Gesundheitspolitik

Privatversicherte dürfen Boni für sich behalten

Bundesgerichtshof legt Urteilsgründe im Fall „Sofort-Boni“ der Europa Apotheek vor

ks | Meist muss man länger auf die Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs (BGH) warten – diesmal ging es recht schnell: Erst am 20. Februar hatten die Karlsruher Richter ihr Urteil „Sofort-Bonus II“ verkündet – jetzt liegen die schriftlichen Gründe vor. (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2020, Az.: I ZR 5/19)

In dem Verfahren ging es um die Frage, ob die mittlerweile in der Shop Apotheke aufgegangene Europa Apotheek gegenüber Privat­patienten mit einem „Sofort-Bonus“ von bis zu 30 Euro pro Rezept werben darf, der dem Kunden auf dessen Kundenkonto gutgeschrieben und bei einer späteren Bestellung mit dem Kaufpreis nicht rezeptpflichtiger Produkte verrechnet wird. Auch heute findet sich ein solches Angebot als „Rezept-Bonus“ noch bei der Shop Apotheke.

Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hielt diesen Bonus für unzulässig – und zwar nicht wegen eines Verstoßes gegen das Arzneimittelpreisrecht. Schließlich hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Oktober 2016 entschieden, dass die deutschen Regelungen zur Preisbindung für Rx-Arzneimittel nicht im grenzüberschreitenden Arzneimittelversand nach Deutschland anwendbar sind. Die Kammer hielt die Werbung aus anderen Gründen für wettbewerbswidrig: Entweder vermerke der Versender den Bonus nicht auf den Quittungen – dann verletze er seine Sorgfaltspflicht, weil er seine Kunden dazu verleite, den Bonus nicht gegenüber ihrem privaten Krankenversicherer anzugeben. Die Folge: Die PKV erstatte den vollen Rechnungsbetrag, obwohl sie nur den um den Bonus geminderten Betrag zahlen müsste. Oder der Versender weise den Bonus zwar auf den Quittungen aus – dann wäre die Werbung aus Sicht der AKNR irreführend. Denn in diesem Fall würde der Versicherer den Bonus von der Erstattung abziehen und der Apothekenkunde hätte keinen Vorteil von der Einlösung eines Rezepts bei der Europa Apotheek, obwohl die Werbung das suggeriere.

Jedoch hielt schon das Oberlandesgericht Stuttgart diese Bonusvariante im Dezember 2018 für zulässig. Und der BGH hat die Revision der AKNR gegen dieses Urteil zurückgewiesen, sodass es rechtskräftig geworden ist. In seinen Urteilsgründen führt der 1. Zivilsenat des BGH aus, dass die Vorinstanz zwar zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass ein möglicherweise begangener Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung nicht zu prüfen gewesen sei. Am Ende kommt diese vom BGH nachgeholte Prüfung aber auf dasselbe heraus: Es bestehe weder ein Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen die Preisbindung noch wegen Verletzung der unternehmerischen Sorgfalt oder Irreführung der Verbraucher.

Was den etwaigen Verstoß gegen die Preisbindung betrifft, verweist der Senat auf das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016. Nicht zum ersten Mal betont er aber auch, dass es angesichts der Tatsache, dass die Beurteilung des EuGH auf unge­nügenden Feststellungen des vor­legenden Gerichts beruhe, nicht ausgeschlossen sei, diese Feststellungen in einem anderen Verfahren nachzuholen. Es müsste darin erneut um die Frage der Vereinbarkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts mit dem EU-Primärrecht gehen. Und daher scheidet im vorliegenden Fall ein solches neuerliches Vorabentscheidungsersuchen aus. Schließlich hat sich die AKNR bewusst nicht auf einen Verstoß gegen die Preisvorschriften gestützt und entsprechend auch keine Tat­sachen hierzu vorgetragen.

Rechtsfehlerfrei waren laut BGH die weiteren Ausführungen der Vorinstanz: Wenn der Bonus nicht auf der Quittung ausgewiesen ist, verstoße die Werbung nicht gegen die unternehmerische Sorgfaltspflicht. Ein solcher Verstoß könne zwar bejaht werden, wenn der Kunde durch die Annahme des Bonus von ihm zu wahrende „Drittinteressen“ – hier der Versicherung – beeinträchtigen würde. Doch der Senat führt aus, dass den PKV-Kunden keine Pflicht trifft, gegenüber seinem Versicherer anzuzeigen, dass er für die Einlösung eines Rezepts einen Gutschein erhalten hat, den er später einlösen kann. Das ergebe sich weder aus den Allgemeinen Ver­sicherungsbedingungen noch aus vertraglichen Nebenpflichten oder sonstigen Rechtsgründen. Anders als bei einem wirklichen „Sofort­rabatt“, also einem unmittelbaren Preisnachlass, sei es vorliegend so, dass der Kunde zunächst den vollen Preis für das Arzneimittel bezahle – und zwar exakt den, der auf dem Rezept steht, das er dann bei seiner Versicherung zur Erstattung einreicht. Der Vorteil realisiere sich erst später – wenn überhaupt –, wenn ein weiterer Kauf bei der Versandapotheke erfolge.

Damit muss auch Bundesgesundheitsminister Spahn klar sein: Sein Plan, die Rx-Preisbindung künftig über das Sozialrecht nur für den GKV-Bereich festzuschreiben, kann keine umfassende Gleichpreisigkeit schaffen. Der PKV-Bereich bleibt ausgespart. Mögen auch unmittelbare Preisnachlässe, die dazu führen, dass privatversicherte Kunden eines EU-Versenders nicht den vollen Preis für ein Rx-Medikament zahlen, diesen aber in Gänze von ihrer Versicherung erstattet bekommen, unzulässig bleiben – der vorliegende Fall zeigt, dass es Wege für die Versender gibt, die Kunden anderweitig zu ködern. |

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