DAZ aktuell

Nur eine Frage des Datenschutzes?

Arzneimittel auf dem Amazon Marketplace

ks/ral | Solange über Amazon vertreibende Apotheker keine spezielle Einwilligung zur Nutzung der Gesundheitsdaten einholen, dürfen sie den Marketplace zum Vertrieb von Arzneimitteln nicht nutzen. Das hat das Oberlandesgericht Naumburg aktuell entschieden ­(Urteile vom 7. November 2019, Az. 9 U 6/19 und 9 U 39/18). Aus Verbraucherschutzsicht ist das Urteil positiv zu werten, allerdings bemängelt Rechtsanwalt Dr. Valentin Saalfrank, dass es sich nur auf den Datenschutz stützt, nicht jedoch auf berufsrechtliche Regelungen, die aus seiner Sicht bei dieser Art des Arzneimittelvertriebs ebenfalls missachtet werden.

Es waren zwei ganz ähnliche Fälle, die den aktuellen Urteilen des Oberlandesgerichts Naumburg zugrunde liegen. Geklagt hatte Dr. Hermann Vogel Jr., Apotheker aus München, gegen zwei Kollegen aus Sachsen-Anhalt, die apothekenpflichtige Arzneimittel über den Amazon Marketplace verkauften. Vogel Jr. sah gleich mehrere Vorschriften verletzt, die das Marktverhalten regeln sollen. Etwa das Selbstbedienungsverbot (§ 17 Abs. 3 ApBetrO), das Verbot, pharmazeutische Tätigkeiten von nicht-pharmazeutischem Personal ausführen zu lassen (§ 3 Abs. 5 ApBetrO), die Vorgaben, die das Arzneimittelgesetz für den Vertriebsweg von Arzneimitteln macht (§ 43 AMG) oder das Heilmittelwerberecht. Zudem würden Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) missachtet. Während in einem Fall das Landgericht Dessau-Roßlau der Klage stattgab, wies das Landgericht Magdeburg sie im anderen Fall ab. Gegen beide Urteile wurde Berufung eingelegt. Am 7. November bestätigte das Oberlandesgericht Naumburg das Dessauer Urteil und änderte das aus Magdeburg: Die Apotheker wurden verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken apothekenpflichtige Arzneimittel über die Amazon-Plattform zu vertreiben – so lange nicht sichergestellt ist, dass der Kunde ihnen vorab seine Einwilligung mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner Gesundheitsdaten (als besondere Daten im Sinne des Art. 9 DSGVO) erteilt hat.

Der Kunde muss ausdrücklich einwilligen

Mittlerweile liegen die Urteilsgründe vor. Aus ihnen wird deutlich: Das Gericht stützt den Unterlassungsanspruch allein auf das Datenschutzrecht. Bei den Bestelldaten der Kunden handele es sich um Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO – und zur Nutzung dieser Daten muss ein Kunde „ausdrücklich einwilligen“. Eine solche ausdrückliche Einwilligung hatte es in den verhandelten Fällen jedoch nicht gegeben und das Gericht hatte daher entsprechend geurteilt. Dass auch Amazon die Daten nutzt (z. B. „Kunden, die sich Produkt A angesehen haben, interessieren sich auch für Produkte B“), räumt das Gericht ein. Etwaige Verstöße seien jedoch nicht Teil dieses Rechtsstreits. Alle weiteren gerügten Verstöße konnte der Senat nicht er­kennen. Nach Übermittlung der Bestelldaten durch Amazon sei die Situation mit einer direkten Bestellung in einer Online-Apotheke vergleichbar – von der datenschutzrechtlichen Problematik abgesehen. Und diese Online-Apotheken seien vom Gesetzgeber nun einmal zugelassen.

Im Prinzip gut, aber ...

Rechtsanwalt Dr. Valentin Saalfrank, der neben Dr. Markus Bahmann den Münchener Apotheker vertreten hat, begrüßt zwar, dass mit dem Urteil nun feststeht, dass Apotheken auch bei Nutzung von Amazon Marketplace den Datenschutz beachten müssen. Klar ist nun: Zu Beginn des Anmelde- beziehungsweise Bestellprozesses muss sichergestellt sein, dass eine Einwilligung des Kunden vorliegt. Saalfrank betont: „Die bis­herige Praxis auf Marketplace ist rechts­widrig.“ Gut sei auch, dass das Gericht den Schutz der Verbraucher im Umgang mit deren Daten gestärkt habe – zu Recht sehe es die bei der Arzneimittelsuche eingegebenen Daten als Gesundheitsdaten, die nach der DSGVO besonderen Schutz genießen. Allerdings bleibt Saalfrank überzeugt, dass nicht nur ein Verstoß gegen die DSGVO vorliegt, sondern auch ein Verstoß gegen berufsrechtliche Regelungen. Das letzte Wort ist also nicht gesprochen – und die Apotheker sollten sensibilisiert sein.

Revision zugelassen

Die Urteile sind nämlich noch nicht rechtskräftig – die Revision zum Bundesgerichtshof hat das Oberlandesgericht Naumburg zugelassen. Zum einen, weil nach wie vor klärungsbedürftig sei, ob die Regeln der DSGVO im Einzelfall überhaupt als Marktverhaltensregeln (im Sinne des § 3a UWG) anzusehen sind – schon das ist noch nicht höchstrichterlich entschieden. Zudem dürfte „aufgrund der marktbeherrschenden Stellung der hier involvierten Internethandelsplattform“ ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an der Klärung der Frage bestehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen hierüber der Handel mit apothekenpflichtigen Medikamenten möglich ist. |

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