Arzneimittel und Therapie

Erdnüssen ihren Schrecken nehmen

Eine orale Hyposensibilisierung von Erdnussallergikern zeigt Erfolge

Eine Behandlung einer Erdnuss­allergie ist bisher nicht möglich. Es bleibt nur strikte Allergenkarenz. Aber eine orale Immuntherapie könnte einen Ausweg bieten.

In Deutschland leidet ca. 1% der Kinder an einer Erdnussallergie – mit steigender Prävalenz. In einigen Fällen bildet sich die Allergie im Laufe des Lebens zurück. Die Symptome reichen von leichten Beschwerden wie Bauchschmerzen bis hin zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock. Die Standardtherapie besteht aus einer strikten Ausschlussdiät und der Verabreichung von Notfallmedikamenten, falls es zu einer unbeabsichtigten Exposition kommt. In den USA wurde Anfang 2020 von der FDA die orale Immuntherapie, AR101 (Handelsname: Palforzia®) im Rahmen eines speziellen Risiko-Evaluation-und-Minimierungs-Programms zugelassen. In der europäischen ARTEMIS-Studie wurden jetzt die Wirksamkeit und Sicherheit von AR101 im Rahmen einer Phase- III-Studie untersucht – es handelt sich um die dritte Studie dieser Art (PALISADE, RAMSES, ARTEMIS).

Foto: belokrylowa – stock.adobe.com

Orale Immuntherapie im Test

Die multizentrische, doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte Studie wurde an 18 Krankenhäusern in sieben europäischen Ländern durchgeführt. Insgesamt wurden 175 Kinder und Jugendliche mit Erdnussallergie im Alter von vier bis 17 Jahren in die Studie eingeschlossen. Die Teilnehmer hatten entweder einen positiven Prick-Test, eine IgE-Konzentration von 0,35 kUA/L oder höher und reagierten auf eine geringe Menge (300 mg oder weniger) Erdnussprotein. Der Studienzeitraum war von Juni 2017 bis Februar 2018. Von den Studienteilnehmern wurden n = 132 in die AR101-Gruppe und n = 43 in die Placebo-Gruppe randomisiert. Die Untersuchung verlief in drei Phasen – die Dosis wurde schrittweise von 0,5 bis 6 mg an Tag 1 erhöht; über einen Zeitraum von 20 bis 40 Wochen fand alle zwei Wochen eine Dosis-Eskalation statt, bis die therapeutische Dosis von 300 mg erreicht wurde. Danach erfolgte über drei Monate eine Erhaltungsdosis von 300 mg/Tag AR101 bzw. Placebo – im Anschluss der Studie wurde erneut ein Nahrungsmittel-Provokationstest durchgeführt.

Primärer Endpunkt war der Anteil an Patienten, die 1000 mg Erdnussprotein nach neunmonatiger Behandlung ohne Dosis-limitierende Symptome ­tolerierte. Diesen Endpunkt erreichten 77 (58%) Teilnehmer in der AR101-Gruppe und 2 (2%) in der Placebo-Gruppe (95%-Konfidenzintervall [KI]: 44,1 bis 65,2). Als sekundäre Endpunkte wurde untersucht, wie viele Teilnehmer am Ende der Studie 600 mg und 300 mg Erdnussprotein tolerieren konnten. In der AR101-Gruppe tolerierten 90 (68%) Teilnehmer 600 mg Erdnussprotein und 4 (9%) in der Placebo-Gruppe. Die niedrigere Dosis wurde von 97 (74%) Personen in der AR101-Gruppe und 7 (16%) in der Placebo-Gruppe akzeptiert. Zusätzlich wurde auch das Sicherheitsprofil von AR101 untersucht. Nebenwirkungen wurden von vielen Patienten berichtet – wobei sie meist mild bis moderat waren. Systemische allergische Reaktionen traten bei 16 Probanden in der AR101-Gruppe und einem in der Placebo-Gruppe auf. Eine Adrenalin-Gabe war unter Ausschluss der Anfangs-und End-Provokations-Testung während der Behandlung bei neun Teilnehmern in der AR101-Gruppe und ­einem Teilnehmer in der Placebo-Gruppe eine Adrenalin-Gabe notwendig. Bei 14 Teilnehmern in der AR101-Gruppe und einem Teilnehmer in der Placebo-Gruppe musste die Studie aufgrund unerwünschter Ereignisse vorzeitig abgebrochen werden. Bei keinem Teilnehmer traten jedoch unerwartete schwerwiegende oder lebensbedrohliche Nebenwirkungen auf.

Fazit

Vor der Behandlung lag die durchschnittlich tolerierbare Dosis bei 10 mg Erdnussprotein (entspricht ca. 3% eines Erdnusskerns). Nach neunmonatiger oraler Immuntherapie tolerierten mehr als die Hälfte der Teilnehmer der Verum-Gruppe 1000 mg Erdnussprotein (entspricht ca. sieben Erdnusskernen) – ohne das Auftreten von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen. Somit konnte gezeigt werden, dass AR101 zu einer schnellen Desensibilisierung führen kann. |

Literatur

Hourihane J, et al. Efficacy and safety of oral immunotherapy with AR101 in European children with a peanut allergy (ARTEMIS): a multicentre, double-blind, randomized, placebo-­controlled phase 3 trial. Lancet Child Adolesc Health 2020; doi.org/10.1016/S2352-4642(20)30234-0

Apothekerin Dr. Martina Wegener

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