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Interpharm online 2020
„Trotz neuer Regularien: Trauen Sie sich!“
Impfen in der Apotheke
In einigen europäischen Ländern, wie zum Beispiel in der Schweiz, in Großbritannien und in Frankreich sind Apotheker teilweise schon länger dazu berechtigt, Impfungen, in erster Linie gegen Influenza, zu verabreichen. Auch der deutsche Gesetzgeber will die Impfquoten durch einen niedrigschwelligen Zugang zu Grippeschutzimpfungen über die öffentlichen Apotheken verbessern. Zunächst soll die neue Impfdienstleistung jedoch erst einmal in Modellvorhaben getestet und evaluiert werden. Die Rechtsvorschriften dafür finden sich im Masernschutzgesetz vom 1. März 2020.
Impfen derzeit nur im Rahmen von Modellvorhaben
Solche Modellvorhaben können auf Initiative der Apotheker angestoßen werden und bedürfen eines Vertrags mit den Krankenkassen oder deren Landesverbänden. Die teilnehmenden Apotheker müssen für die Modellvorhaben durch überwiegend ärztliches Personal geschult sein – und zwar so, dass sie den kompletten Impfprozess betreuen können. Es soll nur in den Apothekenbetriebsräumen selbst geimpft werden dürfen, und es müssen besondere Raumanforderungen dafür vorhanden sein. Die Modellvorhaben sollen auf fünf Jahre befristet sein. Während einige Regionen wie etwa Brandenburg das Impfen in Apotheken ablehnen, gestalten andere die neue Option für Apothekendienstleistungen durchaus proaktiv, darunter Nordrhein und Bayern mit der Modellregion Oberpfalz.
„Impfen ist keine Heilkunde“
Einen neuralgischen Aspekt beim Impfen in der Apotheke sieht Effertz in der „Demarkationslinie zur Heilkunde“, die nach herrschender Meinung eine strikte Trennung von Arzt und Apotheker schafft und die sich mit dem impfenden Apotheker offenkundig verschiebe. Die Ärzte könnten im Gegenzug das Dispensierrecht fordern, begründeten Impfgegner ihre Zurückhaltung aus Angst vor dem „Dammbruch“. Effertz bezweifelt allerdings, dass das Impfen überhaupt als Heilkunde einzustufen ist. Nach der Definition im Heilpraktikergesetz fällt es seiner Ansicht nach nicht darunter, weil Impfen der Prävention dient, die in der Definition nicht erfasst ist. Allerdings bezieht die „Heilkundeübertragungsrichtlinie“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) die Vorbeugung in die Definition der Heilkunde mit ein. Als Ausnahme vom Arztvorbehalt sei das Impfen jedoch eine Leistung, die partiell delegiert werden könne, zum Beispiel an die Arzthelferin, wobei der Arzt die Impfanamnese und Aufklärung trotzdem selbst durchführen müsse. Daraus folgt für Effertz: Würde das Impfen als Heilkunde eingestuft, so wären die Modellvorhaben mit einer tätigkeitsbezogenen Befugnis zur Ausübung der Heilkunde verbunden. Damit müsste auch das Berufsrecht angepasst werden, denn die Ausübung der Heilkunde sei hiernach nicht zulässig. Letzten Endes hält er die Frage jedoch für „gar nicht so relevant“, wenn berufsrechtlich festgelegt werde, dass Apotheker impfen dürfen. Dies sei schließlich schon teilweise umgesetzt und deswegen für ihn „rechtlich in trockenen Tüchern“.
Impfen nur mit Behandlungsvertrag?
