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- DAZ 41/2020
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Cannabis
Hanftee in aller Munde?
Diskussion um THC-Gehalt in Lebensmitteln
Unter Verweis auf die Schlagworte Cannabis, Hanf oder auch Cannabidiol (CBD) lässt sich derzeit offenbar sowohl im Lebensmittelbereich als auch mit Nahrungsergänzungsmitteln gutes Geld verdienen. Hier ist in den letzten Jahren im Schlepptau der Zulassung von Cannabis-Produkten als Arzneimittel ein riesiger, kaum noch zu überschauender Markt entstanden. In diesem Markt versuchen verschiedene Hersteller nun auch Hanftees zu platzieren. Diese Tees sind als Lebensmittel erhältlich und enthalten getrocknete Blüten oder Blätter unterschiedlicher Nutzhanfsorten, teilweise werden auch Teemischungen angeboten, z. B. Hanftee mit Rooibos, Zitronengras oder Melissenblättern. Wenn man durch die entsprechenden Werbeseiten im Internet klickt, so erfährt man, dass Hanftee entspannend wirken soll und das Einschlafen fördern könne. Gelegentlich findet man Hinweise auf einen bestimmten Cannabidiol-Gehalt (1 bis 4%) oder sogar ausführliche Analysenzertifikate, die beispielsweise Tetrahydrocannabinol(THC)-Gehalte von 0,01 bis 0,05% angeben. Bei einigen Produkten wird allerdings auch mit dem Vermerk: „Frei von Tetrahydrocannabinol!“ geworben. Zur Herstellung eines optimalen Teeaufgusses empfehlen einige Anbieter den Zusatz von Milch, Sahne oder Hanföl, um das lipophile Cannabidiol besser in Lösung zu bringen.
Tatsächlich ist die Hanfpflanze (Cannabis sativa) ja eine uralte Kulturpflanze. Man unterscheidet zwei Varietäten, die stark voneinander abweichende Inhaltsstoffspektren aufweisen. Cannabis sativa var. indica enthält größere Mengen des psychoaktiven Wirkstoffs Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) und seiner Vorstufe Δ9-Tetrahydrocannabinolsäure, verschiedene Sorten dienen daher seit langer Zeit zur Gewinnung von Haschisch (Harz der weiblichen Blüten) und Marihuana (getrocknete blühende Triebspitzen weiblicher Pflanzen), neuerdings aber natürlich auch zur Gewinnung von medizinischem Cannabis. Die zweite Varietät – Cannabis sativa var. sativa – bildet zwar ebenfalls Phytocannabinoide, allerdings kaum THC, sondern eher Stoffe wie Cannabidiol/Cannabidiolsäure oder Cannabigerol. Dieser sogenannte Nutz- oder Faserhanf wird ebenfalls seit Jahrhunderten angebaut, ursprünglich insbesondere zur Gewinnung von Fasern und Hanföl. Kultiviert werden dürfen in Europa Sorten, deren THC-Gehalt unter 0,2% liegt.
Die auf dem Markt befindlichen Hanftees enthalten entweder getrocknete Blüten oder Blätter verschiedener Nutzhanf-Sorten. Nutzhanf besitzt genau wie Drogenhanf charakteristische Drüsenhaare, die überwiegend im Bereich der weiblichen Blütenstände zu finden sind (Abb.).
Allerdings kommt eine geringere Anzahl von Drüsenhaaren auch auf männlichen Blütenständen und Blättern vor. Das in diesen Haaren enthaltene Öl stellt ein komplexes Gemisch aus Terpenen und Cannabinoiden dar, im Falle des Nutzhanfs scheinen dominierende Komponenten das Cannabidiol und (E)-Caryophyllen zu sein. Blätter enthalten, in Analogie zur geringeren Anzahl von Drüsenhaaren, deutlich weniger Cannabinoide, stattdessen treten hier Flavonoide (Lutein- und Apigeninglykoside) als Sekundärstoffe in den Vordergrund [1].
