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Mit ein bisschen Distanz

Grüne positionieren sich zum Thema Homöopathie

cha/ral | Die Grünen tun sich schwer mit der Homöopathie. Denn würden sie sich dabei auf die Wissenschaft berufen, wie sie es beim Thema Klimawandel machen, so müssten sie die Alternativmedizin entweder komplett oder zumindest ihre Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung ablehnen. Doch das fällt der Grünen-Spitze angesichts der zahlreichen Homöopathie-Anhänger in ihrer Wählerschaft schwer. Nach langen Querelen wurde nun beim Grünen-Parteitag am vergangenen Wochenende ein Beschluss gefasst: Die Grünen gehen auf Distanz zur Homöopathie – zumindest ein bisschen.

Seit September 2019 tobt bei den Grünen der Glaubenskrieg zum Thema Homöopathie. Auslöser war der Antrag „Echter Patient*innenschutz: Bevorteilung der Homöopathie beenden!“ für die Bundesdelegiertenkonferenz im November 2019, in dem die Antragsteller „für eine wissenschaftlich fundierte, faktenbasierte und solidarisch finanzierte medizinische Versorgung für alle“ eintraten. Ihre Forderung: „Die ­Finanzierung von nachweislich nicht über den Placeboeffekt hinaus wirk­samen Behandlungsmethoden ist mit diesem Grundsatz unvereinbar.“ In der Folge entbrannte auf der Website der Grünen ein heftiger Streit, weshalb sich die Parteiführung entschloss, das leidige Thema von der Bundesdelegiertenkonferenz fernzuhalten. Eine Kommission sollte sich der Sache annehmen, unter Führung des Parteivorsitzenden Robert Habeck. Doch auch daraus wurde nichts wegen angeblicher Durchstechereien; dann hieß es, Habeck selbst wolle einen Lösungs­vorschlag vorlegen.

Foto: imago images / Rüdiger Wölk

Homöopathie auf Rezept? Für die Grünen ist das in Ordnung. Künftig allerdings nur, wenn die Wirksamkeit über den Placebo-Effekt hinaus erwiesen ist.

Im Sommer erschien der Entwurf für das neue Grundsatzprogramm der Grünen. Darin tauchten allerdings ­weder die Begriffe Homöopathie noch alternative Heilmethoden auf, statt­dessen stand dort: „Leistungen, die medizinisch notwendig sind und deren Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen ist, müssen von der Solidargemeinschaft übernommen werden.“ Im August äußerte Habeck gegenüber der ARD, dass die Debatte „weitestgehend gelöst“ sei. Vorgesehen sei, dass Krankenkassen homöopathische Mittel über einen Wahltarif bezahlen könnten. Diesen müssten die Versicherten gesondert abschließen und somit extra bezahlen; dadurch gebe es ein „Solidarsystem innerhalb der Homöopathie-Medikamenten-Liebhaber“, aber die Allgemeinheit zahle nicht dafür.

Beim digitalen Grünen-Parteitag am vergangenen Wochenende wurde nun das neue Grundsatzprogramm verabschiedet. Zum Thema Homöopathie wurden zwei Änderungsanträge dis­kutiert. Der eine sah vor, dass Homöopathika weiterhin von der GKV erstattet werden sollten. Dieser brachte es allerdings nicht in die Endabstimmung, da er nicht genügend Unterstützer fand. Der andere sah vor, die Formulierung im Entwurf für das Grundsatzprogramm mit folgendem Satz zu ergänzen: „Leistungen, deren Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus nicht wissenschaftlich bewiesen wurde, werden nicht von der Solidargemeinschaft übernommen.“ In der Begründung heißt es, dass die bisherige Formulierung nicht „eineindeutig“ sei und die Interpretation zulasse, „dass zum Beispiel homöopathische Leistungen weiterhin von den Kassen auf ­Kosten der Solidargemeinschaft übernommen werden können“. Die ergänzende Formulierung stelle klar „dass nur Leistungen von der Solidargemeinschaft übernommen werden, ­deren medizinische Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Standards ­erforscht wurde und die über den ­Placebo-Effekt hinaus wirken“. Der Antrag wurde mit rund zwei Dritteln Mehrheit angenommen.

Unklar ist, was aus der Ankündigung von Robert Habeck wird, wonach Homöopathie-Anhängern spezielle Tarife bei der GKV angeboten werden sollen. Möglicherweise finden entsprechende Vorschläge Eingang in das Wahlprogramm der Grünen für die Bundes­tagswahl, das wohl im Frühjahr vor­liegen wird. |

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