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Aus den Ländern
Kampf gegen Apothekensterben, Hoffen auf Makelverbot und Dienstleistungen
AKWL will Chancen nutzen und macht Weg für Institut für Versorgungsforschung frei
Interprofessionelle Zusammenarbeit wird bei der Apothekerkammer Westfalen-Lippe groß geschrieben. Und so durften sich die Delegierten zu ihrer Herbsttagung am 4. Dezember 2019 nicht nur im Sitzungssaal der Ärztekammer Westfalen-Lippe versammeln, sie wurden auch persönlich von dem Hausherrn Dr. Johannes Albert Gehle, dem neu gewählten Präsidenten der Ärztekammer Westfalen-Lippe, begrüßt.
Er betonte die Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit der freien Berufe und schätzt als im Krankenhaus tätiger Arzt das Engagement der Apotheker, beispielsweise im Rahmen des Antibiotic Stewardship oder bei der Durchführung von Arzneimittelanamnesen. Die freien Berufe und damit Ärzte und Apotheker müssten eng zusammenarbeiten. Sie dürften sich nicht auseinanderdividieren lassen, auch wenn das vonseiten der Politik immer wieder versucht würde. So mache sie spaltende Angebote, sei es in Richtung Dispensierrecht für Ärzte oder die Übernahme von ärztlichen Tätigkeiten durch die Apotheke.
Blick zurück
Overwiening eröffnete die Kammerversammlung mit einem Rückblick auf die Themen, die die Kammer in dem nun zu Ende gehenden Jahr beschäftigt haben.
Der Januar 2019 war geprägt von dem Blick auf das Jahr 2018, in dem in Westfalen-Lippe mit 51 Apothekenschließungen ein neuer trauriger Rekord in der 73-jährigen Kammergeschichte erzielt worden ist. Diese Entwicklung hat sich 2019 weiter fortgesetzt, man rechnet mit einer Zweijahresbilanz von rund 100 Apothekenschließungen in zwei Jahren. Die Apothekenzahl wird 2019 auf den niedrigsten Stand seit 1979 sinken. Damit stehen auch immer weniger Apotheken für den Notdienst zur Verfügung. Um hier gegenzusteuern, wurde zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe die Aktion „Frag das A“ ins Leben gerufen und in Detmold und Bochum ein Modellversuche gestartet. Über eine Web-Applikation oder Stelen in Notfallpraxen können Patienten sich über Notdienst-habende Apotheken, informieren, ebenso darüber, ob die verordneten Medikamente vorrätig sind und wie man die Apotheke findet. Nutzer zeigten sich sehr zufrieden, das Modellvorhaben soll fortgesetzt werden.
Im Februar 2019 startete Securpharm. An der gelungenen Umsetzung in Deutschland habe die Apothekerschaft einen großen Anteil, so Overwiening. Insgesamt sieht Overwiening Securpharm positiv und möchte das Projekt positiv begleiten, denn: „Wir grenzen uns damit von einem unkontrollierten Markt ab!“ Im März konnte die AKWL auf dem Westfälisch-Lippischen Apothekertag 1340 Teilnehmer begrüßen und einen neuen Besucherrekord verzeichnen. Prominente Gäste waren unter anderem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und NRW-Gesundheitsminister Laumann. Bis April wurden 196 Fachsprachenprüfungen vorgenommen, die zur Zeit noch beim Land NRW vorzunehmende Gleichwertigkeitsprüfung soll in die Hände der AKWL gelegt werden. Im Mai stand die Kammerwahl an, die erstmals auch online möglich war. Ein Drittel der Mitglieder hat das Angebot angenommen, die Wahlbeteiligung lag bei 40,35%. Im Rahmen der BAK-Mitgliederversammlung in Bonn wurde Hannes Müller in den geschäftsführenden Vorstand gewählt. Müller arbeitet in der ABDA-Task-Force zu pharmazeutischen Dienstleistungen mit, die nach wie vor hinter verschlossenen Türen tagt. Grund dafür sei die Angst, dass die Krankenkassen die anvisierten Dienstleistungen ad absurdum führen könnten, wenn mit unausgereiften Vorschlägen an die Öffentlichkeit gegangen würde, so die Erklärung Overwienings für die Geheimhaltungspolitik.