Neben dem Δ9-Tetrahydrocannabinol ist das Cannabidiol sicherlich der zurzeit am stärksten beforschte Inhaltsstoff der Hanfpflanze. Die Substanz ist nicht psychoaktiv und bindet im Unterschied zum THC auch nicht im aktiven Zentrum der bekannten Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2. Vermutet wird stattdessen eine allosterische Bindungsstelle, da CBD die Wirkung von CB1/CB2-Agonisten antagonisiert. Eine zusätzliche Modulation des Endocannabinoid-Systems wird durch die Hemmung der zellulären Aufnahme des endogenen Liganden Anandamid durch Cannabidiol ermöglicht. Aber auch außerhalb des Endocannabinoid-Systems sind Angriffsmöglichkeiten vorhanden, so ist Cannabidiol ein voller 5-HT1A-Agonist, ein schwacher partieller 5-HT2A-Agonist und ein nicht-kompetitiver 5HT3A-Antagonist und aktiviert den A1A-Adenosin- Rezeptor [2].
Hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit des Cannabidiols sind mehrere Studien zur Anwendung bei Epilepsie-Erkrankungen durchgeführt worden, was zur Zulassung des Antikonvulsivums Epidiolex® zur Behandlung verschiedener kindlicher Epilepsie-Formen geführt hat. Daneben gibt es mehrere, zum Teil noch laufende Studien zum Einsatz bei weiteren psychiatrischen Erkrankungen [3], diskutiert wird außerdem ein anxiolytischer und schlaffördernder Effekt. So erhielten im Rahmen einer kürzlich publizierten Untersuchung Patienten einer psychiatrischen Klinik 25 mg CBD/Tag aufgrund von Angstzuständen oder Schlafstörungen. Unter Verwendung der Hamilton-Angst-Skala konnte eine moderate Abnahme der Angst-Symptomatik über den Beobachtungszeitraum von drei Monaten demonstriert werden. Die Schlafproblematik wurde nur geringfügig positiv beeinflusst, manche Patienten berichteten sogar eine Verschlechterung ihrer Symptome [4]. Es handelt sich bei dieser Untersuchung aber lediglich um Fallberichte, eine Placebogruppe war nicht vorhanden. Insofern bleibt festzuhalten, dass wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Cannabidiol und Schlaf noch ganz am Anfang stehen.
„Nur“ ein Lebensmittel?
Nun mag man natürlich einwenden, dass es sich bei den angebotenen Hanftees ja nicht um Arzneimittel, sondern um Lebensmittel handelt und dass eine Tasse warmen Tees im Rahmen eines Einschlafrituals sicherlich zur Entspannung beitragen kann. Aber auch oder gerade bei einem Lebensmittel stellt sich hier natürlich die Frage nach der Sicherheit und der rechtlichen Situation. Tatsächlich scheint zumindest das Cannabidiol hinsichtlich möglicher Gesundheitsrisiken relativ unproblematisch zu sein: In klinischen Studien wurden Dosierungen von deutlich über 100 mg/Tag meist gut vertragen, Langzeituntersuchungen zu möglichen Folgen einer regelmäßigen Aufnahme durch Tees oder CBD-Öle sind bisher allerdings nicht vorhanden. Auch sind noch keine gesundheitsbasierten Richtwerte für Lebensmittel festgelegt worden. Nach derzeitigem Kenntnisstand kritischer ist dagegen der THC-Gehalt in Lebensmitteln zu bewerten, die aus Hanfpflanzen hergestellt werden.
