Wirtschaft

Umsatzsteuer auf Herstellerabschlag: Etwa 120 Klagen in Hessen

Krankenkassen wollen Verjährung von Ansprüchen verhindern / Große Unterschiede zwischen Krankenkassen

tmb | Bei der Vorgehensweise im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer auf den Herstellerabschlag unterscheiden sich die Krankenkassen immer stärker. In Hessen waren dazu bis zum 5. Februar etwa 120 Klagen gegen Apo­theken bekannt. Im Saarland, in Hamburg und in Sachsen-Anhalt berichten die Apotheker­verbände von Einzelfällen.

Es geht dabei um die Einschätzung von Krankenkassen, Umsatzsteuer auf den gesetzlichen Hersteller­abschlag entrichtet zu haben, obwohl sie dazu nicht verpflichtet waren. Der steuerliche Sachverhalt wird kontrovers diskutiert. Die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover hatte bereits im Dezember erläutert, die Umsatzsteuer werde bei dem auf Bundesebene vereinbarten Verfahren so verbucht, dass die Krankenkassen damit gar nicht belastet würden. Dann gäbe es keine Ansprüche auf Rückzahlung.

Unterschiede bei Verzichtserklärungen und Klagen

Es ist nicht bekannt, wie viele Krankenkassen dennoch Ansprüche vermuten und versuchen, diese in steuerrechtlichen Verfahren vor den Finanzgerichten geltend zu machen. Doch nur einige Krankenkassen hatten vor dem Jahreswechsel Apotheken aufgefordert, auf die Einrede der Verjährung zur Umsatzsteuer für das Jahr 2015 zu verzichten. Damit wollen diese Krankenkassen verhindern, dass bis zu einem für sie positiven finanzgerichtlichen Urteil die Ansprüche für 2015 verjähren.

Waren es zum Jahreswechsel nur einzelne Krankenkassen, die von Apotheken Verzichtserklärungen gefordert hatten, zeichnen sich nun auch zwischen diesen Krankenkassen unterschiedliche Vorgehensweisen ab. Einige Krankenkassen hatten angedroht, die Apotheken vor dem Jahreswechsel zu verklagen, wenn diese keine Verzichtserklärung abgeben. Auch damit sollte die Verjährung verhindert werden. Doch bei diesen Klagen ergeben sich große regionale Unterschiede.

Klagewelle in Hessen

In Hessen rollt mittlerweile eine Klagewelle. Der Hessische Apothekerverband erklärte gegenüber der AZ, dass dort bis zum 5. Februar etwa 120 Klagen bekannt waren. Die Zahl nehme zu, weil das Sozialgericht Frankfurt derzeit die Klagen an die Apotheken versende. Der Hessische Apothekerverband habe einen Anwalt organisiert, der den Mitgliedern ausführliche Empfehlungen gebe und auch individuelle Mandate übernehmen könne. In Hessen hatte insbesondere die AOK Hessen Verzichtserklärungen von Apotheken gefordert.

Einzelne Klagen in mehreren Bundesländern

Dagegen hatte bereits kurz vor dem Jahreswechsel die AOK Nieder­sachsen gegenüber DAZ.online angekündigt, sie werde „nur in sehr wenigen, ausgewählten Fällen Klage einreichen“, weil sie „eine erfreulich hohe Quote an Rückläufen von Verzichtserklärungen verzeichnet“ habe. Der Apothekerverband Rheinland-Pfalz meldete in einem Rundschreiben vom 13. Januar „erste Klagen einiger Krankenkassen“ und erwähnte die AOK Hessen und die IKK Südwest. Der Saarländische Apothekerverein berichtete in einem Rundschreiben vom 3. Februar über Klagen der IKK Südwest gegen zwei Apotheken. Aus Hamburg ist eine Apotheke bekannt, die von der AOK Rheinland/Hamburg verklagt wurde. Beobachter ver­muten, dass für diese vereinzelten Klagen gezielt Apotheken ausgewählt wurden, die besonders hohe Umsätze mit der jeweiligen Krankenkasse getätigt hatten.

Der Apothekerverband Sachsen-Anhalt erklärte auf Anfrage der AZ, dort sei bekannt, dass die AOK Sachsen-Anhalt einzelne Apotheken verklagt habe. Von einer Klagewelle könne dort aber keine Rede sein, heißt es beim Apothekerverband Sachsen-Anhalt. In Sachsen-Anhalt hatte auch die IKK Gesundplus Einredeverzichtserklärungen von Apotheken gefordert, aber bis zum 5. Februar war beim Apothekerverband nichts über Klagen dieser Krankenkasse bekannt. Nach Einschätzung des Verbandes hätten die meisten Apotheken dort wohl eine Einredeverzichtserklärung abgegeben, zumal der Verband dies empfohlen habe. Bei ihren Klagen habe die AOK Sachsen-Anhalt von sich aus das Ruhen der Klage be­antragt. Dies ist auch von der AOK Hessen bekannt. Denn für die Krankenkassen steht die Klärung der zugrunde liegenden steuerlichen Frage im finanzgerichtlichen Verfah­ren im Mittelpunkt. Davon ist das sozialrechtliche Verfahren gegen die Apotheken zu unterscheiden.

Wiederholung vor jedem Jahreswechsel?

Die Klärung des steuerlichen Sachverhalts dürfte bis zur letzten In­stanz Jahre dauern. Bis dahin droht möglicherweise vor jedem Jahresende, dass einzelne Krankenkassen die Apotheken zu entsprechenden Verzichtserklärungen auffordern und mit Klagen drohen. Denn zu jedem Jahresende können wieder Ansprüche verjähren. Das Thema kann daher langfristig weiterhin alle Apotheken betreffen, auch in Bundesländern, die bisher kaum oder gar nicht davon berührt waren. |

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