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Arzneimitteltherapiesicherheit im Zeichen der Digitalisierung

27. Jahrestagung der GAA beschäftigt sich auch mit Charakteristika von COVID-19-Patienten

Coronabedingt fand die 27. Jahrestagung der Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie (GAA) am 26. November 2020 erstmals ausschließlich digital statt. Die inhaltlichen Schwerpunkte lagen bei Therapien und Patientencharakteristika in Zusammenhang mit COVID-19 und bei der Nutzung von Routinedaten der Sozialver­sicherungen im Rahmen der Medi­zin­informatikinitiative u. a. zur Verbesserung der Arzneimittel­therapiesicherheit.
Screenshot: DAZ

Die GAA hat ihren Internetauftritt gelauncht.

Der Relaunch der neuen Website der Gesellschaft und die Onlineabstimmung zur Ermittlung der Poster- und Kurzvortragspreisträger passten gut zum virtuellen Konzept der Veranstaltung. Dr. Holger Gothe (Berlin) stellte den neuen Webauftritt der GAA vor und dankte Conny Rodtmann für die langjährige Betreuung der vorherigen Website. Auch das neue Logo der GAA wurde erstmals der Fachöffentlichkeit präsentiert. Der neue Webauftritt der GAA findet sich unter der gewohnten Adresse www.gaa-arzneiforschung.de/.

COVID-19-Therapie im Krankenhaus

Von Beginn der SARS-CoV2-Pandemie an bestand ein hoher Druck, eine effektive Therapie für COVID-19 zu finden, besonders im Hinblick auf hospitalisierte Patienten mit schwerwiegendem Krankheitsverlauf und hoher Mortalität. Prof. Petra Thürmann (Wuppertal) stellte verschiedene Behandlungsstrategien vor, die seit Pandemiebeginn zum Einsatz gekommen sind. Hydroxy­chloroquin und Chloroquin stellten sich in den präsentierten Studien bei mittelschwerer bis schwerer Erkrankung als wirkungslos heraus. Weitere Wirkstoffe, die für die Behandlung von COVID-19 eingesetzt werden, sind Remdesivir und Dexamethason. Außerdem bot Prof. Thürmann einen aktuellen Einblick in die Auslastung der Krankenhäuser anhand von Daten der Helios Kliniken. Es bleibe wichtig, so ihr Appell, dass Patienten in gut geplante, kontrollierte Studien eingeschlossen werden trotz des Hypes um einzelne Medikamente und des weit verbreiteten Off-label-Einsatzes.

Charakteristika stationärer COVID-19-Patienten

Für den Umgang mit der Coronavirus-Pandemie sind neben potenziellen Therapien auch Patienteneigenschaften, die möglicherweise den Krankheitsverlauf beeinflussen, von besonderem Interesse. Dr. Corinna Hentschker (Berlin) präsentierte eine Auswertung von AOK-Abrechnungsdaten zu Patientencharakteristika von stationär behandelten COVID-19-Patienten. Etwa 16% der im Krankenhaus behandelten Patienten müssen beatmet werden, Männer fast doppelt so häufig wie Frauen. Die Sterblichkeit nahm bei beatmeten und bei nicht beatmeten Patienten mit fortschreitendem Alter zu. Insgesamt sind eher Patienten mit Vorerkrankungen und höherem Alter von schweren Krankheitsverläufen betroffen, aber sie treten auch bei jüngeren Patienten auf.

