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Lassen sich alte Arzneimittel recyceln?

Pharmazeutische Chemiker aus Erlangen arbeiten an Aufbereitungsmethoden

Arzneimittelrückstände im Abwasser sind eine enorme Herausforderung für die Kläranlagen. Neben der Verbreitung und Förderung resistenter Erreger durch Antibiotika im Wasser, haben viele Wirkstoffe zum Teil gravierende Auswirkungen auf die Umwelt. Pharmazeu­tische Chemiker der Uni Erlangen arbeiten nun an Methoden, alte Arzneimittel aufzuarbeiten und die Wirkstoffe daraus zurückzu­gewinnen. Unterstützung gibt es von den Apotheken in der Stadt und den kommunalen Entsorgern.
Foto: Roggenhofer

Seitens der pharmazeutischen Hersteller scheint mit Abhilfe nicht zu rechnen zu sein, wie jüngst ein Bericht des ZDF-Magazins „Frontal 21“ thematisierte. „Es sei kaum möglich, Wirk­stoffe für gut verträgliche Arznei­mittel zu entwickeln, die auch eine optimale Umweltverträglichkeit aufweisen“, zitierte das Magazin aus einem Schreiben des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH).

Ein Hauptproblem: Dass man Arzneimittel nicht über die Toilette entsorgt, sondern in der Apotheke oder beim kommunalen Entsorger abgibt, ist vielen Menschen offensichtlich nicht klar. Ein Forschungsprojekt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg könnte nun dazu beitragen, diesen Weg bekannter und auch wirtschaftlich interessanter zu machen.

100 von 500 Stoffen verwertbar

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Markus Heinrich am Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie der Universität Erlangen-Nürnberg arbeitet nämlich daran, Alt-Arzneimittel, die in Apo­theken oder Wertstoffhöfen abgegeben wurden, wieder einer sinnvollen Verwendung zuzuführen – sie zu „recyceln“. Das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte und vom Regierungsbezirk Oberfranken wegen der Verwendung der Arznei­mittel auch genehmigte Forschungsvorhaben der Arbeitsgruppe sucht dabei nach Methoden, die Wirkstoffe aus den Alt-Arzneimitteln zurückzugewinnen. „Die dürfen natürlich nicht wieder als Arzneimittel für Mensch oder Tier benutzt werden. Die rückgewonnenen Wirkstoffe können jedoch als Chemikalien für die Forschung oder die Ausbildung an Universitäten und Fachschulen eingesetzt werden“, erklärt Heinrich. Eine Möglichkeit dabei sei, sie auch konkret als Diagnos­tika einzusetzen, etwa zum Nachweis von Arzneimitteln in Gewässern. „Unser Forschungsprojekt läuft nun seit etwa zwei Jahren. Als besonders aussichtsreiche Gruppe von Wirkstoffen hinsichtlich einer Wiederverwendung, etwa als Diagnostika, haben sich dabei bislang Antibiotika herausgestellt“, sagt Anna Roggenhofer, Doktorandin in der Arbeitsgruppe. Eine Fragestellung ist dabei, in welcher Reinheit welche Stoffe rückgewonnen werden können – unter „ökologisch vertretbarem“ Aufwand. Die ersten Versuche seien bereits vielversprechend. „Es funktioniert, einige Wirkstoffe sind gut zu trennen, und wir haben auch bereits Anwendungen für sie“, erklärt etwa Roggenhofer. Derzeit habe man rund 500 Stoffe untersucht und für 100 davon mögliche Verwertungswege gefunden, ergänzt Heinrich.

Unterstützung von Apotheken

Das Projekt ist bislang auf die Region beschränkt. So untersucht man auch eingehend die Frage, welche Stoffe im Großraum Erlangen-Forchheim-Nürnberg überhaupt gesammelt werden können. In Forchheim hat man dabei die Unterstützung des kommunalen Entsorgers im Landkreis. Die von Bürgern etwa beim Schadstoffmobil des Landkreises gesammelten alten Medikamenten werden den Forschern der Uni Erlangen zur Verfügung gestellt. In der Stadt Erlangen selbst haben die Wissenschaftler bereits mehrere Apotheken als Kooperationspartner gewinnen können. Mit Aufstellern und Aufklebern weisen die teilnehmenden Apotheken darauf hin, dass sie an dem Forschungsprojekt mitmachen und Alt-Arzneimittel, die dort abgegeben werden, an die Forscher gehen. Schließlich wolle man mit dem Projekt auch ein Bewusstsein bei den Menschen zum nachhaltigen Umgang mit Arzneimitteln schaffen, sagt Heinrich. „Ein hoher Verbrauch und oft auch eine unsachgemäße Entsorgung der Alt-Arzneimittel können zu weitreichenden Problemen in der Umwelt führen“. |

Volker Budinger

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