Pandemie Spezial

Auch für Deutschland eine sinnvolle Option?

Schweizer Apothekerin berichtet über Erfahrungen mit Corona-Testungen in der Offizin

hb | Die Schweizer Apotheker machen es aus der Not heraus, und auch in Deutschland werden Corona-Tests in Apotheken in Erwägung gezogen. Eine DAZ-/DAZ.online-Live-Session vergangene Woche klopfte ab, welche Pflichten und auch Chancen das für die Apotheken mit sich bringen könnte. Eine Kollegin aus der Schweiz gab einen Einblick in das Testgeschehen in ihrer Apotheke.

Natalia Blarer Gnehm ist Geschäftsführerin der TopPharm Europaallee Apotheke in Zürich und Projektverantwortliche beim Apothekerverband Zürich für das Projekt Corona-Testung in Apotheken. Seit einem Monat bietet sie zusammen mit drei anderen Pilotapotheken im Kanton Zürich Tests auf SARS-CoV-2 an. Konkret sind damit Nasen-Rachenabstriche gemeint, die dann in einem Labor analysiert werden. Mitte Oktober habe die Gesundheitsdirektion das Pilotprojekt allerdings unter dem Druck des Infektionsgeschehens abgeblasen mit dem Auftrag: „Testet jetzt einfach!“, berichtete Blarer Gnehm „Die Situation hat sich in der Schweiz im Oktober so schnell so stark zugespitzt, dass man keine Zeit hatte, sich groß mit Haftungsfragen oder technischen Problemen zu beschäftigen“, sagte die Züricher Apothekerin. „Wir haben das pragmatisch einfach gemacht, um die Ärzte und die Spitäler zu entlasten.“

Foto: imago images/Karina Hessland

Gleichberechtigte Leistungserbringer

Am 28. Oktober 2020 verfügte der Schweizer Bundesrat dann mit einer neuen COVID-19-Verordnung, dass es ab dem 2. November möglich sein sollte, zusätzlich zu PCR-Tests schweizweit Antigen-Schnelltests auch außerhalb von bewilligten Laboratorien, das heißt auch in Apotheken, durchführen zu lassen. Damit seien die Apotheken erstmals als gleichberechtigte Leistungserbringer neben den Ärzten und Spitälern anerkannt worden, hob Blarer Gnehm hervor, und sprach von einem „Guerilla-Vorstoß“.

Spezielle Genehmigung und Schulung

Für die Corona-Testung brauchen die Apotheken in der Schweiz eine Genehmigung der Kantonsärztin. Die Bewilligung verlangt „eine adäquate Infrastruktur“, egal, ob drinnen oder draußen. Der Eigenschutz und Fremdschutz der zu testenden Personen müsse jedoch gewährleistet sein, betonte Blarer Gnehm, zum Beispiel durch Trennung der Ströme der zu testenden von den anderen Apothekenkunden. In einem halbtägigen Zertifikatskurs an einer Pflegefachschule wird gelernt, wie man den Abstrich korrekt durchführt und wie man sich selbst schützt. Die notwendige Schutzausrüstung müssen die Apotheken selbst beziehen. Im Falle von PCR-Testungen muss außerdem die Zusammenarbeit mit einem Labor geregelt sein.

Testen im Weihnachtshäuschen

Bis vor einer Woche hat die Züricher Apothekerin die Tests noch in einem kleinen, fensterlosen Raum in der Apotheke durchgeführt, der mit einem Luftreinigungsgerät ausgestattet ist. Nach jedem Test musste alles gründlich desinfiziert werden. Seit einer Woche testet sie draußen auf dem Europaplatz in einem „Weihnachtshäuschen“, das heißt einer Holzbude, wie sie auf Weihnachtsmärkten üblich ist. Eine andere Apotheke testet im Hinterhof in einem Zelt. Ihre Mitarbeiter fühlen sich wirklich sicher, erklärte Blarer Gnehm zu der Frage, ob das Personal bei den Testungen kein ungutes Gefühl habe. Die größere Gefahr, sich eine Infektion einzufangen, sieht sie bei anderen Apothekenkunden und beim Team selbst. „Der Testraum ist im Moment für mich der ­sicherste Ort in meiner Apotheke“, ­stellte die Apothekerin fest.

Terminvergabe und Meldepflichten

Die Termine für die Testungen werden in der TopPharm Europaallee Apotheke mit einem online-Buchungstool vergeben. Die Apotheke führt aktuell in sechs Stunden 40 bis 50 Tests am Tag durch. Damit sind eine Apothekerin und eine ­Pharmaassistentin beschäftigt. ­Blarer Gnehm berichtete von einem „großen administrativen Aufwand mit zahlreichen Formularen“. Es gibt ein Patientenformular, ein Analyseformular für Labor für PCR-Tests und ein Ergebnisformular für Schnelltests, das die Kunden dann in den Apotheken direkt mitbekommen. Im Falle eines PCR-Tests wird der Abstrich an das Labor geschickt. Dieses gibt dem ­Patienten das Ergebnis bekannt und informiert den kantonsärztlichen Dienst, der dann ggf. dessen Quarantäne/Isolation anordnet. Bei einem Antigen-Schnelltest liegt das Ergebnis in der Apotheke nach 15 Minuten vor. Positive Patienten schickt der testende Apotheker selbst direkt in die Isolation und informiert das Gesundheitsamt. Positive Ergebnisse müssen dort innerhalb von zwei und negative innerhalb von 24 Stunden gemeldet werden. Einmal pro Woche muss außerdem die Gesamtzahl durchgeführter Tests ge­meldet werden.

