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Interview mit Pharmazierat Christian Bauer über Apothekeninspektionen
DAZ: Herr Bauer, wie wird man Pharmazierat – zum Beispiel Sie?
Bauer: Ich kam dazu wie die Jungfrau zum Kinde. Wissen Sie, ich stamme nicht aus einer Apothekerfamilie. Diesen wunderschönen Beruf des Apothekers habe ich mir in meiner Bundeswehrzeit ausgesucht. Jahre später sagte der Pharmazierat bei einer Revision in meiner Apotheke zu mir, dass ich sein Nachfolger werde. Zunächst nahm ich das nicht ernst. Doch dann wurde es tatsächlich konkret – und ich sagte zu. Eine Bewerbung oder eine Ausschreibung für Pharmazieräte gibt es meines Wissens nicht. Häufig wird man vom Vorgänger bei der Regierung und/oder der Kammer vorgeschlagen.
DAZ: Welche Voraussetzungen muss man für dieses Ehrenamt erfüllen?
Bauer: Pharmazierat kann im Prinzip jeder praktisch tätige Apotheker werden, ob selbstständig oder angestellt. Gewisse Eigenschaften sind aber natürlich wichtig: ein tadelloses Verhalten, Interesse an der Situation der öffentlichen Apotheke und der Berufspolitik, die Bereitschaft, sich mit viel Engagement für ein Ehrenamt einzusetzen. Und am Ende sollte man auch menschlich in die Gruppe der Pharmazieräte des Bundeslandes passen, irgendwie sind wir wie eine Familie.
DAZ: Hand aufs Herz – wurden bei Ihnen auch schon Mängel festgestellt?
Bauer: Bisher nicht. Vermutlich, weil ich mir meiner Vorbildfunktion bewusst bin und weil ich bei Revisionen zudem ständig an meine eigene Apotheke erinnert werde. Falls ich im Tagesbetrieb etwas übersehen hätte, würde es mir spätestens dann auffallen.
DAZ: Hauptberufliche Amtsapotheker und ehrenamtliche Pharmazieräte – wer kommt in der Regel zur Inspektion in die Apotheke?
Bauer: Die deutschen Apotheken werden zum allergrößten Teil durch ehrenamtliche Pharmazieräte überwacht. In besonderen Fällen werden Revisionen gemeinsam mit einem hauptamtlichen Amtsapotheker durchgeführt, zum Beispiel bei der Abnahme eines Zytostatikalabors, oder wenn die Apotheke eine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG besitzt und diese nutzt.
DAZ: Wie ist der organisatorische Ablauf vor einer Inspektion?
Bauer: Die öffentlichen Apotheken werden in der Regel alle zwei bis drei Jahre einer Inspektion unterzogen. Dazu wird am Ende eines Jahres ein Jahresplan der vorgesehenen Apotheken für das kommende Jahr erstellt. Diese vorgesehenen Apotheken erhalten üblicherweise zu Jahresbeginn ein Ankündigungsschreiben, dass sie in diesem Jahr zur planmäßigen Revision vorgesehen sind. Eine genaue Terminierung findet nicht statt. Das ist in der Regel auch nicht möglich, da der Pharmazierat selbst als Apotheker tätig ist und von den Gegebenheiten in seiner Apotheke abhängig ist. Neben den planmäßigen Inspektionen gibt es auch unangemeldete Inspektionen, beispielsweise Personalkontrollen. Oder wenn es von anderen Stellen oder Personen Hinweise auf Mängel gibt. Ihnen wird zeitnah – bzw. bei Gefahr im Verzug sofort – nachgegangen.
DAZ: Und laufen routinemäßige Inspektionen überall gleich ab?
Bauer: Eine Inspektion soll in allen Apotheken gleichgeartet ablaufen, wobei jeder Pharmazierat natürlich Schwerpunkte setzt. Sie dauert in der Regel zwei bis drei Stunden und findet stichprobenartig statt. In ein paar Stunden kann schließlich nicht alles kontrolliert werden. Los geht es zumeist mit einer Besichtigung sämtlicher Apothekenräume, mit Prüfung zum Beispiel der Ausstattung, der Lagertemperatur, der Sauberkeit, Hygiene oder der vorhandenen Aufzeichnungen. Ein besonderes Augenmerk gilt der Rezeptur- und Defekturherstellung und der Prüfung der Ausgangsstoffe. Aber auch Beratung, QMS, Mitarbeitereinsatz, Lagerpflege und vieles mehr werden überprüft.
„Wir Pharmazieräte sehen uns als Berater der Apotheke und nicht als Sheriff.“
DAZ: Nutzen alle Inspekteure die gleichen Formulare für die Niederschrift?
