DAZ aktuell

Vergleich im Streit um Idebenon-Kapseln

Keine neue Verhandlung über „wesentliche Herstellungsschritte“

tmb | Die Beteiligten des Rechtsstreits um Idebenon-Kapseln aus der Apothekenrezeptur haben einen Vergleich geschlossen. Damit wird es keine Berufungsverhandlung über die Entscheidung des Land­gerichts Hamburg mehr geben, das 2017 in den Kapseln ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel gesehen hatte, das nicht unter das Rezepturprivileg falle.

In dem Verfahren geht es um einen Apotheker aus Hessen, der die Kapseln als Rezeptur in verschiedenen Dosierungen von 30 bis 300 mg hergestellt hatte. Die Santhera Pharmaceuticals, die seit 2015 über eine Zulassung für ein Idebenon-haltiges Fertigarzneimittel verfügt, hatte ihn daraufhin abgemahnt und verklagt. Das Fertigarzneimittel wird gegen die Lebersche Optikusneuropathie eingesetzt. Später folgte eine zweite Klage, die sich auf die Anwendung bei Duchenne-Muskeldystrophie bezog. Das Landgericht Hamburg entschied am 10. August 2017 in beiden Verfahren überwiegend gegen den beklagten Apotheker (siehe DAZ 2017, Nr. 39, S. 16). Das Gericht widersprach der Argumentation von Santhera nur zu den vermeintlichen Folgen des Orphan-Drug-Status. Doch das Gericht ging davon aus, dass der Apotheker keine Rezepturarzneimittel hergestellt habe, sondern Fertigarzneimittel, die einer Zulassung bedurft hätten. Damit stehe Santhera ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zu. Dabei berief sich das Gericht auf zwei Urteile des Bundesgerichtshofes (BGH) zu 13C-Harnstoff und Gemcitabin. Demnach vertrete der BGH die Auffassung, ein Rezepturarzneimittel liege nur vor, wenn in der Apotheke bei einer wertenden Gesamtbetrachtung wesentliche Arbeitsschritte erfolgen würden. Das Abfüllen von 13C-Harnstoff in Kapseln und sogar die Herstellung einer Injektionszubereitung durch Lösen des Zytostatikums Gemcitabin in Kochsalzlösung wertete der BGH nicht als Herstellungen von Rezepturen. Daraufhin sah das Landgericht Hamburg auch im „Portionieren“ von Idebenon keinen materiellen Herstellungsschritt. Die dosisgenaue Abmessung habe im Verhältnis zur Herstellung des Wirkstoffs nur eine untergeordnete Bedeutung. Der Wirkstoff könne auch einfach in Joghurt gemischt oder sublingual verabreicht werden, hieß es im damaligen Urteil. Die Entscheidung war auch ein Thema beim ApothekenRechtTag während der Interpharm 2018. Fachanwalt Dr. Valentin Saalfrank erklärte dort, er setze auf eine andere Entscheidung in zweiter Instanz (siehe DAZ 2018, Nr. 12, S. 77).

Kein Berufungsverfahren

Doch das Hanseatische Oberlandes­gericht wird sich nicht mehr mit dem Fall befassen, weil das Berufungsverfahren nun mit einem Vergleich beendet wurde. Nach Informationen aus Verhandlungskreisen hat der beklagte Apotheker die Berufung zurückgenommen und damit auf die Herstellung der betreffenden Rezeptur verzichtet. Zugleich hat die Klägerin auf Schadensersatz verzichtet. Auf Anfrage der DAZ erklärte der beklagte Apo­theker, er habe dem Vergleich wegen der „exorbitanten Streitwerte“ und der damit korrelierenden Höhe der Schadensersatzforderungen im Fall eines Obsiegens der Gegenpartei in diesem wettbewerbsrechtlichen Prozess zugestimmt. Dieses Risiko sei ihm zu hoch erschienen, nachdem das Oberlandesgericht zuvor mitgeteilt habe, es wolle dem Landgericht Hamburg in seiner Auffassung folgen, dass es für das ­zulassungsfreie Inverkehrbringen von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln erforderlich sei, dass der Schwerpunkt der Herstellungstätigkeit bei arbeitsteiligen Produktionsprozessen in der Apotheke liege. |

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