Aus den Ländern

Mit heilberuflichen Leistungen und Digitalisierung in die Zukunft

Eppendorfer Dialog „Arzneimittelversorgung in der Zukunft – bleibt die Apotheke vor Ort?“

HAMBURG (tmb) | Beim Eppendorfer Dialog am 4. Dezember 2019 in Hamburg ging es um die Frage nach der Zukunft der Vor-Ort-Apotheken. Bei den Antworten standen die heilberuflichen Leistungen und die Digitalisierung im Mittelpunkt. Dr. Kerstin Kemmritz, Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, umschrieb ein breites Spektrum heilberuflicher Angebote und stellte ein Gliederungsmodell für pharmazeutische Dienstleistungen vor, ging aber nicht auf konkrete Leistungen ein.
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In Hamburg wurde über die apothekerliche Zukunft gesprochen: Leben sie im Gestern oder können sie Gesundheitsmanager, Gatekeeper, Therapiebegleiter, Übersetzer der Künstlichen Intelligenz und „empathische Kontrollinstanz“ sein? Oder etwas ganz anderes ...

Bei der Veranstaltung fielen besonders die Statements des CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich und des DocMorris-Vorstands Max Müller auf (siehe AZ 2019, Nr. 50, Seite 8). Hennrich stellte klar, dass das Apo­thekenstärkungsgesetz nur kommen werde, wenn dazu „in Brüssel“ Rechtsklarheit erzielt werde. Außerdem kritisierte er, dass die Apotheker im Regelfall „im Gestern leben“ und den Status quo verteidigen würden. Müller zeigte sich dagegen offen für alle digitalen Neuerungen. Nach seiner Darstellung biete DocMorris bereits systematische Überprüfungen der Rezepte auch mit Algorithmen, die in den Vor-Ort-Apotheken nur geplant seien.

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Spezialisierungen und Prävention sieht Michael Hennrich als Trends für die Apotheke.

Als wesentliche Trends für die Apotheken erwartet Hennrich Spezialisierungen und die Prävention, insbesondere Grippeimpfungen. Mittelfristiges Potenzial sehe er auch in einer mög­lichen Legalisierung von Cannabis.

Heilberufliche Leistungen – aber welche?

Dr. Kerstin Kemmritz, Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, betonte die heilberuflichen Aspekte. Dabei deutete sie viele Möglichkeiten an, ging aber nicht konkret auf bestimmte Dienstleistungen ein. Sie sehe die Apotheker als „Gesundheitsmanager, Gatekeeper, Therapiebegleiter“, Übersetzer der Künstlichen Intelligenz und „empathische Kontrollinstanz“. Pharmazeutische Dienstleistungen müssten zum Standard in der GKV werden. In anderen Ländern zeige sich, was möglich sei. Als wichtige Mittel für neue Leistungen nannte Kemmritz das E-Rezept und den E-Medikationsplan. Darin müssten Rx- und OTC-Arzneimittel und auch Nahrungsergänzungsmittel verzeichnet werden. Der Datenschutz müsse der ethischen Verpflichtung zur Forschung gegenübergestellt werden, forderte Kemmritz. In Deutschland müsse mit eigenen Daten Versorgungsforschung betrieben werden. Kemmritz betonte, dass die Apotheken schon jetzt digital gut aufgestellt und damit auch für neue digitale Aufgaben offen seien. Doch müsse Bürokratie abgebaut werden, um Zeit für solche Leistungen zu gewinnen. Moderator Prof. Dr. Achim Jockwig, der selbst Arzt ist, fragte, ob Hausärzte durch die neuen Leistungen der Apotheker überflüssig würden. Er gab zu verstehen, dass er dort Konfliktpotenzial sehe.

Mit Blick auf die erwarteten honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen präsentierte Kemmritz ein Modell der Apothekerkammer Berlin für eine Gliederung künftiger Leistungen. „Kleine“ Leistungen der ersten Stufe solle jede Apotheke ohne Zusatzqualifikation erbringen können. „Mittlere“ Leistungen der zweiten Stufe könnten eine zusätzliche Ausstattung erfordern, die aber jede Apotheke bereitstellen könne. Die dritte Stufe seien „komplexe“ Leistungen, die Fortbildungen und Zertifikate erfordern und die nicht von jeder Apotheke erbracht werden. Die Leistungen der dritten Stufe könnten aus den erwarteten 150 Millionen Euro jährlich nicht finanziert werden. Insgesamt erwartet Kemmritz, dass sich die Vielfalt der Apotheken daraufhin noch mehr erweitern werde. Von der Politik forderte Kemmritz, pharmazeutische Kompetenz zu nutzen und zu vergüten, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen und für „gleich lange Spieße“ zu sorgen.

Digitalisierung und Plattformen

Apotheker Steffen Kuhnert, Düren, bekräftigte, dass die Apotheken intern schon sehr viel digital machen. Doch die Entwicklung gehe weiter und dann könnten auch Algorithmen die Arbeit der Apotheker übernehmen. Damit würden die Apotheker ihren „Realitätsschock“ erleben. Zu Apothekenschließungen erklärte Kuhnert: „Wir machen uns selbst mega-verrückt.“ Er sei nicht verwundert, dass Apotheken schließen, wenn sie sich nicht verändern. Kuhnert forderte, die Apotheker müssten unternehmerischer denken. Sie sollten Lotsen in der Mitte der Gesellschaft sein und dafür auch bezahlt werden. Letztlich werde aber immer der Kunde entscheiden und für den Kunden zähle die Convenience. Das sei aber nicht das Anstehen in der Schlange, sondern eher die Rezept­bestellung über „Alexa“. Um solche ­digitalen Angebote machen und mit großen Unternehmen konkurrieren zu können, müssten sich Apotheken allerdings mit Partnern auf Plattformen organisieren. Von der Berufspolitik forderte Kuhnert konkrete Schritte.

Aus der Trendforschung lernen

Eine ganz andere Perspektive ver­mittelte die Trendforscherin Corinna Mühlhausen, die über den „Health Report 2020“ von „Trendcoach“ berichtete. Demnach würden bei Gesundheitsentscheidungen 70 Prozent der Befragten auf ihren Arzt, aber nur 13 Prozent auf ihren Apotheker vertrauen. Das liege möglicherweise daran, dass viele Menschen keinen Stammapotheker hätten und damit auch kein persönliches Vertrauen aufbauen könnten, mutmaßte Mühlhausen. Die Studie zeige zudem, dass die gängigen Typologien der Marktforschung nicht differenziert genug seien. Mühlhausen entwickelte daraufhin 28 Verbrauchertypen. Sie empfahl, sich mit dieser Vielfalt der Menschen zu beschäftigen, um gezielt Personen anzusprechen, die bestimmten Themen gegenüber besonders auf­geschlossen sind. |

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