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Management

Versorgungsprofilspezifische Kennzahlenanalyse

Vergleich nur mit Apotheken desselben Typs sinnvoll

Die Kennzahlenanalyse ist aus Sicht des Apothekers eines der wesentlichen Instrumente zur erfolgreichen Führung der Apotheke. Voraussetzung dafür ist, den Kennzahlen der eigenen Apotheke spezifische Kennzahlen vergleichbarer Apotheken (Apothekentyp/Versorgungsprofilgruppe) gegenüberzustellen.

Spezifische Vergleichskennzahlen fehlen in der Regel. Verfügbar sind häufig Durchschnittswerte über alle Apotheken (ggf. getrennt nach alten und neuen Bundesländern) oder allenfalls Kennzahlen, die für bestimmte Größenklassen von Apotheken – bemessen anhand der Umsatzerlöse – veröffentlicht werden. Eine Kennzahlenanalyse, die auf solch pauschale Vergleichswerte abstellt, schafft – wie nachfolgend dargestellt – keinerlei Mehrwert. Für den Vergleich sind vielmehr spezifische Kennzahlen der jeweiligen Ver­sorgungsprofilgruppe der zu betrachtenden Apotheke heranzu­ziehen. Andernfalls werden „Äpfel mit Birnen“ verglichen, was zu unternehmerischen Fehlentscheidungen führen kann.

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Plötzlich war es leer Bei Apotheken in Einkaufscentern oder Flughäfen dürften die Einbußen durch COVID-19 deutlich höher ausfallen als in anderen Versorgungsprofilgruppen.

Apotheken können anhand verschiedener Kriterien (Standort, Einzugsbereich, Nähe zu Ärzten etc.) bestimmten Versorgungs­profilgruppen zugeordnet werden. Maßgebend ist insofern das unmittelbare Umfeld der Apotheke. Die Versorgungsprofile der Apotheken lassen sich z. B. unterscheiden in:

  • typische Vorortapotheke
  • (fach-)arztorientierte Apotheke
  • Apotheke in Lauflage
  • Centerapotheke

Besonderheiten der unterschied­lichen Versorgungsprofile führen dazu, dass sich für jede Versorgungsprofilgruppe spezifische Kennzahlen ergeben. Einige Beispiele dafür sind:

  • Wie stellt sich meine Umsatzstruktur in meiner Versorgungsprofilgruppe dar?
  • Wie lässt sich meine Waren­einsatzquote in meiner Versorgungsprofilgruppe bewerten?
  • Wie stehen meine Personal­kosten in meiner Versorgungsprofilgruppe im Verhältnis zum Umsatz?

Grundvoraussetzung für eine aussagekräftige, d. h. Mehrwert schaffende Kennzahlenanalyse ist, dass die eigenen Kennzahlen die tatsächlichen Geschäftsvorfälle der Apotheke abbilden. Dies setzt neben einer korrekten und zeitnahen Finanzbuchhaltung auch branchen- und apothekenspezifisches Buchungsverhalten voraus. So ist beispielsweise eine umsatzartenspezifische Erfassung der Erlöse, mindestens gegliedert nach GKV-, PKV- und OTC-Umsatz, sinnvoll. Eine monatliche Berücksichtigung der Warenbestandsveränderungen stellt sicher, dass die Wareneinsatzquote auch unterjährig aus­sagekräftig ist. Werden die Warenbestandsveränderungen lediglich einmalig zum Geschäftsjahres­ende erfasst, so kommt es unterjährig zu Fehlinterpretationen.

Unabhängig davon, wie sorgsam die Kennzahlen der eigenen Apotheke ermittelt werden, gilt Folgendes: Eine Kennzahlenanalyse schafft keinen Mehrwert, wenn die Vergleichskennzahlen unspezifisch sind. In der Literatur werden oftmals Durchschnittswerte und manchmal auch Kernbandbreiten über alle Apotheken oder Umsatzklassen angegeben. Diese beziehen sich nicht auf die spezi­fische Versorgungsprofilgruppe, in der die eigene Apotheke einzugruppieren wäre. Ein Vergleich der eigenen Kennzahlen mit Durchschnitts­werten/Kernbandbreiten über alle Apotheken ist nutzlos, da die spezifischen Kennzahlen der einzelnen Versorgungsprofilgruppen hiervon stark abweichen können. Die verschiedenen Versorgungsprofile – und ­deren Kennzahlen – sind bei der Kennzahlenanalyse somit differenziert zu betrachten.