Bauer: Da die Apothekenüberwachung der Länderhoheit unterliegt, sind die Niederschriftformulare nicht identisch, aber sehr ähnlich. Ziel der APD ist jedoch eine möglichst einheitliche Apothekenüberwachung mit einer möglichst einheitlichen Auslegung aller Vorschriften in allen Bundesländern. Schließlich gelten die Gesetze und Verordnungen bundesweit. Neben den jährlichen Tagungen der APD ist ein wichtiger Baustein für die Angleichung ein Tool der APD zur Apothekenüberwachung, das den APD-Mitgliedern im geschlossenen Bereich online zur Verfügung steht. Es enthält viele Tipps und Hinweise aus der Revisionspraxis zu allen Bereichen der Apothekenbetriebsordnung und der Apotheke.
DAZ: Welche Mängel werden bei Inspektionen festgestellt?
Bauer: Meistens werden kleinere Abweichungen festgestellt, die entweder sofort oder zeitnah abgestellt werden – beispielsweise eine nicht ausreichende Prüfung von Ausgangsstoffen, Fehler bei der Endkontrolle von Rezeptur-Arzneimitteln, fehlende gesetzlich vorgeschriebene Aushänge oder nicht aktualisierte Literatur oder auch eine nicht ausreichende Temperaturkontrolle. Schwerwiegende Mängel sind selten. Dazu zählen etwa die Abwesenheit eines Apothekers bzw. einer Apothekerin, verfallene Ausgangsstoffe und Arzneimittel, Unordnung, mangelnde Hygiene vor allem im Herstellungsbereich, Einsatz von nicht zugelassenem Personal für bestimmte Tätigkeiten, die Nichteinhaltung der Lagerbedingungen oder wenn keine Prüfung der Ausgangsstoffe stattfindet.
DAZ: Und wenn Mängel festgestellt wurden …
Bauer: … dann wird ein Abstellen mit einer festgelegten Frist vorgeschrieben. Der Nachweis des Abstellens erfolgt entweder durch eine schriftliche Bestätigung der Apotheke, durch den Nachweis einer Rechnung oder anderer Aufzeichnungen oder durch einen Kurzbesuch des Pharmazierats. Wird aufgrund der Schwere oder der Vielzahl von Mängeln eine nochmalige komplette Revision nach Abstellung der Mängel erforderlich, geschieht dies im Rahmen einer kostenpflichtigen Nachbesichtigung.
„Schließungen sind sehr selten und allermeist nur vorübergehend. Sie haben auch mit der neuen Apothekenbetriebsordnung 2012 oder in letzter Zeit nicht zugenommen.“
DAZ: Niemand wird gerne kontrolliert. Wie ist das Verhältnis zwischen geprüfter Apotheke und Pharmazierat?
Bauer: Das Verhältnis ist kollegial. Wir Pharmazieräte sehen uns als Berater der Apotheke und nicht als Sheriff. Wir weisen nicht nur auf Mängel hin, sondern machen auch Verbesserungsvorschläge. Das Ziel ist ein hohes Niveau aller Apotheken – für eine hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Die Überwachung ist somit gelebter Patienten- und Verbraucherschutz.
DAZ:Werden häufig Schließungen behördlich angeordnet? Hat die Anzahl nach dem Inkrafttreten der Apothekenbetriebsordnung 2012 oder in letzter Zeit zugenommen?
Bauer: Schließungen werden durchgeführt, wenn eine konkrete Gefahr für die Bevölkerung besteht, zum Beispiel bei zu hohen Lagertemperaturen mit der Gefahr, dass Arzneimittel in der Qualität gemindert sind. Oder bei fehlender apothekerlicher Aufsicht mit der Gefahr der Falschabgabe von Arzneimitteln – dann kommt ein Schild an die Tür: „Apotheke vorübergehend geschlossen!“ Schließungen sind allerdings sehr selten und allermeist nur vorübergehend. Sie haben auch mit der neuen Apothekenbetriebsordnung 2012 oder in letzter Zeit nicht zugenommen.
DAZ: Wird gegen die Entscheidungen der Kontrolleure häufig gerichtlich vorgegangen?
Bauer: Wenn Anordnungen gegen die Apotheke erlassen wurden oder ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet wurde, hat die Apothekenleitung das Recht, dagegen zu klagen. Dann nimmt das verwaltungsrechtliche Verfahren seinen Gang. Das ist allerdings sehr selten. Und in der Regel wird in diesen Verfahren die Entscheidung der Behörde bestätigt, weil ein begründeter und nachweisbarer Verstoß gegen die Vorschriften vorlag.
DAZ: Welchen Rat geben Sie den Apotheken im Zusammenhang mit Inspektion?
Bauer: Mein Rat lautet: Füllen Sie den Beruf als Heilberuf mit viel Pharmazie aus! Dann wird das Einhalten von Vorschriften zur Selbstverständlichkeit und Inspektionen sind kollegiales Miteinander und Austausch.
DAZ: Herr Bauer, danke für dieses Gespräch! |
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