Arzneimittel und Therapie

5 schlägt 2!

Ein Gastkommentar

Dr. med. Christian Fechtrup

In der vergleichenden Analyse von Vaduganathan et al. [8] machen sich die Autoren auf die Suche nach der optimalen, Evidenz-basierten medikamentösen Therapie bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter linksventrikulärer Funktion (HFrEF). Die Frage ist aus mehreren Gründen wichtig. Zum einen klafft zwischen einer leitlinien-optimierten Therapie und der Versorgungsrealität weiterhin eine bedauernswert große Lücke. Den Wert einer umfassenden Kombinationstherapie und die Darstellung des enormen Vorteils eines derartigen Vorgehens herauszustellen, kann dazu beitragen, diese Lücke zu verkleinern. Zum anderen ist mit neuen Studien zur Wirkstoffklasse der SGLT-2-Inhibitoren seit der Veröffentlichung der Leitlinien in 2016 neue Evidenz vorhanden, die Patienten mit HFrEF nicht vorenthalten werden darf.

Die Analyse vergleicht dabei nicht das Vorgehen gemäß der Leitlinie 2016 mit einer „ungeschriebenen“ Leitlinie 2020 (eine neue „offizielle“ Leitlinie der ESC wird für 2021 erwartet); es wird vielmehr der Nutzen einer reinen Basistherapie (aus ACE-Hemmer/Angiotensin-Rezeptorblocker und Betablocker) einer umfassenden Therapie unter gleichzeitigem Einsatz von fünf Substanzklassen (Angiotensin-Rezeptor­blocker, Betablocker, Sacubitril/Valsartan [ARNI], Mineralocorti­coidrezeptor-Antagonisten, SGLT-2-Inhibitoren) gegenübergestellt. Dabei empfiehlt bereits die Leitlinie aus 2016 ein abgestuftes Vorgehen unter Einsatz von bis zu vier Wirkstoffen dieser Substanzklassen. Der enorme Vorteil einer umfassenden Behandlungsstrategie gegenüber einer reinen „Basistherapie“ mit Beschränkung auf Betablocker und ACE-Hemmer wird dabei überzeugend dargestellt. Es wird nicht der Versuch gemacht, den jeweiligen Anteil der einzelnen Wirkstoffklassen am erzielten Gesamtgewinn zu gewichten. Auch wenn die Methode einer Kombination unterschiedlicher Studien, die sich selbst aus unterschiedlichen Kollektiven zusammensetzen und eine verschiedene Hintergrundtherapie aufweisen, zu einer biomathematischen Analyse kritisiert werden kann, bleiben wichtige Aussagen. Auch Metaanalysen sind aus methodischen Gründen mit Problemen behaftet, liefern aber wichtige Beiträge und tragen zur Evidenz bestimmter Therapieverfahren bei.

Ein solch umfassender Ansatz in der Herzinsuffizienz-Therapie steht häufig im Widerspruch zur Versorgungsrealität. Der vordergründige Wunsch vieler Patienten nach weniger Medikamenten greift bei der Herzinsuffizienz zu kurz. Es ist die vorrangige Aufgabe der betreuenden Heilberufler im stationären und ambulanten Bereich, beim Patienten dafür zu werben, dass eine Therapie mit maximalem Nutzen in der Regel eine Behandlung mit mehreren Substanzklassen und jeweils ausreichend hoher Dosierung bedeutet. Mit Blick auf einen Gewinn an Lebensqualität und Lebenszeit muss anstelle von „so wenig wie möglich“ bei HFrEF eher gelten „so viel wie nötig“! Vielfältige Hemmnisse stehen einem derartigen Vorgehen jedoch entgegen (Besorgnis der Patienten, eingeschränkte Adhärenz, Desinformation, Budget-Angst). Wichtig sind aber auch Kenntnisse und Erfahrungen mit Patienten, bei denen ein rein schematisches Vorgehen nicht möglich ist. Insbesondere stellt die Niereninsuffizienz ein wesentliches Problemfeld dar, denn die zu fordernde, adäquat dosierte Medikation wird bei fast allen Substanzklassen durch die Nierenfunktion limitiert.

Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (eGFR < 60 ml/min) sollte der SGLT-2-Inhibitor zur Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 nicht mehr neu angesetzt werden, wenn die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) dauerhaft unter 45 ml/min liegt, sollte er abgesetzt werden. Dies liegt vor allem daran, dass die SGLT-2-Hemmer bei einer eingeschränkten Nierenfunktion keine ausreichende blutzuckersenkende Wirksamkeit mehr aufweisen. In den USA ist Dapagliflozin zur Therapie der Herzinsuffizienz zugelassen. Hier ist der Einsatz bis zu einer eGFR von 30 ml/min × 1,73 m2 möglich, unter 30 ml/min × 1,73 m2 sind nicht genügend Daten vorhanden, um eine Empfehlung zu geben.

Ab einer Kreatinin-Clearance < 30 ml/min sind Spironolacton oder Eplerenon kontraindiziert. Die Dosierung von Valsartan/Sacubitril sollte ab einer eGFR < 60 ml/min × 1,73 m2 nur mit einer reduzierten Dosis begonnen werden und ist ab einer eGFR < 15 ml/min × 1,73 m2 nicht mehr indiziert. Daher ist sowohl bei der Motivation der Patienten zur adäquaten, umfassenden Therapie als auch bei der Therapiesteuerung ein Zusammenwirken von Ärzten und Pharmazeuten von besonderer Bedeutung.

Fazit: Der Vergleich von recht heterogenen Studien mit indirekten Methoden ist eher spekulativ und gilt möglicherweise nicht für reale Kohorten. Da eine additive Wirkung jedes Wirkstoffes angenommen wurde, könnte der Nutzen überschätzt worden sein. Auch mögliche Nebenwirkungen durch eine Therapie mit multiplen Substanzklassen wie Auswirkungen auf den Blutdruck (fast alle untersuchten Substanzklassen senken den Blutdruck) oder die Nierenfunktion, können durch diese Methode nicht erfasst werden. Trotzdem weist die Untersuchung darauf hin, dass ein großer Teil der Patienten nur eine konventionelle Versorgung erhält und von einer Therapie, die bis zu fünf verschiedene Angriffspunkte enthält (Angiotensin II, Aldosteron, Noradrenalin, Neoprilysin und SGLT-2), profitieren könnte. Kosten (ARNI und SGLT-2-Hemmer sind noch nicht generisch verfügbar), Komplexität des Therapie­regimes sowie Kontraindikationen müssen allerdings auch in die Entscheidung für solch eine Therapie mit einbezogen werden.

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