Arzneimittel und Therapie

Mit Ketamin zur Abstinenz

Experimentelle Behandlung reduziert Verlangen nach Alkohol

Foto: Brian Jackson – stock.adobe.com

cst | Als Anästhetikum ist Ketamin ein alter Hut. Die narkotischen Eigenschaften sind bereits seit den 1960er-Jahren bekannt. Wer hätte gedacht, dass der NMDA-Antagonist einmal mit völlig anderen Effekten von sich reden macht. Erst kürzlich wurde das S-Enantiomer Esketamin (Spravato™) in den USA als Nasenspray zur Behandlung therapieresistenter Depressionen zugelassen. Nun hat eine Forschergruppe um Professor Sunjeev Kamboj vom University College London ein weiteres potenzielles Einsatzgebiet verkündet: So könnten Alkoholabhängige von einer ein­maligen Ketamin-Injektion profitieren. Durch die Blockade von NMDA-Rezeptoren lässt sich das Suchtgedächtnis anscheinend umprogrammieren. Die Forscher untersuchten 90 Bierliebhaber mit problematischem Alkoholkonsum, die jedoch nicht offiziell als alkohol­krank diagnostiziert worden waren. 60 von ihnen wurde eine Reihe von Bildern mit alkoholischen Getränken gezeigt. Durch diese visuellen Anreize sollte das Belohnungssystem – und somit das Suchtgedächtnis – aktiviert werden. Zudem erhielten die Probanden am ersten Versuchstag vor dem Experiment ein Bier, das sie hinterher zur Belohnung trinken durften. Am zweiten Versuchstag wurde ihnen das Bier nach dem Versuch jedoch unerwartet wieder weggenommen, das Sucht­gedächtnis dadurch kurzzeitig destabilisiert. Am dritten Versuchstag wurden die Teilnehmer erneut enttäuscht und erhielten direkt im Anschluss entweder eine Ketamin- oder eine Placebo-Injektion. Den restlichen 30 Teilnehmern wurde Ketamin nach einem Kontroll­experiment mit Orangensaft verabreicht. In der Tat schien der NMDA-Antagonist die nach der Destabilisierung des Suchtgedächtnisses erforderliche Rekonsolidierung zu unterbinden. Das Verlangen nach Alkohol und der Konsum waren bei den Teilnehmern, denen nach dem entzogenen Bier Ketamin injiziert worden war, im Vergleich zu den anderen Versuchsgruppen deutlich reduziert. Die Effekte hielten über neun Monate an. |

Literatur

Das RK et al. Ketamine can reduce harmful drinking by pharmacologically rewriting drinking memories. Nature Comm 2019;10:5187

Das könnte Sie auch interessieren

Antidepressive Wirkung über Opioid-Rezeptoren vermittelt

Vielseitiges Ketamin

Auch ohne Diabetes besteht ein Risiko

Unterzuckerungen durch Tramadol

Interview mit der Charité Berlin (Teil 1)

Ketamin zur Therapie schwerer Depressionen

Glasform beeinflusst unser Trinkverhalten

Das Auge trinkt mit

Interview mit der Charité Berlin (Teil 3)

Potenzial von Ketamin als antisuizidales Arzneimittel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.