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Die Seite 3
Schaf im Wolfspelz
Das Telemedizin-Start-up TeleClinic hat sich zu einem strategisch wichtigen Tochterunternehmen der Zur Rose AG verwandelt. Von nun an wird TeleClinic gemeinsam mit DocMorris die Plattformpläne im deutschen Gesundheitswesen vorantreiben. Nach dem Motto „Alles aus einer Hand“ (und: „Alles in die eigene Tasche“) gilt es, sich die Marktherrschaft über die ärztlichen und apothekerlichen Leistungen zu sichern.
Natürlich gelingt das dem Zur Rose-Konzern nicht mit ein bisschen Videosprechstunde und Päckchenpacken. Angewiesen sind die Schweizer auf die Steigbügelhalter unter den Ärzten und vor allem uns Apothekern. Deshalb frisst der Wolf nun Kreide – weder ein DocMorris-CEO Olaf Heinrich noch ein Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli werden öffentlich um die Gunst der niedergelassenen Heilberufler buhlen. Dafür ist das Image dieser Herren zu ruiniert. Vorschicken wird man junge und unverbrauchte Gesichter – die 29-jährige Juristin und TeleClinic-Gründerin Katharina Jünger beispielsweise, die bis zuletzt Rede und Antwort stand, als es um das GERDA-Modellprojekt oder die Kooperation mit apotheken.de ging.
Das Landgericht Stuttgart hat die unmittelbare Beendigung der Zusammenarbeit mit TeleClinic durch apotheken.de in der vergangenen Woche übrigens für rechtmäßig erklärt: apotheken.de sei es nicht zumutbar, die E-Rezepte des Telemedizin-Start-Ups auch nach der Übernahme durch die DocMorris-Mutter an Apotheken übermitteln zu müssen. Dies würde den Interessen der Apotheken vor Ort „deutlich zuwider laufen“. Nun müssen sich Jünger und ihre Mitarbeiter also um jede einzelne Anbindung selbst bemühen, denn auf die persönliche sowie flächendeckende Versorgung durch Apotheken kann und will auch die Telemedizin nicht verzichten.
Einen Tag nach der Urteilsverkündung wird die neue Zur Rose-Tochter bemerkenswerterweise in der standeseigenen „Pharmazeutischen Zeitung“ hofiert und geadelt. In einem Sonder-Newsletter kündigt man ein Exklusiv-Interview mit Katharina Jünger an, in dem sie erklärt, „warum sich eine Kooperation mit der Zur Rose-Gruppe für Apotheker lohnen würde“. Man traut seinen Augen nicht. Ein versehentlicher Fehltritt oder bewusstes Statement? Ein Schlag ins Gesicht für den Berufsstand in jedem Fall! Die Leimrute der neuen DocMorris-Plattform-Strategie scheint ihren Weg in die Standespresse bereits gefunden zu haben.
Es ist aber auch verzwickt: Waren die ersten Gehversuche von TeleClinic im deutschen Gesundheitswesen noch eher behutsam und man den Leistungserbringern gegenüber taktvoll gestimmt, ist der Schritt in die Abhängigkeit von den Zur Rose-Aktionären ein deutlicher Bruch mit den immer wieder vorgetragenen Prinzipien. Die in der Wirtschaftspresse gefeierte Jungunternehmerin mag von ihren Bekenntnissen zu den Vor-Ort-Apotheken und den gleichen Wettbewerbsbedingungen selbst überzeugt sein – die Anbindung an das DocMorris-Konzernkonstrukt hat TeleClinic von heute auf morgen zu einem gefährlichen Player auf dem deutschen Gesundheitsmarkt gemacht: Das Schaf tritt zukünftig im Wolfspelz auf.
Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ
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