Gesundheitspolitik

BGH: Rezensionen sind keine Werbung

Amazon-Händler haftet nicht für Kundenbewertungen seiner Produkte

eda | Ein Wettbewerbsverein hatte einen Händler verklagt, der bei Amazon Kinesiologie-Tapes anbietet. Kunden hatten sich in Rezensionen über die schmerzlindernde Wirkung der Pflaster ausgetauscht. Der Wettbewerbsverein hielt dies für unlauter und sah darin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz. Doch der Bundesgerichtshof ­urteilte, dass Händler keine ­Haftung für die Bewertungen ihrer Produkte durch Kunden übernehmen müssen. (Urteil des ­Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2020, Az.: I ZR 193/189)

Dass sich Patienten online über Gesundheitsthemen informieren und in Foren über Erfahrungen austauschen, gehört mittlerweile zur Lebenswirklichkeit wie der Besuch beim Arzt oder in der ­Apotheke. Rechtlich kompliziert wird es allerdings, wenn in solchen Beiträgen konkrete Bezüge zu Arzneimitteln, Medizinprodukten und anderen Therapieoptionen hergestellt werden.

Im Fall, der Mitte letzter Woche zu einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) führte, ging es um ­einen Händler, der Kinesiologie-Tapes auf Amazon angeboten hatte. Unter diesem Angebot waren Kundenrezensionen abrufbar, die unter anderem die Hinweise „schmerzlinderndes Tape!“, „This product is perfect for pain …“, „Schnell lässt der Schmerz nach“, „Linderung der Schmerzen ist spürbar“, „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“ und „Schmerzen lindern“ enthielten.

Einem Wettbewerbsverein war das ein Dorn im Auge. Er sah darin einen Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht, speziell das Heilmittelwerberecht, vor allem deshalb, weil es keinen medizinisch gesicherten Nachweis gebe, dass die angebotenen Kinesiologie-Tapes tatsächlich für eine Schmerzbehandlung geeignet seien. Im Rechtsstreit landete man zunächst vor dem Landgericht Essen. Das Gericht wies die Klage des Wettbewerbsvereins ab, weil es keinen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und das Heilmittelwerbegesetz (HWG) sah. Zwar seien die in den Kundenrezensionen enthaltenen gesundheitsbezogenen Angaben irreführend. Sie stellten aber keine Werbung dar. Zumindest wäre eine solche Werbung dem beklagten Händler nicht zuzurechnen. Ein Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm blieb für den klagenden Verband ebenfalls erfolglos.

Nun trafen sich der Wettbewerbsverein und der Amazon-Händler vor dem BGH und dieser urteilte heute abermals im Sinne des Beklagten. Die Revision wurde zurückgewiesen. In einer Pressemitteilung lassen die Karlsruher Richter wissen, dass der Händler für Kundenbewertungen der von ihm bei Amazon angebotenen Produkte keine wettbewerbsrechtliche Haftung übernehmen muss. Die Kundenbewertungen seien zwar irreführende Äußerungen Dritter, weil die behauptete Schmerzlinderung nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hätte mit den Kundenbewertungen aber nicht geworben – weder selbst aktiv noch diese veranlasst. Die Kundenbewertungen seien vielmehr als solche gekennzeichnet, fänden sich bei Amazon getrennt vom Angebot des Händlers und würden von den Nutzern nicht dem Verkäufer zugerechnet. Darüber hinaus seien Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen ­gesellschaftlich erwünscht. Das Verbraucherinteresse, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden ge­hören, zu informieren oder auszutauschen, wird nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auf Grundlage der Meinungs- und Informationsfreiheit des Grundgesetzes geschützt. Von einer Gesundheits­gefährdung durch die Rezensionen gehen die Richter im Fall der Kinesiologie-Tapes nicht aus. |

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