Eine weitere spannende Frage ist, ob das Impfen in Apotheken einen Behandlungsvertrag erfordert. Derzeit findet dieser laut Effertz (noch) keine Anwendung auf das Apotheker-Patienten-Verhältnis. Es gebe allerdings Stimmen, die sich für analoge Anwendung aussprechen. Schließlich seien beim Impfen alle behandlungsrechtlichen Elemente, wie Aufklärung, Einwilligung, (Therapie-) Entscheidung für oder wider, Durchführung und Dokumentation vorhanden und als Schulungsinhalt gesetzlich vorgeschrieben. Effertz geht deshalb davon aus, dass der Behandlungsvertrag auf den impfenden Apotheker ebenfalls angewendet werden wird. Wer impfen will, sollte sich deshalb bereits jetzt mit dem für Apotheker „bisher fremden Behandlungsvertrag“ beschäftigen, lautet seine Empfehlung.
Was regelt der Behandlungsvertrag?
Allgemeines zum Behandlungsvertrag als zivilrechtlicher besonderer Dienstleistung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt (§§ 630a ff. BGB). Hier gehe es um die (Impf-)Anamnese mit dem Ziel, die Eignung der Impfung für die jeweilige Person zu beurteilen, sowie die Aufklärung, die die rechtsfähige Zustimmung des Patienten zu der Impfung begründet. Aufgeklärt werden müsse insbesondere über den Nutzen, die Nebenwirkungen/Komplikationen und Kontraindikationen inklusive mögliche Folgen einer Impfung. Konkrete Hilfestellung dafür liefert die STIKO. Die Vorlage eines bloßen standardisierten Frage-/Aufklärungsbogens, der dem Kunden wortlos zur Unterschrift vorgelegt werde, reicht seiner Meinung nach in rechtlicher Hinsicht alleine nicht aus. Die BAK-Leitlinie zur Qualitätssicherung und Durchführung von Grippeschutzimpfungen in öffentlichen Apotheken empfehle im Übrigen eine schriftliche Einwilligung der zu impfenden Person.
Wie steht es mit der Haftung?
Viele Apotheker scheuen die Teilnahme an Modellvorhaben zum Impfen in der Apotheke, weil sie Haftungsrisiken aus dem Weg gehen wollen. Effertz legte dar, dass (Behandlungs-) Fehler, das heißt Unterschreitungen des Standards oder Organisationsverschulden wie zum Beispiel mangelhafte räumliche Voraussetzungen in der Apotheke durchaus eine Schadensersatzpflicht begründen könnten. Er riet deshalb zur Überprüfung der eigenen Haftpflichtversicherung. Eine Verschreibung der Impfung beziehungsweise des Impfstoffs sei für die Durchführung der Grippeschutzimpfung in der Apotheke nicht erforderlich, da hier ein Arzneimittel nicht abgegeben, sondern unmittelbar beim Kunden angewendet werde. Deshalb komme ein Verstoß im Hinblick auf die Abgabe ohne Rezept hier nicht infrage.
Muss der Apotheker impfen?
Einen allgemeinen Kontrahierungszwang gibt es für die Grippeschutzimpfung in Apotheken zurzeit nicht, da die Teilnahme an Modellvorhaben ja freiwillig und an besondere vertragliche, räumliche und personelle Voraussetzungen geknüpft ist. Das bedeutet: Eine Verpflichtung zu impfen besteht nicht!
Effertz ist davon überzeugt, dass Apotheker mit dem Impfen in der Apotheke einen sinnvollen Beitrag zur Verbesserung der Impfquote leisten können. Derzeit sei „noch Vieles im Fluss“. Ob oder in welchen Abstufungen die Grundsätze des Arztrechts künftig auf den impfenden Apotheker übertragen werden können, würden vertragliche Vereinbarungen und die Rechtsprechung zeigen. „Trauen Sie sich“, ermutigte Effertz die Apotheker. „Und lassen Sie sich nicht etwa von dem Behandlungsvertrag abschrecken. Die Ärzte leben schon lange damit.“ |
Lesetipp
Effertz D. Wirklich nur ein kleiner Piks? - Juristische Fragen rund um das Impfen in den Apotheken, in: DAZ 2019, Nr. 44, S. 24.
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