Gesundheitspolitik

Kommentar: Hoffentlich nur ein Warnschuss

Christine Ahlheim

Schon seit längerer Zeit wird kritisiert, wie sehr wir bei der Wirkstoffproduktion von Ländern wie China abhängig sind. Eigentlich müsste man, so ist immer wieder zu hören, zumindest die Herstellung von lebenswichtigen Medikamenten nach Deutschland oder in die EU zurückholen. Im Auftrag von Pro Generika wurde im Jahr 2018 von der Unternehmensberatung Roland Berger sogar eine Machbarkeitsstudie erstellt, die verschiedene Wege für eine Heimholung der Produktion aufzeigte. Allein: Passiert ist bislang nichts.

Nun ist mit dem Auftreten der durch das Coronavirus ausgelösten Erkrankung Covid-19 in China die Produktion von Wirkstoffen teilweise zum Erliegen gekommen. Niemand kann derzeit genau abschätzen, wie lange der Produktionsstillstand anhalten und wie sehr er sich auf die Arzneimittelversorgung in Europa auswirken wird. Kommt es zur Katastrophe, da lebenswichtige Antibiotika nicht mehr verfügbar sind? Oder kommen wir noch einmal glimpflich davon?

Eins ist jedenfalls klar: Bleibt es, was sehr zu hoffen ist, bei einem Warnschuss, so sollten die verantwortlichen Politiker die Ohren davor nicht verschließen. Denn obwohl das Thema Lieferengpässe bereits im Sommer öffentlich Furore machte, beließ es Gesundheitsminister Spahn bei der Ankündigung, die Rückholung der Wirkstoffproduktion im zweiten Halbjahr 2020 im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in Angriff zu nehmen. Werbewirksam die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorantreiben, aber lebenswich­tige Themen auf die lange Bank schieben – damit wird Spahn beim Kampf um die Kanzlerschaft kaum punkten können.

Christine Ahlheim, Chefredakteurin der AZ

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.