Gesundheitspolitik

Systemimmanente Überwachungslücke

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages äußert sich zum EU-Arzneimittelversand

tmb | Beim Arzneimittelversand aus dem Ausland besteht eine „sys­tem­immanente Überwachungslücke“ – dies ist ein zentrales Ergebnis einer Aus­arbeitung des Wissenschaft­lichen Dienstes des Deutschen Bundestages zum „Arzneimittelversandhandel aus anderen EU-Mitgliedstaaten mit deutschen Endverbrauchern“.

Die praktisch entscheidenden Voraussetzungen für den Versand aus dem Ausland sind demnach, dass die ausländische Apotheke nach nationalem Recht versenden dürfe und dieses nationale Recht dem deut­schen Apothekenrecht bei den Vorschriften zum Versand entspreche. Außerdem müsse der Versand „entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel“ erfolgen. Die Versender seien an das deutsche Arzneimittelrecht, das Heilmittelwerbegesetz und an das Apothekenrecht vollständig gebunden.

Zur Frage, in welchen Ländern die Regeln dem deutschen Recht entsprechen, komme es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht nur auf das geschriebene Recht, sondern auf die tatsächlich bestehenden Sicherheitsstandards an. Die Rechtsnatur der diesbezüglichen „Länderliste“ des Bundesgesundheitsministeriums sei umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht gehe davon aus, dass nur dann eine Einzelfallprüfung zu erfolgen habe, wenn „substantiiert Einwände (…) vorgetragen“ würden. Zur Rechts­lage in den Niederlanden verweist der Wissenschaftliche Dienst darauf, dass dort keine Apothekerkammern existieren und der Fremdbesitz erlaubt ist. Spezielle Regeln zum Versand seien dort in Form eines Beschlusses getroffen worden, der jedoch im Juli 2007 außer Kraft gesetzt worden sei. Lege man nur das geschriebene Recht zugrunde, würden die dor­tigen Vorschriften den deutschen Regelungen nicht entsprechen.

Außerdem heißt es in der Aus­arbeitung: „Eine Überwachung ausländischer Apotheken in Bezug auf die Einhaltung deutscher Vorschriften existiert de facto nicht.“ Der Überwachungsauftrag beziehe sich in jedem Land nur auf die Einhaltung des dortigen Rechts und die Überwachung erfolge nur im eigenen Land. Daher könne „de facto nicht beantwortet“ werden, ob der Versand entsprechend den deutschen Vorschriften erfolge. Die Autoren folgern: „Diesbezüglich besteht eine systemimmanente Überwachungslücke.“ Es sei nicht davon auszugehen, dass sich ausländische Apotheken behördlichen Kontrollen aktiv „entziehen“. „Vielmehr scheitert die Kontrolle an fehlenden länderübergreifenden Kontrollmechanismen“, folgert der Wissenschaftliche Dienst.

Pilsinger regt Debatte an

Der Münchner CSU-Bundestags­abgeordnete Stephan Pilsinger, der den Auftrag zur Ausarbeitung gab, hat daraufhin Konsequenzen angeregt und seinen Fraktionskollegen Anregungen zur Diskussion gegeben, die auch der AZ vorliegen. Er verweist auf den Koalitionsvertrag, nach dem die „Arzneimittelsicherheit durch weitere Maßnahmen von der Produktion über den Transport bis zum Endverbraucher“ zu gewährleisten sei. Daher sollten Ergänzungen im Gesetzgebungsverfahren für das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) vorgenommen werden. Pilsinger regt an, insbesondere die Regeln zur Temperaturkontrolle nochmals genau zu betrachten und beim Versand die Auslieferung von Arzneimitteln durch Fachpersonal vorzusehen. Auf Anfrage der AZ erklärte das Büro des Abgeordneten, Pilsinger schlage damit keine konkrete neue Formulierung der Regeln vor. Es gehe ihm darum, eine Diskussion anzuregen und bei der Debatte um das VOASG die Bedeutung der „gleich langen Spieße“ zu betonen. |

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