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Therapien im Gespräch
Unerwünschte Eindringlinge
Wie Infektionen begegnet werden kann
Ein Dauerbrenner in den Apotheken ist der Kampf gegen die Krätze (DAZ 23, S. 32). Skabiesmilben breiten sich besonders gerne dort aus, wo Menschen auf engem Raum zusammenleben. Übertragen werden die Spinnentiere durch engen Hautkontakt. Streng genommen handelt es sich dabei aber gar nicht um eine Infektion im eigentlichen Sinne, sondern um eine Besiedlung: Die Krätzemilbe dringt nicht in die tieferen Hautschichten ein. Doch wie wird man die fiesen Tierchen wieder los? Mittel erster Wahl ist Permethrin, da hierbei eine Einmalbehandlung in der Regel ausreichend ist. Das oral applizierte Ivermectin stellt das Mittel zweiter Wahl dar, beispielsweise bei immunsupprimierten Personen oder stark erosiver Haut. Die topische Therapie mit Permethrin wirkt juckreizlindernd, während nach der Einnahme von Ivermectin vorübergehend ein verstärkter Juckreiz auftreten kann. Die Topika Benzylbenzoat und Crotamiton sind weniger gut untersucht und werden aufgrund der längeren Behandlungsregimes seltener eingesetzt. Generell sollten Kontaktpersonen, die längeren und engen Haut-zu-Haut-Kontakt mit der betroffenen Person hatten, immer mitbehandelt werden, auch wenn diese noch keine Symptome aufweisen.
Gefährliche Giftproduzenten
Auch bei den Krankheitsbildern, die durch Clostridien verursacht werden, ist der Ausdruck „Infektion“ nicht so ganz passend: Hier handelt es sich eher um Vergiftungen (DAZ 30, S. 38). Clostridium (C.) difficile und Co. zählen zu den größten Giftproduzenten unter den Bakterien. Die bekanntesten humanpathogenen Clostridien sind: C. tetani (Wundstarrkrampf, Tetanus), C. perfringens (Gasbrand, Darmbrand) und C. botulinum (Botulismus). Durch Impfungen, Hygiene und Lebensmittelhygiene sind die lebensbedrohlichen Erkrankungen, die sie verursachen, in modernen Industriestaaten zum Glück recht selten geworden. Pharmakologische Maßnahmen richten sich entweder gegen den Erreger selbst (z. B. Metronidazol gegen C. tetani, Penicillin G i. v. gegen C. perfringens und C. botulinum) oder die zirkulierenden Toxine (z. B. Tetanus-Immunglobulin, Botulismus-Antitoxin). Apotheken sind laut Apothekenbetriebsordnung dazu verpflichtet, Tetanus-Hyperimmunglobulin 250 IE vorrätig zu halten (DAZ 44, S. 60). Das Botulismus-Antitoxin befindet sich auch in den Notfalldepots der Landesapothekerkammern. In Deutschland ist es allerdings nicht zugelassen und muss aus dem Ausland importiert werden. Dies sorgte auch auf dem Deutschen Apothekertag 2019 für Diskussionen (DAZ 44, S. 60).
Zunehmend gefürchtet sind Infektionen mit dem opportunistischen Krankheitserreger C. difficile, der zu der normalen Darmflora des Menschen gehört. Ein besonderes Infektionsrisiko stellt eine vorausgegangene Behandlung mit Breitspektrum-Antibiotika wie Clindamycin, Fluorchinolonen oder Cephalosporinen dar. Zur antibiotischen Therapie einer C.-difficile-Infektion stehen Metronidazol und Vancomycin zur Verfügung. Sekundär können auch Teicoplanin oder Fidaxomicin eingesetzt werden. Seit 2018 gibt es mit Bezlotoxumab (Zinplava®) auch einen Antikörper zur Rezidivprophylaxe.
