zwischenbilanz
E-Rezepte könnten der digitale Gamechanger des Arzneimittelmarktes werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat mit mehreren Gesetzesinitiativen den entscheidenden Impuls gesetzt und dafür wichtige regulatorische Grundlagen geschaffen. Das in Baden-Württemberg von Apothekerverband und -kammer entwickelte Modellprojekt GERDA („Geschützter E-Rezept-Dienst der Apotheker“) dient dabei als Blaupause für die bundesweite Einführung. Als Geburtshelfer gilt das baden-württembergische Sozialministerium: Seit August 2018 unterstützt es das Projekt mit staatlichen Finanzmitteln in Höhe von einer Million Euro.
Minister Manne Lucha (Grüne) lässt fast keine Gelegenheit aus, um über GERDA und die damit zusammenhängende Erprobung der telemedizinischen Behandlung zu schwärmen. Rund 40 Ärzte in Baden-Württemberg bieten eine Online-Sprechstunde an, und ab dem 1. November werden die Apotheker im Stadtgebiet Stuttgart und Landkreis Tuttlingen Teil des Modellprojektes sein. Zudem läuft in Baden-Württemberg schon seit einiger Zeit ein E-Rezept-Projekt für PKV-Patienten, an dem unter anderem apotheken.de und die Teleclinic beteiligt sind.
E-Rezept kein Thema
Am Freitag vor einer Woche fand in Stuttgart das „Forum Gesundheitsstandort BW“ statt, bei dem sich rund 400 Akteure der baden-württembergischen Gesundheitswirtschaft aus Kliniken, Instituten, Verbänden und Unternehmen trafen. Seit mehr als einem Jahr arbeiten Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Versorgung in verschiedenen Arbeitsgruppen zusammen, um im Bereich der Digitalisierung und Technologie gemeinsam Maßnahmen und Prozesse zu entwickeln. In Vorträgen und Diskussionsrunden wurde eine Zwischenbilanz gezogen. Darüber hinaus hatten mehr als 40 Aussteller aus den Bereichen Medizintechnologie und Pharmazie die Möglichkeit, ihre Produkte und Dienstleistungen vorzustellen.
Neben Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) beteiligte sich fast das gesamte Kabinett der Landesregierung: Innenminister Thomas Strobl (CDU), Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) und eben auch Sozialminister Lucha. Die alles beherrschenden Themen: Krankenhausversorgung, regionale Medizintechnik- und Pharmaindustrie, Forschung an den Universitätskliniken und E-Health allgemein. Die elektronischen Verordnungen und damit die Apotheken waren beim „Forum Gesundheitsstandort BW“ dagegen diesmal noch nicht mal eine Randbemerkung wert, obwohl die Landesapothekerkammer und der Landesapothekerverband in der Liste der beteiligten Institutionen aufgeführt werden.
Lieferengpässe und Standesrecht
Doch wer genau hinhörte, konnte erfahren, dass es für die Landesregierung offenbar hohe Priorität hat, bestehende Regulierungen zumindest infrage zu stellen, um der hiesigen Gesundheitswirtschaft Auftrieb zu verleihen. Vertreter kleinerer und mittelständischer Unternehmen, die sich auf die Produktion von Arzneimitteln und Medizinprodukten spezialisiert haben, klagten über die immer größeren gesetzlichen und bürokratischen Hürden, am Marktgeschehen teilnehmen zu können.
Carola Maute-Stephan, Geschäftsführerin des Landesverbandes Baden-Württemberg des Verbandes der Chemischen Industrie, sagte dazu bei einer Diskussion: „Die Regulierungen sind übertrieben. Wir stecken in starren Strukturen fest.“ Maute-Stephan bezweifelt, dass unter diesen Umständen Innovationen überhaupt Patienten erreichen. Im Hinblick auf die aktuelle Situation der Lieferengpässe waren sich die Diskutanten einig, dass die Abhängigkeit von südostasiatischen Wirkstoffproduzenten ein Ende haben muss. Es müsse eine „Wertschätzung“ von Produkten aus Europa geben. Auch das System der Parallelimporte wurde thematisiert: Mit den Einsparungen von zum Teil nur wenigen Cent pro Arzneimittel würde man sich die produzierenden und forschenden Unternehmen im eigenen Land „kaputtsparen“.
Was die Entwicklungen von innovativen Versorgungsformen angeht, machte Sozialminister Manne Lucha deutlich, dass man sich von einer traditionellen Denkweise verabschieden müsse: „Es gibt kein standesrechtliches Vorrecht. Es geht darum, wer die beste und intelligenteste Lösung entwickelt und anbietet.“
Heißt wohl konkret: Die Politik sieht primär nicht die Berufsstände der Ärzte und Apotheker in der Pflicht, für Entwicklungen in ihren Bereichen zu sorgen, sondern lässt Unternehmen, Dienstleister und Start-ups gleichermaßen daran partizipieren. |
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