Lebensmittel, die aus Hanfblättern oder Hanfblüten gewonnen werden, enthalten aufgrund der auf diesen Pflanzenteilen befindlichen Drüsenhaare immer messbare Mengen an THC. Gern wird von den Herstellern entsprechender Produkte darauf hingewiesen, dass der Grenzwert von 0,2% THC, der in Gesetzen zum Hanfanbau festgelegt ist, unterschritten sei. Hierbei ist aber zu bedenken, dass sich dieser Wert lediglich auf den Faserhanfanbau und die dafür zugelassenen Sorten bezieht und keinesfalls als zulässiger Grenzwert in Lebensmitteln anzuwenden ist. Tatsächlich gibt es verschiedene Gerichtsverfahren aus jüngster Zeit, in denen der Verkauf von Hanfblütentees aus Faserhanf mit Bewährungsstrafen geahndet wurde [5]. Die Gerichte gehen dabei davon aus, dass Faserhanf mit einem THC-Gehalt unter 0,2% nicht unverarbeitet in den Verkehr gebracht werden darf, da ein Missbrauch zu Rauschzwecken nicht gänzlich auszuschließen sei. Was den Gehalt von THC in Lebensmitteln betrifft, so hat schon 1997 das damalige Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) verschiedene Richtwerte empfohlen und zwar 5 µg/kg für alkoholische und nichtalkoholische Getränke, 5000 µg/kg für Speiseöle und 150 µg/kg für alle anderen Lebensmittel. Diese Werte wurden kürzlich vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einer ausführlichen Stellungnahme bestätigt [6]. In dieser kommt das BfR zu folgendem Schluss: „Der Verzehr hanfhaltiger Lebensmittel […] kann zu einer Überschreitung der von der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) vorgeschlagenen akuten Referenzdosis (ARfD) von 0,001 mg je kg Körpergewicht führen. Diese akute Referenzdosis beschreibt die Menge an ∆9-THC, die kurzfristig aufgenommen werden kann, ohne dass psychomotorische und psychogene Effekte zu erwarten sind.“ Aus diesem Grund fordert das BfR eine weitere Minimierung des THC-Gehaltes in Lebensmitteln. Tatsächlich werden bei Untersuchungen der Überwachungsbehörden immer wieder Überschreitungen der Referenzwerte festgestellt, wobei Tees aus Blättern üblicherweise weniger problematisch sind als solche aus Blüten. Dagegen ist der THC-Gehalt besonders in CBD-Ölen teilweise deutlich erhöht [7]. Ein weiterer Aspekt, der derzeit für heftige Diskussionen zwischen Herstellern und Aufsichtsbehörden in Deutschland sorgt, ist die Frage der rechtlichen Einordnung von Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln aus Nutzhanf. Hier geht es um die Frage, ob Hanftee als traditionelles Lebensmittel mit entsprechend langer Verzehrshistorie angesehen werden kann oder ob eine Einstufung als neuartiges Lebensmittel gemäß der europäischen Novel-Food-Verordnung zu erfolgen hat. Um für Produzenten und Verbraucher Klarheit zu schaffen, wäre in diesem Zusammenhang sicherlich eine baldige europaweite Verständigung zu dieser Frage wünschenswert sowie die einheitliche Festlegung zulässiger THC-Gehalte in Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln, um die Sicherheit hanfhaltiger Lebensmittel zu gewährleisten. |
Literatur
[1] Nagy DU, Cianfaglione K, Maggi F et al. Chemical characterization of leaves, male and female flowers from spontaneous cannabis (Cannabis sativa L.) growing in Hungary. Chem Biodiversity 2019; 6: e180056
[2] Morales P, Reggio PH, Jagerovic N. An overview on medicinal chemistry of synthetic and natural derivatives of cannabidiol. Front Pharmacol 2017;8:422
[3] Fasinu PS, Phillips S, ElSohly MA et al. Current Status and Prospects for Cannabidiol preparations as new therapeutic agents. Pharmacotherapy 2016;36:781-796
[4] Shannon S, Lewis N, Lee H et al. Cannabidiol in anxiety and sleep: A large case series. Perm J 2019;23:18-41
[5] Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz, LG Braunschweig 4. Große Strafkammer, Urteil vom 28. Januar 2020, www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod?feed=bsnd-r-og&showdoccase=1¶mfromHL=true&doc.id=JURE200005429
[6] Tetrahydrocannabinolgehalte sind in vielen hanfhaltigen Lebensmitteln zu hoch – gesundheitliche Beeinträchtigungen sind möglich. Stellungnahme Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) Nr. 034/2018 vom 8. November 2018, https://mobil.bfr.bund.de, DOI 10.17590/20181108-075209-0
[7] Lachenmeier DW, Bock V, Deych A et al. Hanfhaltige Lebensmittel – ein Update. Deutsche Lebensmittel Rundschau 2019;115:351-372
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