Pandemie Spezial

Wertvolles Apothekensystem unterstützen

Ein Kommentar

Dr. Thomas Müller-Bohn, Apotheker und Dipl.-Kfm., Redakteur der DAZ

Der Staat stellt beispiellose Wirtschaftshilfen zur Verfügung, um die Folgen der Pandemie zu überwinden. Dazu gehören breit gestreute Zuschüsse und Kreditbürgschaften sowie gezielte Hilfen für einzelne Branchen. Letzteres betrifft sogar Zahnärzte, die derzeit nur noch in Notfällen gefragt sind. Apotheken stehen nicht auf der Empfängerliste spezieller Wirtschaftshilfen. Das ist konsequent, denn das Prinzip Apotheke funktioniert auch in der Corona-Krise. Die Apotheken brauchen jedoch Aufmerksamkeit und staatliches Handeln in anderer Hinsicht.

Sie brauchen zunächst Erleichterungen bei der Bürokratie. Erfreu­licherweise hat die Politik Teile des Rahmenvertrages für die GKV ausgesetzt. Erfreulich ist auch, dass jeder Botendienst der Apotheken mit 5 Euro honoriert wird. Es sollte selbstverständlich sein, dass die Apotheken für ihre unermüdlichen Leistungen fair bezahlt werden. Die nun häufigeren Botendienste lassen sich über die bisherige Mischkalkulation nicht finanzieren. Krankenkassen, die diese Honorierung kritisieren, sollten zudem den Vergleich mit anderen Branchen betrachten, die mit Zuschüssen aufrechterhalten werden. Wenn anderswo jetzt sogar das Nichtstun aus gutem Grund honoriert wird, sollte müh­same Arbeit doch wohl erst recht belohnt werden.

Einen Rettungsplan brauchen die Apotheken hingegen nicht. In Einzelfällen besteht Unterstützungsbedarf bei Quarantäne, in menschenleeren Flughäfen oder an anderen außergewöhnlichen Standorten. Dafür gibt es Hilfen, die sich an alle Unternehmen in solchen Ausnahme­situationen wenden. Bei den meisten Apotheken dürften sich die Umsätze dagegen eher zeitlich verschieben. Die Absatzdaten zeigen eine Achterbahnfahrt und es bleibt zu hoffen, dass die Arbeit in den Apotheken nach dem jüngsten Tief sehr bald wieder das normale Maß erreicht. Doch entscheidend für die Apotheken ist, dass die Grundidee ihrer Finanzierung auch Krisen aushält. Denn sie beruht darauf, dass Apotheken über die Arzneimittelpreisverordnung fair honoriert werden. Der Apothekenaufschlag muss so bemessen sein, dass die Apotheken damit ihren Betrieb insgesamt finanzieren können, um ihren unteilbaren Versorgungsauftrag zu erfüllen. Der Aufschlag darf nicht so ausgequetscht werden, dass er nur für eine Basisversorgung reicht. Er darf sich nicht am einfachsten Fall orientieren. Das wurde bei vielen Debatten um die Apothekenhonorierung von der Politik jahrelang übersehen. Die Apotheken müssen sich auf feste, auskömmliche Margen verlassen können. Umgekehrt kann sich die Gesellschaft jetzt darauf verlassen, dass die Apotheken ihren Auftrag zu den festgelegten Preisen erfüllen. Es wird in der Krise keine Mondpreise für Rx-Arzneimittel geben. Selbstverständlich hat die Arzneimittelpreisverordnung zwei Seiten. Sie schützt Apotheken vor ruinösem Wettbewerb und sie schützt die Patienten davor, in Krisen übervorteilt zu werden. Unabhängig davon müssen zusätz­liche Sonderleistungen wie die derzeit verstärkten Botendienste gesondert honoriert werden. Doch die Apotheken werden sich an der Krise nicht bereichern.

Dies garantiert die Arzneimittelpreisverordnung. Wenn eines Tages die normale politische Arbeit nach den Corona-Wirren wieder beginnen wird, müssen darum die Aufschläge endlich an die seit Jahren gestiegenen Kosten und Aufgaben angepasst werden. Außerdem muss die Politik in guten und in schweren Zeiten zu dieser Preisbindung stehen – ohne Einschränkungen und ohne Unterwanderung aus dem Ausland. Dieses Prinzip wurde durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2016 ausgehöhlt. Doch die Antwort darf nicht halbherzig und ausweichend sein. Eine Preisbindung „light“ nur für die GKV wirkt nicht überzeugend. Stattdessen sollte die Politik das krisenbewährte Prinzip der Preisbindung mit Entschlossenheit verteidigen. Nach jahrelangen Debatten erscheinen dafür nur das Rx-Versandverbot oder ein mit soliden Argumenten geführtes neues Verfahren vor dem Europä­ischen Gerichtshof geeignet. Die derzeitige Krise sollte den Politikern zeigen, dass das bestehende leistungsfähige Apothekensystem diese Mühe wert ist.

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