Deutliche Abweichungen zum Durchschnitt

Die nachfolgenden Beispiele zeigen, wie sehr die versorgungs­profilspezifischen Kennzahlen von den öffentlich verfügbaren Daten (Durchschnitt bzw. Kernbandbreite über alle Apotheken) abweichen.

Bereits in der Umsatzstrukturbestehen erhebliche Abweichungen, gezeigt anhand des Rx-Umsatzes (s. Tab. 1).

Tab. 1: Umsatzstruktur
Durchschnitt über alle Apotheken (in % des Gesamtumsatzes)
Kernbandbreite über alle Apotheken (in % des Gesamtumsatzes)
Kernbandbreite bei Center­apotheken (in % des Gesamt­umsatzes)
Rx-Umsatz
83
75 – 90
55 – 60

Während über alle Apotheken der Durchschnitt des Rx-Umsatzes rund 83 Prozent beträgt und sich die Kernbandbreite auf rund 75 bis 90 Prozent des Gesamt­umsatzes beläuft, liegt diese bei einer Centerapotheke üblicherweise im Bereich von rund 55 bis 60 Prozent des Gesamtumsatzes.

Eine Centerapotheke verfügt aufgrund der Lage innerhalb eines Centers über einen sehr hohen Anteil an „Laufkundschaft“. Dies führt dazu, dass der OTC-Umsatz in der Regel überproportional hoch ist und sich ein verhältnismäßig „geringerer“ Rx-Umsatz ergibt. Dies spiegelt sich in den obigen Kennzahlen wider.

Exkurs:
Der Rohertrag einer Centerapotheke ist in der Regel vergleichsweise hoch. Die aktuelle Pandemie-Situation zeigt jedoch die Risiken einer Centerapotheke auf. So kam die Kundenfrequenz vereinzelt fast vollständig zum Erliegen, während die vergleichsweise hohen monat­lichen Fixkosten für Miete und Personal weiterliefen. Eine temporäre Schließung der Apotheke kam aufgrund des gesetzlich ge­regelten Versorgungsauftrags nicht in Betracht. Höhere Einbußen im Vergleich zu Apotheken anderer Versorgungsprofilgruppen können die Folge sein.

Auch in den OTC-Erlösen zeigen sich Besonderheiten in Abhängigkeit von der Versorgungsprofilgruppe. Die OTC-Erlöse sind in der Regel nicht nur bei Center­apotheken, sondern auch bei den Apotheken in Lauflage überdurchschnittlich hoch (s. Tab. 2).

Tab. 2: OTC-Erlöse
Durchschnitt über alle Apotheken (in % des Gesamtumsatzes)
Kernbandbreite über alle Apotheken (in % des Gesamtumsatzes)
Kernbandbreite bei Apotheken in Lauf­lage (in % des Gesamtumsatzes)
OTC-Erlöse
17
10 – 25
30 – 35

Durch eine oftmals große und attraktiv gestaltete Offizin steht dem Kunden eine überdurchschnittliche Frei- und Sichtwahl zur Verfügung. Hinzu kommt bei Apotheken in Lauflage eine deutlich höhere Kundenfrequenz, sodass insgesamt mehr Impulskäufe zu höheren OTC-Umsätzen führen.

Betrachtet man die Personalkostenquote einer (fach-)arztorientierten Apotheke im Vergleich zu der durchschnittlichen Quote über alle Apotheken, so liegt regelmäßig eine Abweichung von mehreren Prozentpunkten vor (s. Tab. 3).

Tab. 3: Personalkostenquote
Durchschnitt über alle Apotheken (in % des Gesamtumsatzes)
Kernbandbreite über alle Apotheken (in % des Gesamtumsatzes)
Kernbandbreite bei (fach-)arztorientierten Apotheken (in % des Gesamtumsatzes)
Personalkostenquote
10,8
9,5 – 11,5
7,5 – 8,5

Es entsteht oftmals der Anschein, dass bei den Personalkosten in der (fach-)arztorientierten Apotheke kein Handlungsbedarf vorliegt, da diese deutlich niedriger als die durchschnittliche Personalkostenquote über alle Apotheken sind. Bei einer spezifischen Betrachtung kann sich aber durchaus das Ergebnis einstellen, dass die Personalkosten innerhalb der versorgungsprofiltypischen Gruppe zu hoch und damit Kostenanpassungen notwendig sind.

Auch die Raumkostenquote weist je nach Versorgungsprofilgruppe Besonderheiten auf (s. Tab. 4).

