Die Seite 3

Die gläserne Apotheke

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Kennen Sie noch „Pro AvO“? Fünf der größten Unternehmen im Apothekenmarkt schlossen sich im Dezember 2018 zusammen, um in einer gemeinsamen Initiative für die Apotheken vor Ort künftige Entwicklungen bei der Digitalisierung gemeinsam zu bestreiten. Der Wort & Bild Verlag, der Großhändler Gehe, die Noventi-Gruppe, der Automatenhersteller ­Rowa und die Apothekergenossenschaft Sanacorp bildeten mit ihrem Joint Venture „Pro AvO“ eine unmittelbare Konkurrenz zum „Zukunftspakt Apotheke“, den die Apothekergenossenschaft Noweda und der ­Burda-Verlag nur wenige Monate ­zuvor bekannt gegeben hatten.

Heute, rund eineinhalb Jahre später, sieht die Welt folgendermaßen aus: Der „Zukunftspakt“ ist mit rund 10.000 Apotheken, einer mehr als Zweimillionen-Auflage der Kundenzeitschrift „My Life“, TV-Spots und der Click-and-Collect-Plattform ia.de seit April 2019 aktiv und präsent.

„Pro AvO“ war dagegen bisher eher im Hintergrund tätig und hielt sich mit einem Roll-Out oder zumindest einer Bekannt­machung des Konzeptes und konkreter Produkte zurück. Das könnte sich in den nächsten Wochen ändern. Dem Vernehmen nach ist der Entwicklungsprozess nun abgeschlossen, und man darf gespannt sein, wie sich „Pro AvO“ die digitale Zukunft der Vor-Ort-Apotheken vorstellt. Wo die Reise hingeht, konnte man aus der Berichterstattung der letzten Monate schon herauslesen.

So haben sich die Macher hinter „Pro AvO“ von Anfang an intensiv mit der sogenannten Customer Journey auseinandergesetzt – also dem Konsumverhalten aus Sicht von (potenziellen) Online-Kunden, und nicht aus dem Blickwinkel der Anbieter. Im Vergleich mit der Plattform des „Zukunftspaktes“ geht es also um eine Steigerung der Benutzerfreundlichkeit und des Informationsangebotes.

Heißt konkret, dass zukünftig Preisvergleiche (im Bereich OTC und Freiwahl) sowie Verfügbarkeitsabfragen aller Apothekenprodukte (auch Rx) für Kunden möglich sein müssen. Ein Service, der vom „Zukunftspakt“ u. a. aus wettbewerbsrechtlichen Gründen bisher abgelehnt wurde und der von zahlreichen Apothekenin­habern ­sicher kritisch gesehen wird. Mit ­einem Klick sollen rund 19.000 ­Warenwirtschaften für Millionen von Menschen sicht- und durchsuchbar gemacht werden? Ein Horrorszenario für alle, die heute schon Bedenken bezüglich Datenschutz und Betriebsgeheimnissen haben.

Doch nicht vergessen sollte man, dass es zum Start der Click-and-­Collect-Plattform ia.de des „Zukunftspaktes“ vor mehr als einem Jahr auch kritische Stimmen gab: Zu umständlich sei die Bedienung für die Kunden, und das Apothekenpersonal hätte einen Mehraufwand bei der Umsetzung der Bestellungen in der Kassensoftware. Diese Stolpersteine werden sich die „Pro AvO“-Macher ­sicher ganz genau angeschaut und ihr Angebot daran angepasst haben. Statt Apotheken zu suchen, wird man – der Customer Journey folgend – den Benutzern anbieten, Produkte zu finden und Verfügbarkeiten und Preise zu vergleichen. Das muss nicht in ­einem Unterbietungswettbewerb ­zwischen den Vor-Ort-Apotheken ­untereinander und im Hinblick auf den Versandhandel enden, obwohl es eine neue Form der Sicht­barkeit, Wahrnehmung und Nutzererfahrung sicherlich geben wird. ­Spannend ist dabei: Mit Blick auf die Einführung des E-Rezeptes geht die Gematik ­einen ganz ähnlichen Weg (s. Seite 9).

Armin Edalat

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