Beratung

Meist gibt es eine behandelbare Ursache

Ein Interview mit Dagny Holle-Lee

Klagen Patienten über Schwindel­gefühle, so beginnt eine akribische Suche nach dem Auslöser. Nur ­selten verbirgt sich dahinter eine ernste Krankheit, doch die Ursachen sind vielfältig und die Diagnose ist oft schwierig.
Prof. Dr. Dagny Holle-Lee, Oberärztin der Klinik für Neurologie der Essener Universitätsklinik und Leiterin des dort ansässigen Westdeutschen Kopfschmerz- und Schwindel-Zentrums

DAZ: Prof. Dr. Holle-Lee, Schwindel kann zahlreiche Ursachen haben. Welche Stellung nimmt dabei der Arzneimittel-induzierte Schwindel ein?

Holle-Lee: Viele Arzneimittel lösen Schwindel aus, insbesondere dann, wenn sie den Blutdruck und Herzschlag beeinflussen oder direkten Einfluss auf das Gehirn nehmen. Wichtig ist jedoch immer zu prüfen, ob das eingenommene Arzneimittel wirklich die Ursache für den Schwindel ist. Viele Patienten nehmen diese Arzneimittel auch ein, ohne dass ein Schwindel auftritt. Gerade wenn Patienten Drehschwindelattacken entwickeln, lohnt es sich, noch nach anderen Ursachen zu schauen. Auch ist es unwahrscheinlich, dass Arzneimittel, die man schon jahrelang einnimmt, plötzlich Schwindel verursachen.

DAZ: Welche Arzneimittel lösen nach Ihrer Erfahrung am häufigsten Schwindel aus?

Holle-Lee: Klassische Beispiele sind hier Betablocker, Mittel gegen Morbus Parkinson oder Epilepsie. Aber auch Schmerzmittel können Schwindel ­auslösen.

DAZ: Gibt es genetische Risikofaktoren?

Holle-Lee: Es gibt Schwindelerkrankungen, die genetische Risikofaktoren aufweisen, zum Beispiel die vestibuläre Migräne oder Morbus Menière. Andere Erkrankungen hingegen sind durch bestimmte Erreger verursacht, wie zum Beispiel die Neuritis vestibularis, die Entzündung des Gleichgewichtsnervs. Wahrscheinlich ist auch die Empfindlichkeit gegenüber Arzneimitteln genetisch beeinflusst, aber in diesem Bereich liegen noch nicht viele Forschungsdaten vor.

DAZ: Wie äußert sich Arzneimittel-induzierter Schwindel?

Holle-Lee: Häufig besteht ein zeitlicher Zusammenhang mit der Einnahme der Medikation, das heißt Patienten berichten, dass sie immer eine halbe Stunde nach der Tabletteneinnahme unter Schwindel leiden. Gerade Blutdruckmedikamente, aber auch Mittel gegen Morbus Parkinson, verstärken den sogenannten orthostatischen Schwindel. Wenn man dann schnell aufsteht, wird einem schwindelig, manchmal sogar schwarz vor den Augen. Mittel gegen Epilepsie verursachen hingegen eher Gleichgewichtsstörungen, die dann als Schwindel wahrgenommen werden.

DAZ: Wann sollte man nach Ihrer ­Ansicht einen Arzt aufsuchen?

Holle-Lee: Wenn der Schwindel die ­Lebensqualität beeinträchtigt, wenn die Gefahr besteht, dass Betroffene stürzen könnten oder sie sich nicht mehr trauen Auto zu fahren.

DAZ: Wie beurteilen Sie die Rolle des Apothekers vor Ort?

Holle-Lee: Der Apotheker spielt eine sehr wichtige Rolle. Viele Arzneimittel verursachen erst in Kombination mit anderen Arzneimitteln Neben­wirkungen wie Schwindel. Und der Apotheker hat manchmal den besseren Überblick, was Patienten wirklich einnehmen.

DAZ: Welche Praxistipps können Sie geben und was empfehlen Sie Betroffenen?

Holle-Lee: Wichtig ist bei Schwindel, der einen beeinträchtigt, immer, die Ursache zu abzuklären. Gerade wenn Arzneimittel schon jahrelang eingenommen werden und immer gut vertragen wurden, ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese plötzlich Schwindel verursachen. Es lohnt sich dann immer ein genauerer Blick, weil sich in vielen Fällen eine behandel­bare Ursache findet.

DAZ: Prof. Dr. Holle-Lee, vielen Dank für das Gespräch. |

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