Schwindsucht schwindet nicht
Nicht weniger gefürchtet ist eine Lungeninfektion, die man bei uns schon fast verschwunden wähnte (DAZ 42, S. 34). Doch schwinden will die Schwindsucht nicht. Erst im August dieses Jahres machte die Meldung von mehr als hundert mit Tuberkulose infizierten Personen an einer Schule in Heidelberg Schlagzeilen. Im Jahr 2018 wurden nach Angaben des Robert Koch-Instituts in Deutschland 5429 Fälle von Tuberkulose gemeldet – in rund drei Viertel der Fälle handelte es sich um eine Lungentuberkulose. Weltweit gehört die Tuberkulose zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Die Erkrankung kann durch verschiedene aerobe Bakterien hervorgerufen werden, die insgesamt den „Mycobacterium-tuberculosis-Komplex“ bilden. Tuberkulose kann meist gut behandelt werden. Da das Resistenzrisiko jedoch recht hoch ist, erhalten die Patienten mehrere Antibiotika in Kombination (Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid, Ethambutol).
Vorsicht ist bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis geboten, die mit Biologika behandelt werden. Eine unerkannte, latente Tuberkulose-Infektion kann unter einer immunsuppressiven Behandlung reaktiviert werden und anschließend lebensbedrohlich verlaufen (DAZ 17, S. 30). Für die meisten Biologika wird daher ein Tuberkulose-Screening vor Therapiebeginn empfohlen. Die Reaktivierung einer Hepatitis-B-Infektion ist ebenfalls möglich.
Das Hepatitis-ABCDE
Virushepatitiden können durch die Hepatitis-Viren A bis E ausgelöst werden (DAZ 12, S. 40) (s. Tabelle „Unterschiede zwischen den Virushepatitiden A, B, C, D und E“). Die Prophylaxe- und Therapiemöglichkeiten hängen von der Art des Erregers ab. So ist die Hepatitis C heutzutage bei fast allen Patienten heilbar. In den letzten Jahren sind viele neue Therapieoptionen verfügbar geworden (DAZ 14, S. 39). Interferon spielt mittlerweile keine Rolle mehr. Eingesetzt werden verschiedene direkt antiviral wirksame Kombinationstherapien, die relativ gut verträglich sind. Dabei muss jedoch das sehr hohe Interaktionspotenzial der Substanzen beachtet werden. Die chronische Hepatitis B ist durch Arzneimittel – wenn auch nicht heilbar – zumindest kontrollierbar. Bessere Hepatitis-B-Therapien könnten indirekt auch gegen das Hepatitis-D-Virus wirken. Denn Hepatitis D kann nur als Koinfektion mit Hepatitis B auftreten. Die Behandlungsmöglichkeiten sind hier noch begrenzt, nach antiviralen Therapien wird gesucht. Dabei kommt es allerdings immer wieder zu Rückschlägen. So hat beispielsweise auch eine verlängerte Peginterferon-Behandlung in Kombination mit dem Polymerase-Inhibitor Tenofovir die Erwartungen verfehlt (DAZ 17, S. 31). Hepatitis E ist das häufigste Hepatitis-Virus in Deutschland: Über 99% der Infektionen verlaufen unauffällig und heilen von selbst wieder aus. Schwere Akutverläufe oder seltene chronische Verläufe lassen sich in der Regel erfolgreich mit Ribavirin behandeln. Gegen Hepatitis A gibt es keine medikamentöse Therapie, für Reisen in Länder mit geringem Hygienestandard wird eine Impfung empfohlen.
Krebs durch Viren
Ein weiteres Virus, gegen das verzweifelt nach einer Therapie gesucht wird, ist das Epstein-Barr-Virus (EBV) (DAZ 31, S. 32). Das Herpes-Virus verursacht nicht nur das Pfeiffersche Drüsenfieber, es wird auch als onkogen eingestuft. Nach Schätzungen der Bundesregierung können weltweit etwa 2% aller Krebstodesfälle auf eine Infektion mit Epstein-Barr-Viren zurückgeführt werden. Bei der Entstehung des endemischen Burkitt-Lymphoms, B-Zell-Lymphomen bei AIDS-Patienten und immunsupprimierten Patienten, des Nasopharynxkarzinoms und zahlreicher weiterer schwerwiegender Erkrankungen spielt es eine wichtige Rolle. Im Tiermodell hat sich ein Impfstoffkandidat, der von Forschern des deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg (DKFZ) entwickelt wurde, als vielversprechend erwiesen. Zudem werden verschiedene Ansätze mit kleinmolekularen Hemmstoffen zur Therapie bestehender EBV-Infektionen verfolgt.