Verdienstmedaille für Rudolf Strunk
Die Verdienstmedaille der Apothekerkammer Westfalen-Lippe wird seit 1988 regelmäßig vergeben und ging im Rahmen der Kammerversammlung am 4. Dezember 2019 an Apotheker Rudolf Strunk. Strunk hatte sich bei der letzten Kammerversammlung nach 38 Jahren verabschiedet. Aber, wie Overwiening in ihrer Laudatio betonte: „Niemals geht man so ganz!“ Strunk ist 1981 mit nur 31 Jahren in die Kammerversammlung Westfalen-Lippe eingetreten und hat sich als stellvertretender Kreisvertrauensapotheker für die Städte Recklinghausen und Heerlen verdient gemacht. Zusätzlich kümmerte er sich um die berufsständische Versorgung, u. a. als Vorsitzender des Versorgungswerks, als Vorsitzender der ständigen Konferenz aller Versorgungswerke und als Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungswerke (ABV). Overwiening bezeichnete ihn als empathischen und zuverlässigen Streiter für die Apothekerschaft. Er habe wertvolle Arbeit für die Vertretung der freien Berufe geleistet. Dafür wurde er mit der höchsten Auszeichnung der AKWL geehrt.
Hoffen auf Spahn und VOASG
Einen Schwerpunkt bildeten Aktivitäten rund um die Gesetzesinitiativen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und das bislang noch nicht verabschiedete Apothekenstärkungsgesetz. So hatte die Kammerpräsidentin im Sommer die Gelegenheit, Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, in ihrer Apotheke zu begrüßen und ihm die Sorgen und Nöte der Apotheken vor Ort näher zu bringen. Der enge Austausch habe sich dann wohl auch in der Stellungnahme des Bundesrats zur Gleichpreisigkeit widergespiegelt, der Wortlaut soll aus dem Haus Laumann stammen, so Overwiening. Der Bundesrat hatte sich klar für ein Rx-Versandverbot zur Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit ausgesprochen. In Sachen Deutscher Apothekertag (DAT) griff Overwiening die immer wieder geäußerte Kritik auf, nach der dieser als Tiger begonnen und als Bettvorleger geendet sei. Denn der am Anfang des Apothekertags mit Nachdruck gestellten Forderung, am Rx-Versandverbot festzuhalten und den Bundesratsbeschluss zu unterstützen, wurde letztlich nicht nachgekommen. In diesem Zusammenhang bezeichnete Overwiening den Auftritt Spahns beim DAT und seine Reaktion auf den Bundesratsbeschluss – „wenn ihr meint der Bundesrat kann es besser, dann stoppe ich alle meine Vorhaben!“ – als irritierend.
Nach wie vor steht die Antwort der EU auf die Frage aus, ob die Verankerung des Rx-Boni-Verbots im Sozialgesetzbuch europarechtskonform ist. Damit ruht das Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG). Vor dem Hintergrund dieser Hängepartie hatte Overwiening mit Spahn Kontakt aufgenommen und ihm vorgeschlagen, das ebenfalls im Entwurf des Apothekenstärkungsgesetz vorgesehene Makelverbot für E-Rezepte und die pharmazeutischen Dienstleistungen aus dem Paket herauszunehmen und getrennt schnellstmöglich auf den Weg zu bringen. Das habe Spahn mit der Begründung abgelehnt, dass er ein Paket für die Sicherung der Versorgung in der Fläche geschnürt habe. Dafür wolle er das O.K. der EU-Kommission haben, das Makelverbot und die Dienstleistungen benötige er für seine Argumentationsschiene. Die Kammerpräsidentin hofft nun, dass es in Sachen VOASG spätestens im Januar weitergeht und zeigt sich zuversichtlich: „Wenn Makelverbot und pharmazeutische Dienstleistungen gelingen, ist viel gewonnen!“
Werben für DAV-App
Die Zeit drängt, das E-Rezept soll Mitte 2020 kommen. Die Begehrlichkeiten sind groß, Entsprechend warb Overwiening vehement für die DAV-App, die keine monetären Interessen verfolge, keine Steuerung der Patienten zulasse, keine Apotheken diskriminiere, frei von Werbung sei und kein Makeln erlaube. Sie sei universell verfügbar, ein Herunterladen aus dem App-Store nicht notwendig. Overwiening forderte ihre Kollegen eindringlich auf, sich einzuschreiben. Ziel sei eine einheitliche „Bundes-App“ für den Rezepttransport. Ein Modellprojekt zur Anwendung der DAV-App läuft bereits in Berlin, es soll auf Brandenburg und wohl auch auf Westfalen-Lippe ausgeweitet werden. In Westfalen-Lippe soll die Einbindung in die Telematik-Infrastruktur getestet werden.
