Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Von Vorboten, Götterboten und Dienstboten

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Obgleich Apotheken ein erstaun­liches Warensortiment vorhalten, kommt es nicht selten dazu, dass ein Produkt nicht vorrätig ist. Ständig veränderte Rabattver­träge, die Flut an Arzneimitteln, differenziertes Verschreibungsverhalten der Ärzte, die Heterogenität in Darreichungsformen und Packungsgrößen usw. tragen dazu bei. Die Apotheken sind aus Gründen der Kundenbindung rasch dazu übergegangen, einen Botendienst einzurichten, der die dann vom Pharmazeutischen Großhandel gelieferten Produkte in der Regel am selben Abend zum Kunden bringt. Bemerkenswerterweise wurde diese Leistung meist kostenlos angeboten, obgleich ein erheblicher Aufwand entsteht. Selbst wenn es sich beim Fahrer um einen Rentner oder Schüler/Studenten handeln sollte und dieser nur ein begrenztes Salär auf die Stunde erhält, und selbst wenn zudem das Einzugsgebiet der Kunden, an die geliefert wird, überschaubar bliebe, entstehen Fahrtkosten, die nicht nur den Sprit, sondern auch den Verschleiß des Fahrzeugs umfassen, das man zudem vorhalten muss. Berechnet man die Fahrt seriös und macht daraus eine Mischkalkulation, kommt man schnell auf durchschnittlich 5 Euro und mehr pro Botendienst. Die Apotheke hat damit noch keinen Gewinn realisiert, sondern nur die gesondert anfallenden Kosten weiter­berechnet.

Der Botendienst hat eine wechselvolle Geschichte hinter und ggf. vor sich – mal nur im Einzelfall, dann generell erlaubt und aktuell aufgrund der Corona-Pandemie besonders gut gelitten und nachgefragt. Das Virus hat sogar dazu geführt, dass Botendienste seitens der Kassen – zumindest bis Ende September – honoriert werden. Dass der Großhändler Noweda nun seine belieferten Apotheken bei der Bewältigung dieser Auf­gabe unterstützen will, zeigt auf, wohin die Reise gehen könnte. Die gemeinsame Infrastruktur aus Großhandel und Apotheke könnte – so die Überlegungen – den Arzneimittelversendern durch die Pandemie gewonnen geglaubtes Terrain wieder abspenstig machen. Nun kommt aber der Aufschrei des Entsetzens. Aus den Standesorganisationen werden vielfältige juristische Bedenken geäußert, man wundert sich seitens der Journalisten, dass das Angebot zu einem Zeitpunkt gemacht wird, zu dem Geld damit verdient werden kann (ja wann denn sonst!!), und schließlich wird befürchtet, dass sich ein dritter Weg – angesiedelt zwischen Offizin-Apotheken und Versandhandel – etablieren könnte.

Was ist eigentlich passiert? Ein Pharmagroßhändler genossenschaftlicher Natur, also einer, der sich im Eigentum von Apothekern und sonst niemand anderem befindet, macht zu einem Zeitpunkt, zu dem die Nachfrage nach Botendiensten in die Höhe schnellt und nicht jede Apotheke dieser Nachfrage vollumfänglich gerecht werden kann, weshalb Kunden in den Versandhandelskanal abzudriften drohen, ein entsprechendes An­gebot. Wünschenswert wäre es, wenn nun von allen Beteiligten positiv motiviert geprüft würde, wie eine derartige Idee wasserdicht bzw. rechtssicher gemacht werden kann. Es ist von einem wirtschaftlich arbeitenden Unternehmen auch nicht zu erwarten, dieses Angebot zu einem Zeitpunkt zu machen, zu dem gerade kein Geld damit zu verdienen ist. Wer den Botendienst als Chance für Apotheken erkennt, den Nutzen für Kunden wahrnimmt, die Alternative Versand nicht zwingend stärken möchte und anerkennt, dass ein genossenschaftlich organisierter Großhändler vermutlich zuvor seine von Apothekern durchdrungenen Gremien hinreichend konsultiert hat – wenn nicht, selbst schuld, begibt sich auf den Weg der konstruktiven Kritik, die darin mündet, dass Apotheken, die dies wünschen, Unterstützung bei der Bewältigung von Botendiensten erhalten. Im Übrigen kann jede Apotheke frei entscheiden, ob sie das Angebot wahrnimmt oder nicht, und dann entscheidet der Markt, ob der Großhändler mit diesem Angebot reüssiert. Der Hinweis, dass apothekenfremde, nicht dort angestellte Menschen die Arzneimittel ausfahren, ist doppelzüngig. Die Aufregung ist symptomatisch, die Reaktionen teilweise beklemmend, der Blick nicht nach vorne gerichtet. Den Großhändler ausschließlich als Logistiker zu sehen, tritt die ansonsten erbrachten Leistungen aller Großhändler mit Füßen. Eine gute Idee greift man auf und veredelt sie, man prüft sie kritisch und macht berechtigte Verbesserungsvorschläge. So riecht es danach, eine Idee, bevor sie ans Fliegen kommt, zu stutzen. Schade! |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de
 

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