Tab. 4: Raumkostenquote
Durchschnitt über alle Apotheken (in % des Gesamtumsatzes)
Kernbandbreite über alle Apotheken (in % des Gesamtumsatzes)
Kernbandbreite bei Centerapotheken (in % des Gesamt­umsatzes)
Raumkostenquote
1,4
1,2 – 2,0
4 – 6

Die Raumkostenquote wird ins­besondere durch die Lage der Apotheke bestimmt. Sie ist bei Centerapotheken aufgrund des üblicherweise hohen Mietzinses deutlich höher als der Durchschnittswert über alle Apotheken.

Gefahr von unternehmerischen Fehlentscheidungen

Die oben dargestellten Beispiele zeigen, dass die versorgungs­profilspezifischen Kennzahlen von den Kennzahlen über alle Apo­theken (Durchschnittswerte oder Kernbandbreiten) stark abweichen können.

Da versorgungsprofilspezifische Kennzahlen dem Apotheker und auch den Beratern häufig nicht bekannt sind, wird auf allgemein zugängliches und veröffentlichtes Zahlenmaterial zurückgegriffen. Wird eine konkrete Apotheke mit Durchschnittswerten verglichen, liefert dieser Vergleich jedoch ­keinen Mehrwert. Das Ergebnis ist in der Regel wertlos und kann zu unternehmerischen Fehlentscheidungen führen. Dem Apo­theker kann ein vermeidbarer Schaden entstehen, wie nachfolgendes Beispiel zeigt.

Der Inhaber einer Centerapotheke, der sich ausschließlich auf die allseits bekannten Durchschnittszahlen verlässt und sich damit vergleicht, schätzt sich glücklich, weil seine Wareneinsatzquote statt der durchschnittlichen Zahl von rund 76 Prozent einen Wert von „lediglich“ rund 74 Prozent aufweist. Das ist zwar deutlich unter dem Durchschnitt von rund 76 Prozent, aber auch deutlich über dem für diese Versorgungsprofilgruppe eigentlich üblichen Wert von rund 72 Prozent. Das Problem dabei ist: Der Apotheker hatte beim Vergleich mit Durchschnittszahlen keinen Impetus, sich mit seinen Wareneinsatzzahlen genauer zu befassen, weil sie besser als der Durchschnitt sind. In Wahrheit sind sie aber schlechter als die für diese Versorgungsprofilgruppe typischen Zahlen. Also müsste zumindest analysiert werden, worauf die um rund 2 Prozentpunkte höhere Wareneinsatzquote zurückzuführen ist. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, weshalb die Wareneinsatzquote zu hoch sein kann. Diese sind dann durch den Apotheker oder dessen Berater zu ergründen. Die gewonnenen Erkenntnisse können mitunter zur Verbesserung des Ergebnisses beitragen. Wenn aber die Kenntnis fehlt, dass der Wert im Vergleich zur konkreten Versorgungsprofilgruppe zu hoch liegt, ist kein Anstoß da, die Analyse überhaupt vorzunehmen.

Werterhöhung durch branchenspezifische Führung

Die versorgungsprofilspezifische Betrachtung stellt die Grundlage für die laufende Führung einer Apotheke dar. Darüber hinaus ist sie im Falle einer Veräußerung die Grundvoraussetzung für eine gutachterliche Apothekenbewertung. Auch hier ist branchenspezifisches Fachwissen des Gut­achters unabdingbar, um einen realistischen Wert bzw. eine Wertbandbreite zu ermitteln. Die Wertermittlung dient dann als Grundlage für sich anschließende Kaufpreisverhandlungen.

Eine frühzeitige branchenspezi­fische Führung und Beratung kann sich im Kaufpreis niederschlagen, da bereits während der unternehmerischen Tätigkeit strategische, auf spezifischen Kennzahlen basierende Entscheidungen getroffen wurden, die sich werterhöhend auswirken können.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass es sich bei ver­sorgungsprofiltypischen Kennzahlen nicht um statische Kennzahlen handelt. Sie unterliegen einem ständigen Wandel und sind mindestens halbjährlich anzu­passen. Lag beispielsweise die Wareneinsatzquote einer Center­apotheke vor wenigen Jahren noch bei rund 68 Prozent, so liegt sie heute bei rund 72 Prozent. |

André Butterweck

André Butterweck, Dipl.-Ök., Dipl.-Arb.wiss., CVA, Leiter Betriebswirtschaft der RST Steuerberatungs­gesellschaft mbH, Essen/Dresden/Dessau/Zwickau, von der IHK Essen öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Apotheken

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