Kongresse

Quo vadis pharmazeutische Onkologie?

Bericht vom Norddeutschen Zytostatika Workshop

HAMBURG (pj) | Onkologische Pharmazie 2025 – quo vadis? Diese Frage begleitete den diesjährigen Norddeutschen Zytostatika Workshop (NZW), der vom 25. bis 27. Januar 2019 in Hamburg-Harburg stattfand. In rund 60 Vorträgen, Symposien, Workshops und Veranstaltungen der European Society of Onco­logy Pharmacy (ESOP) wurden die unterschiedlichen Facetten der onkologischen Pharmazie beleuchtet.

In seiner Eröffnungsrede skizzierte Klaus Meier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP) und der European Society of Oncology Pharmacy (ESOP) die zukünftigen Aufgaben und Ziele der pharmazeutischen Onkologie. Eine aktuelle Neuerung ist die Ausbildung zum europäischen onkologischen Pharmazeuten (s. Kasten „Das EUSOP-Programm“), um die Qualifikation auf europäischer Ebene zu nivellieren. Weitere Aufgaben sind die Fortführung der Qualitätsstandards für die pharmazeutische Onkologie (QUAPOS), der Ausbau der Oralia-Initiative und die Umsetzung einer interdisziplinären Zusammenarbeit.

Ein Kongressschwerpunkt befasste sich mit zukünftigen pharmazeutisch-medizinischen Entwicklungen. Angesprochen wurden bereits umgesetzte Veränderungen bei der Behandlung von Tumorerkrankungen, die Einführung neuer Tumormedikamente in den vergangenen zwölf Monaten, Nachsorgeprogramme für junge Krebspatienten sowie die zunehmende Bedeutung von Biosimilars. Längerfristige Herausforderungen sind unter anderem das Problem von Medikamenten im Abwasser, die Gewährleistung der Arzneimittelversorgung und die rasante Zunahme der digitalen Datenmedizin.

Das EUSOP-Programm

Die Europäische Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (European Society of Oncology Pharmacy, ESOP) hat für die Weiterbildung in onkologischer Pharmazie (European Specialization in Oncology Pharmacy, EUSOP) ein neues Curriculum eingeführt. Erfolgreiche EUSOP-Absolventen sind berechtigt, den Titel „Europäischer Onkologischer Pharmazeut“ zu tragen. Für Apotheker, die in Deutschland bereits die Weiterbildung zum „Onkologischen Pharmazeuten“ abgeschlossen haben, besteht die Möglichkeit, mit begrenztem Aufwand (25-stündiges Trainingsprogramm zu Biosimilars) den Zusatztitel zu erwerben.

Gewebe-agnostische Therapien in der Onkologie

Ein neuer Ansatz zur individuellen Tumortherapie ist die Bestimmung von Biomarkern als Therapiebasis. Prof. Dr. Bernd Meibohm, College of Pharmacy, The University of Tennessee Health Science Center, Memphis (USA), zeigte den Weg von der Behandlung stratifizierter Patientengruppen bis hin zur Gewebe-agnostischen Therapie auf. Ein erster Schritt war die Klassifizierung bestimmter Subgruppen, dem folgte die Stratifizierung nach molekulardiagnostischen Merkmalen. Ein Beispiel hierfür ist die Anti-EGFR-Therapie beim kolorektalen Karzinom vom KRAS-Wildtyp. Die neueste Entwicklung ist die Behandlung aufgrund einer bestimmten Biomarker-Signatur. Seit Kurzem sind erstmals Tumortherapeutika zu Gewebe-agnostischen Therapien zugelassen, wobei die Indikation ausschließlich auf der Anwesenheit bestimmter molekularbiologischer Merkmale in den Tumorzellen beruht – unabhängig von dem Gewebetyp und der Lokali­sation des Tumors. Ein Beispiel ist Larotrectinib (Vitrakyi®), ein Pan-Tropomyosin-Rezeptorkinase(TRK)-Inhibitor, der bei Vorliegen bestimmter Fusionsproteine (NTRK = neurotrophische Tropomyosin-Rezeptorkinase-Fusionsproteine) eingesetzt werden kann. Diese Aberration tritt bei ungefähr 3% sehr unterschiedlicher solider Tumoren auf; die Ansprechraten auf eine Therapie mit Larotrectinib sind hoch, der Effekt anhaltend.

Foto: DAZ/P.Jungmayr
Rund 750 Teilnehmer besuchten den größten deutschsprachigen pharmazeutisch-onkologischen Fachkongress, der von einer PTA-Tagung und einer Industrieausstellung begleitet wurde.

Arzneimittelskandale und mögliche Konsequenzen

Im vergangenen Jahr gingen in Deutschland mehrere Arzneimittelskandale durch die Presse, unter anderem die Verunreinigung von Valsartan sowie durch einen Bottroper Apotheker gestreckte Zytostatika. Prof. Dr. Niels Eckstein, Pirmasens, zufolge, der Chronologie und Hintergründe des Valsartan-Skandals darlegte, kann dieser auch als Symptom einer fehlgeleiteten Informationspolitik und zunehmender Lieferengpässe gedeutet werden. Bereits 2017 wurde von der FDA auf die Verunreinigung von Valsartan hingewiesen. Es dauerte ein Jahr, bis diese Information in Europa publik wurde und der Arzneistoff auf Verunreinigungen mit N-Nitroso-­Dimethylamin (NDMA) geprüft wurde – hier liegen Defizite beim Umgang mit Informationen vor. Die darauf folgende eingeschränkte oder fehlende Verfügbarkeit von Val­sartan reiht sich in die lange Liste von Lieferengpässen ein. Es stellt sich die Frage, ob die inner­europäische Her­stellung nicht der bessere Weg zur Vermeidung von Lieferengpässen ist, um nicht mehr auf im asiatischen Raum hergestellte Wirkstoffe ange­wiesen zu sein, so Eckstein.

Dominique-André Busch, Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf wies auf den derzeitigen Stand des Bottroper Apothekerskandals hin und legte die von der Apothekenüberwachung gezogenen Konsequenzen dar. Der Apotheker wurde vom Landgericht Essen wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz und Abrechnungsbetrug zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist derzeit noch nicht rechtskräftig und die Revision vor dem Bundesgerichtshof steht noch aus. Aufgrund dieses Skandals wurde die Apothekenüberwachung in Nordrhein-Westfalen neu geordnet und sieht neben weiteren Maßgaben – ein Inspektionskatalog ist noch in Arbeit – eine engmaschige Inspektion Zyto­statika-herstellender Apotheken vor.

In der dem Vortrag folgenden Diskussion wurde unter anderem die Sinnhaftigkeit einiger Maßnahmen erörtert, die zwischen folgerichtig und überreguliert eingestuft wurden. |

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