Wirtschaft

Mehr Digitalisierung wagen

PKV-Verband initiiert Fonds – Spahn wünscht sich weniger Misstrauen

BERLIN (ks) | Der PKV-Verband will junge Unternehmer fördern, die digitale Gesundheitsinnovationen auf den Markt bringen wollen. Dazu hat er einen neuen Venture-Capital-Fonds ins Leben gerufen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn freut sich über die Tatkraft aus dem PKV-Bereich.

Spahn ist bekanntlich ein Freund der Digitalisierung. Und mehr als 15 Jahre nachdem die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gesetzlich verankert wurde, findet er, man sollte nun den Mut haben, die Dinge zu starten – auch wenn dabei klar ist, dass nicht alles von Anfang an perfekt läuft. Zum 1. Januar 2021 soll etwa die elektronische Patientenakte (ePA) kommen, die Spahn schon als „Berliner Flughafen des Gesundheitswesens“ bezeichnet hat. Doch der Minister bleibt zuversichtlich, dass der Start im neuen Jahr gelingen wird. Bei einer Veranstaltung des PKV-Verbandes unter dem Titel „Digital Health made in Germany“ appellierte er, die Digitalisierung nicht als Bedrohung oder „etwas, mit dem man sich auch noch mühsam auseinandersetzen muss“, zu empfinden. Sie sollte etwas sein, „auf das man Lust hat, weil es einen Mehrwert hat“.

Fonds: Schon 80 Millionen Euro mobilisiert

Anlass des Termins gab der Start des neuen Venture-Capital-Fonds für digitale Gesundheitsinnova­tionen. Vom PKV-Verband initiiert, beteiligt sich „heal capital“ mit Wachstumskapital an junge Unternehmen, die digitale Innovationen für die Gesundheitsversorgung entwickeln. Wie der PKV-Verband mitteilte, sei es den beteiligten PKV-Unternehmen innerhalb weniger Wochen gelungen, schon über 80 Millionen Euro für den Fonds zu mobilisieren. Das Zielvolumen liegt bei 100 Millionen Euro. Die Start-ups sollen nicht nur finanziell gefördert, sondern auch mit Know-how beim Zugang zum medizi­nischen Versorgungs­geschehen unterstützt werden.

Minister Spahn freut sich über dieses neue Wagniskapital. Bislang sei seitens der Kostenträger nur die Barmer in diesem Bereich engagiert. Spahn wünscht sich, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen nicht zuletzt in Bezug auf den Datenschutz etwas entspannter gesehen wird: Die Menschen hätten kein Problem damit, dass der US-Konzern Google alle ihre Bewegungsdaten sammle – aber wenn in Deutschland anonymisierte Abrechnungsdaten (keine Behandlungs- oder Patientendaten!) zum Vorteil für Patienten für die Gesundheitsforschung genutzt werden sollen, sei es gleich ein Skandal. „Wenn es ein Grundvertrauen in amerikanische Großkonzerne gibt, aber ein Grundmisstrauen in den eigenen Staat, dann ist das eine Inbalance, die uns jedenfalls auf Dauer nicht nach vorne bringt“, so Spahn.

Spahn sucht die Heraus­forderung durch Hacker

Der Minister hat auch keine Angst vor Angriffen, wenn es nun langsam ernst wird mit der ePA. Die Ende vergangenen Jahres vom Chaos Computer Club (CCC) auf­gespürten Sicherheitslücken beim Bestellverfahren der Heilberufsausweise hätten nicht die Telematikinfrastruktur betroffen, betonte er. Diese sei selbst nach Auffassung des CCC recht sicher. Aber Spahn scheut die Hacker nicht – vielmehr habe er den CCC aufgefordert, „uns in diesem Jahr so häufig wie möglich zu challengen“ – denn in diesem Jahr laufe noch alles ohne Patientendaten.

Wichtig ist für Spahn, dass nun keine Zeit mehr verloren geht. Wenn wir uns nicht selbst um die Entwicklung der digitalen Infrastruktur und von Anwendungen kümmern, könnte Deutschland am Ende auf das Ausland angewiesen sein – und das will der Minister vermeiden. Er sieht das „als eine Form der Selbstbehauptung Europas gegenüber dem Überwachungskapitalismus in den USA und Überwachungsstaat in China“. Das hie­sige Verständnis von Datensouveränität des eigenen Bürgers ist für Spahn eindeutig vorzuziehen.

Wo Deutschland strahlen kann

In der in diesem Jahr anstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft will Spahn das Thema „europäischer Gesundheitsdatenraum“ daher besonders fokussieren. Deutschland als „Vorbild“ für die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu sehen, fällt auch dem Minister nicht ganz leicht. Aber es gebe durchaus Bereiche, in denen man Vorreiter sei: Etwa bei Gesundheits-Apps, für die es hier nun nicht nur eine Nutzenbewertung gibt, sondern die auch erstattet werden – das gebe es sonst noch nirgendwo.

Ebenfalls zum PKV-Talk geladen war Katharina Jünger, Gründerin der Telemedizin-Plattform Teleclinic. Sie weiß selbst, wie mühsam es sein kann, für Projekte, die anfänglich nicht einmal erlaubt sind, Geld zu sammeln. Vier Jahre habe dies bei ihrem Unternehmen gedauert. Es galt dabei auch, die Politik von dem Nutzen ihres Vorhabens zu überzeugen. Denn wenn sie sehe, dass es „hilft“, bewege sich die Politik auch. Mittlerweile, nach Aufhebung des Fernbehandlungsverbots, könne Teleclinic, die unter anderem am E-Rezept-Projekt GERDA und an einem Projekt mit apotheken.de beteiligt ist, endlich als Unternehmen agieren. Und Geldgeber werden auch künftig nötig sein. Dabei ist Jünger nicht zuletzt die Neutralität wichtig. Einzelne private Versicherer habe man in der Vergangenheit daher stets als Förderer abgelehnt. Mit dem neuen Fonds sehe es aber anders aus. |

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