Die Seite 3

Impfskepsis

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Das ist alles ein riesengroßes Missverständnis! Wir Apotheker wollten ja eigentlich gar nicht impfen, jedenfalls nicht im Austausch gegen die Gleichpreisigkeit und als bisher einzig definierte „pharmazeutische“ Dienstleistung.

Am Anfang war es noch der Minister beim Deutschen Apothekertag vor ­einem Jahr, der meinte, er könnte es sich durchaus vorstellen. Nun ist es auch die Standesvertretung, die das Vorhaben unterstützt. Man muss halt nehmen, was man kriegen kann.

Die Reaktion der Ärzte ließ damals nicht lange auf sich warten. Nach der Ansage des Ministers stand die Büchse der Pandora sperrangelweit offen. Aus fast allen Verbänden und Richtungen hagelte es Proteste. Selbst die Radiologen – in Person des ehemaligen Ärztekammerpräsidenten Montgomery – rieten uns nachdrücklich von diesem Wagnis ab. Und immer wieder die reflexartige Forderung nach dem Dispensierrecht: „Wenn ihr impft, wollen wir Arzneimittel abgeben!“ So manchem Apotheker wurde schon angst und bange. Wird sich der sympathische Mediziner von nebenan etwa bald einen Kommissionierautomaten in die Praxis stellen, um alle Rabattverträge erfüllen zu können? Andere Kollegen fingen an zu rechnen. Was könnte sich im Jahr 2030 mehr lohnen: Die Menschen zu impfen oder weiterhin ganz klassisch mit Arzneimitteln zu versorgen? Die Antwort wird davon abhängen, was am Schluss überwiegt – die Zahl der Lieferengpässe oder die der Impfverweigerer.

Allen Zweifeln zum Trotz ist es jetzt so weit: Bevor die versprochenen und echten pharmazeutischen Dienstleistungen in greifbare Nähe rücken, werden die Impfungen in den Apotheken konkreter. Entsprechende Regelungen wurden kurzerhand ins Masernschutzgesetz transferiert. Die pharmazeutischen Dienstleistungen schlummern nach wie vor im Entwurf des Apothekenstärkungsgesetzes, der ausgenommen wie eine Weihnachtsgans auf dem Tisch der EU-Kommission liegt.

Das eingangs erwähnte Missverständnis geschah während des Deutschen Apothekertages Ende September in Düsseldorf, als DAV-Chef Fritz Becker am Ende seiner Rede davon sprach, dass er sich auf das Impfen freue. Dabei meinte er bestimmt nicht die Dienstleistung, sondern seine eigene Grippe-Impfung traditionell zur Eröffnung der Messe.

Jedes Jahr lässt sich der ABDA-Vorstand öffentlichkeitswirksam in die Oberarme stechen, um ein Zeichen zu setzen – auch im Sinne der Herdenimmunität. Doch die Skepsis gegenüber Impfstoffen wächst unter den Apothekern. Erst die defizitäre Honorarfestlegung dieses Jahr auf einen Euro pro Dosis bzw. maximal 75 Euro pro Verordnungszeile, die den logistischen Aufwand nicht wirklich abbildet. Nun das Impfen als neue, nicht ganz so innovative Dienstleistung in der Offizin – hoffentlich deutlich besser vergütet.

Viele Fragen wurden in den letzten Wochen und Monaten gestellt: Wie läuft das haftungsrechtlich? Erlaubt die Berufsordnung überhaupt Impfungen durch Apotheker? Der Beitrag auf S. 24 beleuchtet die dringendsten Aspekte aus juristischer Sicht. Das Fazit: Alles nur halb so schlimm wie angenommen.

Somit bleibt zu hoffen, dass sich die Impfskepsis im Berufsstand nicht noch zu einer Spritzenangst entwickelt. Und wer weiß, vielleicht heißt es auf der Expopharm 2020 ja wirklich: „Apotheker impft Apotheker“. Fritz Becker und seine Kollegen sind jedenfalls in freudiger Erwartung.

Armin Edalat

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