Das POLAR-Projekt der Medizininformatikinitiative

In zwei Vorträgen stellten Prof. André Scherag, Jena, und Prof. Renke Maas, Erlangen, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF geförderte POLAR-Projekt (POLypharmazie, Arzneimittelwechselwirkungen und Risiken) aus der Medizininformatikinitiative vor. Diese Initiative hat u. a. das Ziel, die Nutzung von Daten in Forschung und Patientenversorgung über die Grenzen von einzelnen Institutionen und Standorten hinaus zu ermög­lichen. Datenintegrationszentren der verschiedenen Konsortien bereiten Patientendaten auf, um sie standortübergreifend nutzbar zu machen. Im POLAR-Projekt soll eine konsortienübergreifende Nutzung der Daten zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit erfolgen. Dafür muss einiges an Vorarbeit geleistet werden, um z. B. widersprüchlichen Informa­tionen in Fachinformationen und der variierenden klinischen Relevanz von Arzneimittelinteraktionen gerecht zu werden. Algorithmen, die Probleme in der Medikation erkennen sollen, müssen zunächst validiert werden.

Kurzpräsentationen

Eine Reihe weiterer interessanter Themen wurde im Rahmen der Kurzpräsentationen vorgestellt:

  • Laura Malin Harms (Berlin) berichtete von einer Studie zur Schätzung der Inzidenz und Prävalenz der seltenen Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie ATTR-CM in Deutschland.
  • Matthias Gogolin (Witten/Herdecke) präsentierte die Erstellung einer Liste anticholinerger und sedativer Medikamente in Deutschland zur Berechnung des Drug Burden Index (DBI).
  • Ingo Meyer (Köln) untersuchte, inwiefern sich der Übergang von einem kurativen zu einem palliativen Behandlungsziel in Medikations- und anderen Abrechnungsdaten widerspiegelt.
  • Desirée Hennen (Münster) stellte ein Projekt zum Umgang von ambulanten Pflegediensten mit Arzneimitteln vor.
  • Prof. Eberhard Greiser (Bremen) berichtete von Metamizol-induzierten Agranulozytosen in Deutschland.
  • Sophie Bremer untersuchte Risikofaktoren für einen unbehandelten Eisenmangel während der Schwangerschaft.
  • Prof. Hans-Joachim Mentzel präsentierte eine Arbeit zur Sicherheit des Kontrastmittels SonoVue® bei Kindern und Jugendlichen.

Auszeichnungen

Am Ende der Veranstaltung wurden wie immer die besten Kurzpräsenta­tionen ausgezeichnet. Aufgrund eines Stimmengleichstands konnte diesmal kein 3. Preis ermittelt werden. Stattdessen gingen die Preise an einen 1. Platz und drei 2. Plätze:

  • 1. Preis: Hennen D, Trutwin-Bornhöft S, Schumacher J, Döring I, Schriever F, Puteanus U. Arzneimittel und ambulante Pflegedienste.
  • 2. Preise (alphabetische Reihenfolge)
  • Bencheva V, Gogolin M, Mann NK, Schmiedl S, Thürmann PA, COFRAIL-Study Group. Entwicklung einer Liste mit anticholinergen und sedativen Wirkstoffen für die Berechnung des Drug Burden Index in Deutschland.
  • Meyer I, APVEL Konsortium. Von kurativ zu palliativ – ein medikationszentrierter Blick auf wechselnde Versorgungsansätze bei Menschen kurz vor dem Tod.
  • Seelbach J, Waginger M, Krüger PC, Mentzel HJ. Sicherheit und Akzeptanz des Einsatzes von Ultraschallkontrastmitteln bei Kindern und Jugendlichen – intravesikale und intravenöse Gabe.

Aufgrund der Pandemie war kein geselliges Beisammensein möglich, dennoch gab es auch für diese digi­tale Variante der Veranstaltung ein sehr positives Feedback durch die Teilnehmer. |

Nina-Kristin Mann, Universität Witten/Herdecke, und 
Udo Puteanus, Landeszentrum Gesundheit NRW
 

Alle Abstracts zur Jahrestagung sind bei German Medical Science zu finden https://www.egms.de/dynamic/de/meetings/gaa2020/index.htm?main=1

Die nächste Jahrestagung wird, sofern eine Präsenzveranstaltung möglich ist, am 11. und 12. November 2021 in Münster stattfinden.

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