Infektion unter der Gürtellinie
An Therapiemöglichkeiten mangelt es bei Harnwegsinfekten nicht. Doch was die sinnvollste Behandlungsstrategie ist, darum gibt es immer wieder Diskussionen (DAZ 38, S. 34). Harnwegsinfektionen gehören zu den häufigsten Gründen, warum vor allem Frauen sich in ärztliche Behandlung begeben. Oft wird dann ein Antibiotikum verschrieben, das aber in vielen Fällen nicht eingenommen wird. Erste Wahl sind Pivmecillinam und Nitroxolin. Cotrimoxazol zählt wegen häufig auftretender Resistenz von Escherichia coli nicht dazu. Ciprofloxacin darf bei einem unkomplizierten Harnwegsinfekt nicht verordnet werden, für schwerere Infektionen der Nieren und Harnwege ist es jedoch eine Option. Doch was rät man Patienten, die auf ein Antibiotikum lieber verzichten wollen? In jedem Fall ist eine Empfehlung zum „viel Trinken“ sinnvoll. Die alleinige Gabe von Ibuprofen kann nicht generell empfohlen werden, meist wird im weiteren Verlauf dann doch noch ein Antibiotikum benötigt. Phytopharmaka (z. B. Arctuvan®, Canephron®) sind einen Versuch wert, auch wenn überzeugende Belege für die Wirksamkeit fehlen. Zuvor sollte anhand der Symptome (Fieber? Blut im Urin? Flankenschmerzen?) allerdings abgeklärt werden, ob es sich tatsächlich um einen Fall für die Selbstmedikation handelt oder ob an einen Arzt verwiesen werden muss. Auch bei älteren Patienten ist rasches Handeln sinnvoll: Das Risiko für schwere Komplikationen steigt, wenn eine antimikrobielle Behandlung hinausgezögert wird (DAZ 14, S. 32).
Eine weitere Infektion, die sich unterhalb der Gürtellinie abspielt, ist die Gonorrhö – im Volksmund meist Tripper genannt (DAZ 29, S. 24). Sie wird durch den Erreger Neisseria gonorrhoeae (Gonokokkus) hervorgerufen. Eine Übertragung erfolgt ausschließlich durch direkten Schleimhautkontakt z. B. beim Geschlechtsverkehr. Die Inzidenz der Gonorrhö hat in Europa und in den USA in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Problematisch ist die Resistenzentwicklung gegen zahlreiche Antibiotika. Mittel der Wahl ist derzeit eine Kombination aus einem Cephalosporin, meist Ceftriaxon (1 bis 2 g i. v. oder i. m.) und Azithromycin (1,5 g p. o.) als Einmaldosis. Hoffnungen ruhen auch auf neuen Antibiotika-Kandidaten in der Entwicklung (z. B. Zoliflodacin, Gepotidacin).
Hoffnung im Kampf gegen Ebola
Und auch im Kampf gegen das Ebola-Virus gab es dieses Jahr mehr als nur einen Hoffnungsschimmer. Zum einen erwiesen sich zwei Antikörper in der PALM-Studie („Pamoja Tulinde Maisha“, Swahili für „gemeinsam Leben retten“) zur Behandlung der Ebola-Infektion als besonders effektiv (DAZ 34, S. 33). Zum anderen wurde die Lebendvakzine rVSV-ZEBOV (Ervebo®) im November von der Europäischen Kommission unter Vorbehalt zugelassen (DAZ 47, S. 25). |
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