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Bereit für den Exit?

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Die Osterfeiertage waren für viele Menschen offenbar eine Art selbst auferlegte Deadline. In Sachen Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote vor dem Hintergrund der ­Corona-Pandemie hat sich seitdem ein merklicher Wandel vollzogen:

Die Straßen sind zu Pendlerzeiten wieder voller, die öffentlichen Verkehrsmittel werden von mehr Menschen genutzt, und am Wochenende kommt allmählich wieder Leben in die Parks und Fußgängerzonen un­serer Städte. Nicht das Virus hat Deutschland im Griff, sondern die Deutschen haben begriffen, wie sie die Situation am besten meistern – ohne an die dramatischen Bilder aus Intensivstationen und Pflegeheimen aus aller Welt denken zu müssen.

Mit dem schönen Wetter sind auch die schönen Zahlen gekommen: Die effektive Reproduktionszahl ist deutlich unter den Wert 1 gefallen. Ein Infizierter steckt demnach im Durchschnitt weniger als einen weiteren Menschen an. Die Verdopplungszeit hat sich von zwei Tagen zu Beginn der Corona-Pandemie hierzulande ­nahezu verzehnfacht. Das neu geschaffene DIVI-Register (S. 30) vermeldet freie Intensivkapazitäten im fünf­stelligen Bereich. Durch die ­bundesweite Aufstockung kommen auf 100.000 Einwohner nun etwa 34 Betten. In Italien und Spanien sind es weniger als zehn. Den mehr als 4500 ­Todesfällen durch COVID-19 stehen rund 100.000 Patienten gegenüber, die als genesen gelten. Außerdem steigt der prozentuale Anteil positiver Testergebnisse in Deutschland nur sehr langsam an. „Die Epidemie in Deutschland stagniert“, resümiert der Epidemiologe Prof. Markus Scholz im „Tagesspiegel“, und er ­erwartet noch niedrigere Raten ­po­sitiver Ergebnisse, wenn im Zuge von Lockerungen mehr getestet wird. ­Worauf also noch warten mit einem lang ersehnten „Corona-Exit“?

Nun, die „Spielverderber“ und „Spaßbremsen“ dieser Zeit sitzen in den Regierungs­bänken von Bund und Ländern. ­Bundeskanzlerin Angela Merkel nutzte in der vergangenen Woche eine Pressekonferenz, um den Zuschauern zu verdeutlichen, was eine Steigerung der Reproduktionszahl um 0,1 für katastrophale Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem haben kann. Während sich die Bevölkerung auf jeden einzelnen Schritt zurück in den normalen Alltag freut, befürchten Politiker und Wissenschaftler den dramatischen Rückfall bei nachlassender Disziplin. Freiwilligkeiten sollen daher zu Pflichten werden. Vorübergehende Einschränkungen könnten für Monate und sogar Jahre dauerhaft sein. Ein Impfstoff – wirksam, sicher und für alle verfügbar – soll der ­Silberstreif am Horizont sein, betont Bundesgesundheitsminister Jens Spahn immer und immer wieder.

Hoffnungen steckt man derweil auch in sogenannte „Corona-Apps“ (S. 24), die – installiert auf möglichst vielen Smartphones – Aufschluss über Infektionsketten geben und die Nutzer warnen sollen, wenn sie Kontakt mit Infizierten haben bzw. hatten. Doch es brodelt hinter den Kulissen. Man ist sich uneinig, ob die Daten zentral oder dezentral hinterlegt werden ­sollen und dürfen. Ein Live-Tracking von ­Infizierten wäre in Deutschland wegen der zu geringen Funkzellen­dichte gar nicht umsetzbar. Außerdem ist nach wie vor strittig, ob eine App allein und auf freiwilliger Basis das Infektionsgeschehen überhaupt nachhaltig eindämmen kann.

Die Debatte ist in vollem Gange und wer weiß: Vielleicht ist der Impfstoff schneller da als eine marktreife App.

Armin Edalat

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