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Aus den Ländern
Bedrohung im Markt – erfolgreiche Arbeit im Land
Viele Themen bei der Kammerversammlung in Schleswig-Holstein
Für Christiansen erscheinen einige der jüngsten Ereignisse wie Ideen aus einem dystopischen Zukunftsroman: der Auftrag für den Aufbau des E-Rezepts an ein Unternehmen, das von sich selbst behaupte, mit dem E-Rezept richtig durchstarten zu können, der Auftritt politischer Entscheidungsträger mit den Masken dieses Unternehmens und der Pakt des Gesundheitsministeriums mit dem größten Internetanbieter der Welt. Außerdem habe mit der Einführung von Amazon Pharmacy der größte Internetversender das Feld der Arzneimittelversorgung in Amerika betreten. Die Apotheken seien den freien Kräften am Markt ausgesetzt, aber die Versorgung der Bevölkerung sei „so wichtig und gleichzeitig so anfällig für disruptive Geschäftsmodelle von Großkonzernen, dass die Politik die Aufgabe hat, dieses hohe Gut zu verteidigen“, erklärte Christiansen. Doch er wolle auch jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken. Denn „in unseren Apotheken sind alle Kunden Prime-Kunden“. Die Belieferung innerhalb weniger Stunden sei seit Jahrzehnten Standard.
Auf die digitale Welt vorbereiten
Zum Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz erklärte der Kammerpräsident, im nächsten Jahr gelte es darauf zu achten, dass die Umsetzung gelingt. Wenn die europäischen Versender aber „mit Vorsatz in die Leitplanken dieses Gesetzes rasen“, könne der nächste Schritt nur das Rx-Versandverbot sein. Zugleich sollten die Apotheker bei der Digitalisierung „selbst etwas bewegen statt bewegt zu werden“. Apothekeninhaber müssten schon heute überlegen, „wie ihre jetzigen Kunden auch in einer digitalen Welt ihre Kunden bleiben“. Zur Einführung neuer pharmazeutischer Dienstleistungen zeigte sich Christiansen optimistisch, aber den Krankenkassen müsse klar sein, dass die Apotheker sie nicht ehrenhalber erbringen. Christiansen sprach sich gegen Selektivverträge für Dienstleistungen aus. Er wünsche sich, dass die ABDA Hilfen gebe, damit auch kleine Apotheken solche Leistungen erbringen können.
Vorschlag: Zehn Semester Studium
Mit Blick auf künftige Aufgaben müssten die Apotheker in die Ausbildung des Nachwuchses investieren, erklärte Christiansen. Auch das Studium müsse sich neuen Herausforderungen stellen. Da die Verabschiedung und Umsetzung einer neuen Approbationsordnung fünf bis acht Jahre dauere, sei es Zeit für eine Novellierung. Die Apothekerkammer Schleswig-Holstein habe dazu ein erstes Gespräch mit Hochschulprofessoren und Studentenvertretern geführt. Alle seien sich einig, dass der Erhalt der einheitlichen Approbation oberstes Ziel sein müsse. In der Diskussion erklärte Prof. Dr. Christian Peifer, Universität Kiel, als bevorzugtes Szenario erweise sich die Ausdehnung des Studiums auf zehn Semester. Dann könnten zusätzliche Inhalte der Klinischen Pharmazie integriert werden, ohne die naturwissenschaftliche Basis zu schwächen. Doch dies könne nicht kostenneutral sein. Daher komme es auf die Reaktion der Politik an. Das Gegenszenario sei ein Bachelor-Master-Studium, das von den Universitäten gestaltet werde. Doch das wäre die Zerschlagung der Pharmazie, mahnte Peifer. Schon jetzt würden einzelne Universitäten solche Studiengänge ergänzend anbieten oder planen. Christiansen betonte, dass in Schleswig-Holstein alle Betroffenen in die Diskussion einbezogen würden. Das Land wolle eine geeinte Meinung an den Bund weitergeben. Als Lösungsansatz für die Finanzierung eines verlängerten Studiums regte Christiansen an, die europäische Ebene zu nutzen.
PTA für Impfzentren
Außerdem berichtete Christiansen, dass das Landesgesundheitsministerium bei der Apothekerkammer angefragt habe, ob PTA aus den Apotheken in Impfzentren bei der Rekonstitution des Impfstoffes helfen könnten. Daraufhin gelte es, die PTA zu motivieren, sich in großer Zahl zu melden. Angesichts des großen Arbeitsaufwandes in den Apotheken im Dezember und Januar sei dies nicht einfach, aber die Apotheken vor Ort könnten damit wieder einmal zeigen, dass sie mit ihren Mitarbeitern unverzichtbar seien. Peifer ergänzte, dass dazu auch Pharmaziestudierende aus dem Hauptstudium eingesetzt werden könnten. Sie seien dafür aufgrund ihrer Praktikumserfahrung bestens geeignet. In der Pflege würden wegen der Pandemie auch Studierende der Medizin eingesetzt.
Vielfältige Arbeit im Land
Über die Arbeit der Kammer berichtete Christiansen, dass in Schleswig-Holstein fast alle Apothekeninhaber mit Heilberufeausweisen und fast alle Apotheken mit SMC-B-Karten versorgt seien. Der Prozess vollziehe sich in Schleswig-Holstein geräuschlos. Kammergeschäftsführer Frank Jaschkowski ergänzte, es habe sich als Vorteil erwiesen, auf ein teures Antragsportal zu verzichten, dessen Softwareumgebung nicht funktioniere. Außerdem erklärte Christiansen, die Kammerbeiträge würden im fünften Jahr in Folge stabil bleiben. Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Dr. Roswitha Borchert-Bremer, ergänzte, auch in den nächsten zwei bis drei Jahren sei nicht mit Beitragserhöhungen zu rechnen. Zur Frage, wie Apotheken eine Schließung wegen Quarantäne verhindern könnten, erklärte Christiansen, dass es nicht gelungen sei, im Land ein abgestimmtes Vorgehen zu etablieren. Die einzelnen Gesundheitsämter seien „wie kleine Königreiche“. Der Vorsitzende des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, Dr. Peter Froese, empfahl, über den Einsatz von Antigentests für das Apothekenpersonal als Teil des Hygienekonzepts nachzudenken. Dazu sei unbedingt eine Schulung für die Probenentnahme nötig. Wenn die qualifizierte Entnahme nachgewiesen werde, könnten solche Tests als Nachweise gegenüber Behörden gelten. Außerdem wurde über die Notdienstregelung diskutiert. Dabei ging es um die Befürchtung, dass an einigen Tagen in Teilen des Kreises Nordfriesland durch die jüngsten Änderungen zu weite Wege zur Notdienstapotheke entstehen. Christiansen verteidigte den geltenden Kompromiss, weil Apotheken mit zu großer Notdienstbelastung unverkäuflich seien. Der Bevölkerung sei nicht gedient, wenn sie heute etwas kürzere Wege zur Notdienstapotheke habe, dafür aber in einigen Jahren sehr viel weitere Wege in Kauf nehmen müsse, weil Apotheken keinen Nachfolger fänden. Als mögliche Lösung wurden auch Teildienste angesprochen. |
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