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Erster Valsartan-Fall vor Gericht
Nitrosamin-Verunreinigung als möglicher Auslöser für Krebserkrankung
Es ist der Fall der 80-jährigen Krebspatientin Gerta H., der aktuell vor dem Landgericht Konstanz verhandelt wird. Selbst kann sie allerdings nicht mehr klagen, sie ist mittlerweile verstorben. Das Verfahren wird von ihren Kindern weiterverfolgt, die durch den Freiburger Rechtsanwalt Heiko Melcher vor Gericht vertreten werden.
Ein „Musterverfahren“
Melcher bezeichnet den Prozess als eine Art „Musterverfahren“. Es handle sich „um das einzige Verfahren bundesweit, in dem die Thematik der Verunreinigungen des Valsartan-Blutdrucksenkers mit krebsverursachenden Nitrosaminen und entsprechenden Schadenersatzverpflichtungen der betroffenen Pharmaunternehmen streitgegenständlich ist“. Der Anwalt macht mit der Klage für seine Mandantin gegenüber drei Pharmaunternehmen – 1A Pharma, Mylan und Hexal – Auskunftsansprüche, Schmerzensgeld und Feststellungsansprüche geltend. Diese rührten aus der Gefährdungshaftung nach § 84 Arzneimittelgesetz, aber auch daraus, dass die Unternehmen notwendige Kontrollen im Herstellungsland unterlassen hätten.
Melcher ging schon im vergangenen Jahr davon aus, dass seine Mandantin den Ausgang des Prozesses voraussichtlich nicht mehr erleben werde – hoffte aber, das Gericht überzeugen zu können, dass es wirklich die Einnahme der verunreinigten Arzneimittel war, die zu ihrer Krebserkrankung geführt hat. Seine Mandantin habe nicht geraucht und nicht getrunken.
Pharmahersteller bieten lediglich rund 1000 Euro
Am 30. September fand nun am Landgericht Konstanz die erste Verhandlung statt. Laut Melcher wurde dabei umfangreich die gesundheitliche Situation der Klägerin in den zehn Jahren vor ihrem Tod besprochen. Zudem ging es um die Frage, ob „andere Umstände“ im Sinne von § 84 Abs. 2 Satz 3 Arzneimittelgesetz für die Nierenerkrankung der Patientin eine Rolle gespielt haben könnten. Und: Das Gericht hat auch die Frage einer gütlichen Einigung angesprochen. Dies sei aber von den Anwälten der beteiligten Pharmafirmen abgelehnt worden. Lediglich ein geringer Betrag von rund 1000 Euro sei zur Prozessbeendigung angeboten worden – für Melcher ein „völlig unzureichendes Angebot“.
Andere Patienten sollen von dem Prozess profitieren
Das Gericht hat für den 23. Oktober eine Entscheidung zum weiteren Prozedere angekündigt. Laut Melcher ist zu erwarten, dass ein sogenannter Beweisbeschluss erlassen wird. Voraussichtlich wird ein schriftliches Gutachten eines medizinischen Sachverständigen die Frage beantworten müssen, ob und in welchem Umfang die Verunreinigung geeignet gewesen ist, das Krebsleiden der verstorbenen Klägerin auszulösen. Ebenso ob es andere Umstände gibt, die die Erkrankung verursacht haben könnten. Zu klären sei dabei noch, aus welchem Fachgebiet der Gutachter kommen soll. Das Gericht habe die Onkologie vorgeschlagen, Melcher hält jedoch die Toxikologie/Pharmakologie zur Beantwortung der Beweisfragen geeigneter.
Die „Badische Zeitung“ hatte am 2. Oktober über das Verfahren berichtet. Demnach starb die Klägerin schon im März 2019. Erst ein Jahr zuvor war bei ihr der Nieren-Tumor entdeckt worden. Ihre beiden Töchter, die bei der ersten Verhandlung dabei waren, betonten gegenüber der Zeitung, dass Schmerzensgeld im Prozess „überhaupt keine Rolle“ spiele. Im Sinne ihrer Mutter sollen andere Patienten von dem Prozess profitieren – die Pharmaindustrie müsse besser kontrolliert werden.
„Einiges spricht für Herstellerfehler“
Die Badische Zeitung gibt zudem die Schilderungen der Töchter wieder – wie lange hat die verstorbene Klägerin verunreinigtes Valsartan wahrscheinlich eingenommen? „Mindestens seit 2010 bekam Gerta H. laut ihren Töchtern ein blutdrucksenkendes Mittel, ab 2013 die Generika von Hexal und 1A Pharma.“ Als Beleg habe Melcher dem Zivilgericht alle Unterlagen des Hausarztes und der Klinik vorgelegt, außerdem das Medikamentenkonto der Apotheke. „Von Februar 2017 an nahm sie Valsartan von Mylan dura ein mit einem NDEA-kontaminierten Wirkstoff aus Indien“, heißt es. Auch Fragen des Rückrufs der Valsartan-Generika sowie des Stands des EU-Risikobewertungsverfahrens wurden erörtert.
Richterin Hohlfeld schlussfolgerte laut Badischer Zeitung: „Einiges spricht für einen Herstellerfehler.“ |
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