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Anreiz zum unvernünftigen Verzicht?

Warum der Bundesgerichtshof in einem rezeptgekoppelten DocMorris-Gewinnspiel eine Gefahr sieht

ks | Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss sich erneut mit dem niederländischen Versender DocMorris befassen. Diesmal geht es um ein an eine Rezepteinlösung gekoppeltes Gewinnspiel aus dem Jahr 2015. Als Hauptpreis winkte ein E-Bike im Wert von 2500 Euro, zudem waren hochwertige elektrische Zahnbürsten ausgelobt. Schon im Februar hatte der Bundesgerichtshof (BGH) den EuGH angerufen, um klären zu lassen, ob das Zu­wendungsverbot im deutschen Heil­mittelwerberecht – nach dem das Gewinnspiel nach Auffassung des BGH unzulässig wäre – mit euro­päischem Recht in Einklang steht. Jetzt liegt die schriftliche Begründung dieses Beschlusses vor.

Dem BGH schmeckt es offenbar nach wie vor nicht, dass der EuGH im Jahr 2016 die Geltung des deutschen Arzneimittelpreisrechts für EU-ausländische Arzneimittelversender für europarechtswidrig befunden hat. Schließlich hatten sich die Luxemburger Richter damit auch ausdrücklich gegen eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe gestellt, der die Sache ganz anders sah. Schon Ende 2016 hielt es der BGH für durchaus denkbar, dass der EuGH sich nochmals mit diesen Sachverhalten befassen muss. Nun verschafft er dem europäischen Gericht auf einer etwas anderen Ebene wieder Arbeit. Es geht diesmal nicht um Fragen des Arzneimittelpreisrechts, sondern um solche des Heilmittelwerberechts.

Der Gewinnspiel-Rechtsstreit, eingeleitet von der Apothekerkammer Nordrhein, fiel in erster Instanz noch zugunsten von DocMorris aus. Das Landgericht Frankfurt war der Auffassung, die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) müssten nach der EuGH-Entscheidung vom 19. Oktober 2016 ebenfalls europarechtskonform ausgelegt werden – und zwar dahin­gehend, dass sie hier nicht zur Anwendung kommen. Doch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt kassierte diese Entscheidung: Aus seiner Sicht stellt die Teilnahme an dem Gewinnspiel eine unzulässige Zugabe dar, die nicht mehr geringwertig sei. Es liege damit ein Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 HWG normierte Zuwendungsverbot vor. Die EuGH-Entscheidung hat aus Sicht des Berufungsgerichts schon wegen der unterschiedlichen Schutzzwecke von Heilmittelwerberecht und Arzneimittelpreisrecht keinen Einfluss auf die Wertungen des § 7 Abs. 1 HWG.

DocMorris legte Revision zum BGH ein. Dieser setzte am 22. Februar das Verfahren aus und rief den EuGH an. Er will wissen: Steht es mit den Bestimmungen des Humanarzneimittelkodex zur Arzneimittelwerbung in Einklang, wenn das deutsche heilmittelwerberechtliche Zugabeverbot dahin ausgelegt wird, dass die vorliegende Gewinnspiel-Werbung verboten ist?

BGH auf einer Linie mit der Vorinstanz

Nun liegen die Entscheidungsgründe dieses Beschlusses vor. Darin zeigt der BGH deutlich auf, dass er im vorliegenden Fall § 7 HWG anwenden möchte. Er kann das Urteil des Berufungs­gerichts gänzlich nachvollziehen. Für ihn ist klar: Wir haben es hier mit einer Werbung für Rx-Arzneimittel zu tun, die „ohne Weiteres produktbezogen“ ist – dies ist Voraussetzung, um das Heilmittelwerbegesetz überhaupt anwenden zu können. Der BGH geht auch mit der Einschätzung des OLG konform, dass es sich bei der eingeräumten Gewinnspielmöglichkeit um eine Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG handelt. Erfasst von diesem Begriff sei jede aus Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung. Allerdings: Eine Werbegabe im Sinne der Norm liege nur dann vor, wenn ihr Anbieten, Ankündigen oder Gewähren zumindest die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten begründet. Und das ist nun der kritische Punkt. Das OLG nahm diese abstrakte Gefahr an: Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Patient, der ein rezeptpflichtiges Arzneimittel benötigt, sich entscheidet, sein Rezept bei DocMorris einzulösen. Und zwar ohne zu erwägen, dass es seinen persönlichen Bedürfnissen mehr entsprechen würde, das Arzneimittel bei einer stationären Apotheke zu erwerben. Es könne nämlich für den Kunden bedeutsam sein, auch bei Einlösung eines Rezepts unaufgefordert beraten zu werden. Die vom Kunden zu treffende Entscheidung für eine stationäre Apotheke oder eine Versandapotheke sei daher für seine Gesundheit relevant, so das OLG. Und eben diese Entscheidung sieht es durch das Gewinnspiel unsachlich beeinflusst.

Aber ist dies auch durch die Zwecke des Gemeinschaftskodex gedeckt? Diese spezielle Frage ist bislang nicht in Luxemburg beantwortet worden. „Nach Ansicht des Senats spricht vieles dafür, dass eine Werbung mit vom Zufall abhängigen Gewinnchancen beim Absatz verschreibungspflichtiger Arzneimittel als unsachliche Beeinflussung der angesprochenen potenziellen Kunden der Beklagten anzusehen und aus diesem Grund die in Rede stehende Werbung zu untersagen ist“, heißt es in der Vorlage des BGH an den EuGH. Er ist überzeugt: Die Entscheidung des Patienten für den Bezug eines Rx-Arzneimittels bei einer in- oder ausländischen Versandapotheke statt bei einer stationären Apotheke, die eine objektiv benötigte Beratung leisten kann, sollte „auf sachlichen Gründen beruhen und nicht durch aleatorische Reize beeinflusst werden“. Wie dies der EuGH sieht, bleibt abzuwarten. |

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