57,50 Franken pro Test

Die Vergütung für die Tests ist für beide Testarten gleich und beläuft sich auf 57,50 Franken. Wenn die Testung im Rahmen der nationalen Beprobungsstrategie durchgeführt wird, können die Apotheken diese mit der Krankenversicherung abrechnen, die die Ausgaben dann ihrerseits vom Bund erstattet bekommt. Reisende und andere, die nicht unter die Teststrategie fallen und sich freiwillig testen lassen wollen, müssen selbst dafür zahlen. Wie viel werde aktuell ­unter den kantonalen Apothekerverbänden noch kontrovers diskutiert, meinte Blarer Gnehm. Manche Apotheken verlangten in solchen Fällen eine zusätzliche Beratungspauschale, das heißt 70 bis 80 Franken für einen Schnelltest.

Kann ganz schnell kommen

Noch sei die Situation im Hinblick auf die Fallzahlen in Deutschland nicht so angespannt wie in der Schweiz, aber auch hierzulande werde die Durchführung von Antigen-Tests in Apotheken in den letzten Wochen verstärkt diskutiert, berichtete der Vorstandsvorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein Thomas Preis. Er verwies hierzu auf das dritte Bevölkerungsschutzgesetz, nach dem Antigen-Tests auch in Deutschland vermehrt zum Einsatz kommen sollen. Preis glaubt zwar nicht, dass die Apotheken als Testort hier gleich mit im Boot sind, sprach sich aber nachdrücklich dafür aus, dass die Apotheker dafür zur Verfügung stehen und das Thema aktiv angehen. „Die Unterstützung bei den Abstrichen könnte ganz schnell kommen“, so seine Vermutung. Die ABDA habe sich im Übrigen bereits entsprechend positioniert und in ihrer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf angeregt, einen rechtssicheren Rahmen für die Abgabe und die Durchführung von Point-of-Care-Tests in Apotheken zu schaffen. Auch aus der FDP gebe es Signale, dass man das den Apotheken „ganz klar zutraue“.

„Immer noch billiger als beim Arzt“

Die etwaige Honorierung wie sie im Entwurf der Antigentest-Preisverordnung vorgeschlagen wird, hält der Apothekerverbands-Vorsitzende für einen gangbaren Weg. Allerdings wäre es ihm nicht recht, wenn die vorgesehene Fixmarge in Höhe von 80 Cent zu gleichen Teilen auf den Großhandel und die Apotheken entfiele. Schließlich würden die Tests beim Großhandel „nur durchgereicht“. Bezüglich der Vergütung der Dienstleistung müsse man sich an den Ärzten orientieren. „Wenn wir unter 50 Euro liegen für so einen Test, sind wir immer noch billiger als beim Arzt“, meinte Preis. Er ist davon überzeugt, dass Apotheken wegen des niederschwelligen Zugangs und der Expertise im Umgang mit Gefahrstoffen besonders geeignete Orte für SARS-COV-2-Testungen sind. Apotheken in bestimmten Lagen, wie etwa in Bahnhofsnähe oder in Einkaufszentren, die aktuell nicht mehr so eine hohe Kundefrequenz haben, könnten einen Teil ihre Betriebsräume umwidmen und ihre Ausfälle dadurch aufbessern, schlägt Preis vor. Er glaubt auch, dass viele Kunden ­dazu bereit wären, die Tests selbst zu bezahlen.

Nicht einfach lostesten

Rechtsanwalt Jascha Arif aus Hamburg ging bei dem Seminar auf mögliche Versicherungsfragen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2-Testungen in Apotheken ein. Unter solchen Tätigkeitserweiterungen, wie etwa bei den Grippeimpfungen, stellen sich stets ähnliche Fragen, betonte er eingangs. Arif warnte davor, einfach loszutesten, wenn dies erlaubt würde, denn Tätigkeitserweiterungen seien keineswegs automatisch von der Versicherung abgedeckt, auch wenn sie gesetzlich zulässig seien. Eine einfache Meldung an die Versicherung sei nicht ausreichend. Es müsse eine explizite Deckungszusage vom Ver­sicherer eingeholt werden. Bei der Haftpflicht werde meist auf betriebsübliche oder apothekenübliche Tätigkeiten abgestellt. Auch hier sei „erlaubt“ nicht gleichbedeutend mit „betriebsüblich“, und die Deckung der Versicherung deswegen differenziert zu betrachten. Bei PCR-Tests, die zur Analyse geschickt werden müssten, sei zudem an die Versicherung des Transports zu denken. Um abschätzen zu können, welche Versicherungsfragen sich bei Corona-Testungen in Apotheken sonst noch ergeben könnten, müssten aber erst einmal die konkreten gesetzlichen Vorgaben abgewartet werden, stellte Arif abschließend fest. |
 

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