Arzneimittel und Therapie

Darmkrebs durch ACE-Hemmer und Sartane?

Neue Daten entlasten Blutdrucksenker und weisen auf protektive Effekte hin

Es wird vermutet, dass ACE-Hemmer und Sartane das Risiko verschiedener Krebsarten erhöhen, so auch das Darmkrebsrisiko. Eine Kohortenstudie entschärft nicht nur diesen Verdacht. Unter der Einnahme dieser Antihypertonika konnte das Kolonkarzinomrisiko sogar verringert werden.

Die Diskussion über ein möglicherweise erhöhtes Krebsrisiko unter der Einnahme von Sartanen und ACE-Hemmern ist nun fast 20 Jahre alt. Auslöser waren die Ergebnisse der 2003 veröffentlichten CHARM-Studie (Candesartan in Heart failure Assessment of Reduction in Mortality and Morbidity), in der als Zufallsbefund eine höhere Zahl tumorassoziierter Todesfälle unter einer Therapie mit Candesartan im Vergleich mit Placebo festgestellt wurde. Dieser Studie folgte unter anderem 2010 eine Metaanalyse zum Auftreten von Krebsneuerkrankungen unter einer Sartan-Therapie, die ein leicht erhöhtes Risiko aufzeigte. Eine 2018 publizierte Studie wies auf ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko unter der Einnahme von ACE-Hemmern hin. Da der Einfluss von ACE-Hemmern oder Sartanen auf das Darmkrebsrisiko weiterhin unklar war, unternahm eine Arbeitsgruppe der Universität Hongkong einen erneuten Versuch zur Risikoeinschätzung. Sie ging der Frage nach, ob eine Therapie mit Sartanen bzw. ACE-Hemmern bei Patienten mit unauffälligem Koloskopiebefund das Risiko erhöht, in der Folgezeit ein kolorektales Karzinom zu entwickeln.

Foto: Christoph Burgstedt – stock.adobe.com

Patienten, denen in der Vergangenheit Polypen entfernt worden sind, könnten den neuen Daten zufolge von einer ACE-Hemmer- oder Sartan-Therapie profitieren.

Kohortenstudie zeigt Benefit

Die erforderlichen Daten wurden von den staatlichen Krankenhäusern in Hongkong zur Verfügung gestellt, in denen rund 90% der Einwohner Hongkongs behandelt werden. Zwischen 2005 und 2013 wurde bei 187.897 Erwachsenen eine Koloskopie durchgeführt. Trotz negativer Befunde (weder wurde ein kolorektales Karzinom festgestellt noch lagen Polypen vor) erkrankten in den folgenden drei Jahren 854 Teilnehmer (das entspricht 0,45%) an Darmkrebs. Dieser Befund wurde mit der Einnahme von Sartanen und ACE-Hemmern – das war bei 30.586 bzw. 16,4% der Probanden der Kohorte der Fall – in Beziehung gesetzt. Die blutdrucksenkende Therapie war innerhalb der ersten drei Jahre nach der Koloskopie mit einem um 22% verringerten Darmkrebsrisiko assoziiert (adjustierte Hazard Ratio [HR] = 0,78; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,64 bis 0,96). Dabei zeigte sich eine Relation zwischen der Dauer der antihypertensiven Therapie und dem Risiko, innerhalb von drei Jahren an Darmkrebs zu erkranken. Je länger die Therapie andauerte, umso geringer war das Risiko. Für kolorektale Karzinome, die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt (also nach drei Jahren) entwickelten, galt diese Beziehung nicht; hier wurde ein erhöhtes Risiko festgestellt (adjustierte HR = 1,18; 95%-KI: 0,88 bis 1,57). Der Benefit einer Therapie mit Sartanen oder ACE-Hemmern zeigte sich insbesondere bei der Reduktion distaler Karzinome, bei über 55-jährigen Probanden und Patienten, bei denen in der Vergangenheit kolorektale Polypen diagnostiziert worden waren.

Mögliche Konsequenzen

Soll ein Patient eine antihypertensive Therapie erhalten, so kann der behandelnde Arzt bei der Auswahl möglicher Wirkstoffe die in obiger Studie gezeigten chemopräventiven Effekte von ACE-Hemmern und Sartanen berücksichtigen. Ältere Patienten, bei denen bereits Darmpolypen auf­getreten waren – Alter und Polypen sind Risikofaktoren für ein kolorek­tales Karzinom –, könnten von den potenziell chemopräventiven Effekten von Sartanen und ACE-Hemmern profitieren, so die Studienautoren. |

Literatur

Cheung KS, et al. ACE (angiotensin-converting enzyme) inhibitors/angiotensin receptor blockers are associated with lower colorectal cancer risk: a territory-wide study with propensity score analysis [published online July 6, 2020]. Hypertension. doi:10.1161/HYPERTENSIONAHA.120.15317

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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