Aus der Hochschule

Mit „smarten“ Tabletten gegen Corona?

IBINA-Forschungspreis für die pharmazeutische Technologin Prof. Dr. Cornelia Keck, Marburg

Der Forschungspreis der hessischen Initiative Biotechnologie & Nanotechnologie e. V. (IBINA), der für herausragende wissenschaftliche Arbeiten/Entwicklungen mit hohem Anwendungspotenzial vergeben wird, wurde am 10. März 2020 in Kooperation mit der Stadt Marburg an die Pharmazeutin Prof. Dr. Cornelia M. Keck, Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Universität Marburg, für ihre Entwicklung der Papiertabletten (smartTablets) verliehen. Die Papiertabletten ermöglichen es, kosteneffizient und nachhaltig schwer lösliche Wirkstoffe besser bioverfügbar zu machen. Anwendungsbeispiel ist Silvestrol, ein in Marburg in der Entwicklung befindlicher potenzieller Wirkstoff gegen Coronaviren.

Die Verleihung des Forschungspreises der hessischen Initiative Biotechnologie & Nanotechnologie e. V. (IBINA) fand im historischen Saal des Rathauses von Marburg statt, Bürgermeister Spieß überreichte zusammen mit Prof. Dr. Gert Bange und Dr. Lutz Bonacker von der IBINA den Preis, der mit 5000 Euro dotiert ist. Spieß würdigte dabei die „Einfachheit dieser Idee“, die ihn faszinierte. Arzneistoffe können nur resorbiert werden und wirken, wenn sie gelöst sind. Daher arbeitet die Pharmazie mit diversen Konzepten seit Jahrzehnten an der Verbesserung der Löslichkeit von schwer löslichen Problemwirkstoffen, teilweise mit sehr komplexen Technologien. Ein Ansatz ist die Überführung in den amorphen Zustand.

Foto: Thomas Steinforth, Stadt Marburg

Überreichung des IBINA-Forschungspreises im Rathaus Marburg(von links): Prof. Dr. Gert Bange (IBINA), Oberbürgermeister Dr. Thomas Spieß, Prof. Dr. Cornelia Keck und Dr. Lutz Bonacker (IBINA).

In Papier verpackt

Amorphe Substanzen haben eine vielfach höhere Löslichkeit als kristalline Substanzen. Das Problem ist allerdings, dass der amorphe Zustand instabil ist und zu Rekristallisation neigt. Das Problem wurde gelöst und eine Langzeitstabilisierung erreicht, indem die amorphen Wirkstoffe in die feinen Poren von Papier eingeschlossen wurden. Papier wird mit organischer Wirkstofflösung getränkt, das Lösungsmittel evaporiert und der Wirkstoff präzipitiert amorph in den Poren. Das Papier wird dann geschreddert und zu Tabletten verpresst.

Zum Patent angemeldet

Reine Cellulose ist ein seit Jahrzehnten genutzter Hilfsstoff in der Tablettierung, sodass Wirkstoff-beladenes poröses Papier exzellent verpressbar ist. Alternativ zu Tabletten kann das Papier auch direkt als Film (smartFilms) eingesetzt werden, z. B. auf der Haut zur Resorptionsförderung von Kosmetika (Masken) oder Pharmaka (Pflaster). Die Entwicklung fand in Kooperation mit den Berliner Firmen PharmaSol GmbH und Hofmann & Sommer GmbH & Co. KG statt und ist durch Patentanmeldung geschützt.

Schwer lösliches Silvestrol wird bioverfügbar

Der Marburger Biochemiker Prof. Dr. Arnold Grünweller vom Institut für Pharmazeutische Chemie und Kollegen untersuchen den aus der malaysischen Pflanze Aglaia foveolata stammenden Wirkstoff Silvestrol, der auch Wirksamkeit gegen verschiedene Coronaviren zeigt. Silvestrol ist jedoch sehr schwer in Wasser löslich. Die Papiertabletten könnten Silvestrol potenziell ausreichend oral bioverfügbar machen. Die „technologische Seite“ wäre damit möglicherweise gelöst, Problem ist jedoch, ausreichende Mengen dieser interessanten Substanz für die Herstellung eines Arzneimittels zu bekommen.

Zur Preisträgerin

Prof. Dr. Cornelia Keck studierte Pharmazie an der Freien Universität Berlin, wurde dort 2006 in Pharmazeu­tischer Technologie promoviert und habilitierte im November 2011. Bereits seit August 2011 war sie Professorin an der Universität Kaiserslautern und baute dort den deutschlandweit ersten Studiengang „Angewandte Pharmazie“ auf (Ausbildung für Industriepharmazeuten). Seit März 2016 hat sie eine Professur in der Pharmazie der Philips-Universität Marburg inne, Hauptarbeitsgebiet ist die pharmazeutische Nanotechnologie. Sie verbindet akademische Grundlagenforschung mit anwendungsorientierten Entwicklungen. Schwerpunkte sind dermale Applikation (Arzneimittel, aber auch Kosmetika), orale Problemwirkstoffe sowie Nutraceuticals. Neben den Papiertabletten arbeitet sie mit Lipid­nanopartikeln (SLN, NLC), Nano­kristallen (smartCrystals) und porösen Silikapartikeln zur Stabilisierung amorpher Wirkstoffe (Homepage: www.keck-marburg.de). |

Prof. Dr. Udo Bakowsky, Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie, Philipps Universität Marburg

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