Plädoyer für Versorgungsforschung
Ein besonderes Herzensthema hatte sich Overwiening für den Schluss ihrer Rede aufgehoben: die Versorgungsforschung und die pharmazeutischen Dienstleistungen. Dienstleistungen müssten der Gesellschaft dienlich sein, und das müsse nachgewiesen werden. Dazu sei eine strukturierte Erforschung notwendig, Stichwort Versorgungsforschung. Hier würde es schon einige Initiativen geben, federführend vorangetrieben von Dr. Olaf Rose und Dr. Oliver Schwalbe. Doch Overwiening möchte die Kräfte bündeln und die Versorgungsforschung systematisch ausbauen. Dazu wolle man in der Apothekerkammer Westfalen-Lippe ein wissenschaftliches Institut für Versorgungsforschung gründen. Leiten soll es Dr. Oliver Schwalbe (20%-Stelle), unterstützt von einem/einer Mitarbeiter/in (50%-Stelle). Die Protagonisten des Projektes, Dr. Olaf Rose und Dr. Oliver Schwalbe, hatten im Anschluss die Gelegenheit, dafür zu werben. Mit Erfolg: Nach intensiven, zum Teil emotional geführten Diskussionen wurde der Antrag auf Gründung des Wissenschaftlichen Instituts für Versorgungsforschung in Apotheken (WIVA) mit großer Mehrheit angenommen.
Pharm-CHF: AKWL bekommt Geld zurück
Die AKWL hatte Prof. Dr. Martin Schulz, Geschäftsführer Arzneimittel der ABDA, geladen und ihn gebeten, über die Ergebnisse der nun im European Journal of Heart Failure (2019; 21:1012-1021) veröffentlichten Pharm-CHF-Studie (Pharmacy-based interdisciplinary intervention for patients with chronic heart failure) zu berichten. Den Startschuss für die Studie hatte 2010 die Apothekerkammer Westfalen-Lippe gegeben und dazu Projekt-gebunden 500.000 Euro bereitgestellt, davon wurden 300.000 Euro abgerufen. Da die Studie mit deutlich weniger Teilnehmern als geplant durchgeführt worden ist, ist nun noch Geld übrig. So konnte Schulz der Kammerversammlung verkünden, dass rund 100.000 Euro zurückfließen werden. Die Pharm-CHF-Studie ist die erste apothekenbasierte randomisierte Patientenstudie, die gezeigt hat, dass apothekerliche Interventionen signifikant die Adhärenz und die Lebensqualität der Patienten verbessern können. Die Ergebnisse sind in Kardiologenkreisen auf große Resonanz gestoßen. Stolz verwies Schulz darauf, dass sie nun auch in die Nationale Versorgungsleitlinie Herzinsuffizienz, 3. Auflage 2019, aufgenommen worden sind. Hier findet sich unter Punkt 12.1.3. die Empfehlung, dass Apotheker in die multidisziplinäre Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz eingebunden werden sollten. |
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