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Gesundheitspolitik
Neues Pandemiegesetz in Kraft getreten
Bundestag und Bundesrat beschließen Drittes Bevölkerungsschutzgesetz
Das Gesetz steht in der Folge der beiden im März und Mai 2020 beschlossenen Bevölkerungsschutzgesetze. In diesen hatte der Bund bereits umfangreiche Ermächtigungsgrundlagen für schnelles Handeln während einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ geschaffen. Doch die grundrechtseinschränkenden Maßnahmen, die die Länder anordneten, wurden in der letzten Zeit immer öfter von Gerichten für unzulässig befunden. Die Regelungen sicherer zu machen und zudem entsprechend der in der Pandemie neu gewonnenen Erkenntnisse weiterzuentwickeln, war daher Ziel der Großen Koalition.
Zuletzt wurde noch hart um letzte Änderungen im Infektionsschutzgesetz gerungen. Im Zentrum der Kritik stand eine neue Norm, die die Maßnahmen, die Bund und Länder in der gegenwärtigen Pandemie ergreifen können, konkretisiert. Ein neuer, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf sieben Absätze angewachsener § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG) zählt nun mögliche „notwendige“ Schutzmaßnahmen auf – 17 an der Zahl. Es sind die bereits bekannten Abstandsgebote, die Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen, Untersagungen oder Beschränkungen für bestimmte Veranstaltungen oder Einrichtungen. Abschließend ist die Aufzählung aber nicht. Sofern es um Eingriffe in besonders sensible Bereiche geht, etwa durch die Untersagung von Versammlungen, religiösen Zusammenkünften oder Besuchen in Alten- und Pflegeheimen, werden die Grenzen noch enger gezogen. Sie sind nur zulässig, wenn die wirksame Eindämmung von SARS-CoV-2-Infektionen trotz aller anderen getroffenen Schutzmaßnahmen „erheblich gefährdet“ wäre. Den Weg ins Gesetz fanden auch die Schwellenwerte bei den Neuinfektionen: Demnach können betroffene Regionen insbesondere bei mehr als 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen umfassende Schutzmaßnahmen ergreifen, „die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen“. Weiterhin sieht der neue Paragraf vor, dass Rechtsverordnungen der Länder zu begründen und zeitlich zu befristen sind. Die Geltungsdauer beträgt grundsätzlich vier Wochen, kann aber verlängert werden.
Schutz der Gesundheit hat Priorität
Spahn (CDU) warb im Bundestag angesichts der „Jahrhundert-Pandemie“ um weiteres Vertrauen in das Krisenmanagement. Egal ob man in der gegenwärtigen Lage etwas tue oder nichts tue, es entstehe immer ein Schaden – ein wirtschaftlicher, sozialer oder gesundheitlicher. Der Bundestag müsse gewichten und Entscheidungen treffen – und er habe sich entschieden, dem Schutz der Gesundheit ein relativ höheres Gewicht zu geben. Steigende Infektionszahlen, so der CDU-Politiker, führten früher oder später zu steigendem Leid auf den Intensivstationen und zu einem Kontrollverlust. SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas wies Befürchtungen zurück, dass mit der Reform Befugnisse für Bundes- und Landesregierungen ausgeweitet würden. „Genau das Gegenteil ist der Fall“, sagte sie.
Das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz enthält aber auch weitere Regelungen als den neuen und besonders umstrittenen § 28a IfG. So gibt es nun erstmals eine Definition im Infektionsschutzgesetz, was überhaupt unter einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite zu verstehen ist.
Masken, Impfungen, Schnelltests
Zudem sollen Versicherte grundsätzlich einen Anspruch auf die Schutzmasken erhalten, wenn sie zu einer Risikogruppe mit einem signifikant erhöhten Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 gehören. Einzelheiten zur konkreten Ausgestaltung des Anspruchs, zur Art der Schutzmasken, zur Anzahl der vom Anspruch umfassten Schutzmasken sowie zu Vertrieb und Abgabe der Schutzmasken – zum Beispiel in Apotheken – regelt das Bundesgesundheitsministerium in einer gesonderten Rechtsverordnung (siehe auch DAZ 2020, Nr. 47, S. 16).
Weiterhin gibt es – abermals nach Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung – einen Anspruch auf Schutzimpfungen gegen SARS-CoV-2 und Testungen, und zwar für Versicherte ebenso wie für Nichtversicherte. Die privaten Krankenversicherungen werden anteilig in Höhe von 7 Prozent an den Kosten beteiligt, soweit diese nicht von Bund oder Ländern getragen werden.
Überdies wird der derzeit (in § 24 IfSG) für die Feststellung bestimmter Infektionskrankheiten geltende Arztvorbehalt modifiziert. Patientennahe Schnelltests auf das Coronavirus SARS-CoV-2 sollen breiter eingesetzt werden können. Auch die Medizinprodukte-Abgabeverordnung wird angepasst. Dort ist derzeit bestimmt, dass In-vitro-Diagnostika ausschließlich an bestimmte Adressaten abgegeben werden dürfen – etwa Ärzte, Apotheken und Einrichtungen im Gesundheitswesen. Zunächst wollte man hier nur Pflegeeinrichtungen ergänzen. Nun sind auch noch Einrichtungen der Eingliederungs- und Behindertenhilfe hinzugekommen. Beide Änderungen zielen darauf ab, dass das Personal von Alten- und Pflegeheimen sowie der anderen genannten Einrichtungen die Schnelltests durchführen können. Auch diese Regelung ist auf Zeiten einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite begrenzt. Für Apotheken ist damit klargestellt: Sie dürfen die Tests an Heime und andere Einrichtungen abgeben – allerdings weiterhin nicht an Endverbraucher.
Weiterhin werden wieder Hilfen für Krankenhäuser und stationäre Reha- und Vorsorgeeinrichtungen eingeführt. Kliniken, die Operationen aussetzen, um Kapazitäten für die Behandlung von COVID-19-Patienten zu schaffen, erhalten Ausgleichszahlungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. Weitere Regelungen betreffen die Einreise aus Risikogebieten und die Weiterentwicklung von Surveillance-Instrumenten beim Robert Koch-Institut. Zudem werden Entschädigungsregelungen für Eltern bis März 2021 fortgeführt und der Anspruch auf Verdienstausfall neu geregelt. |
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