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Pandemie Spezial

COVID-19 im Jahr 2020

Pandemiebewältigung zwischen Versuch und Irrtum

Anfang des Jahres 2020 konnte man hier noch kaum glauben, dass dieses neuartige Coronavirus, das in China an SARS erinnernde Lungenentzündungen ausgelöst hatte, sich zu dem alles beherrschenden Problem weltweit entwickeln würde. Es folgten sich überschlagende Meldungen, widersprüchliche Informationen, eine bislang nicht gekannte Flut an auf Preprint-Servern veröffentlichten Studien rund um das Virus, seine Ausbreitung, potenzielle Therapien und Impfstoffansätze. Unser Rückblick zeigt, wie wir Sie Monat für Monat durch diesen Informationsdschungel geleitet haben. Er zeigt aber auch, welche Lernkurve in Sachen SARS-CoV-2 absolviert werden musste. | Von Helga Blasius

Januar

Meldungen über rätselhafte Lungenerkrankungen in China sorgen für Schlagzeilen (DAZ 3, S. 20). Als Auslöser stellt sich ein neuartiges Coronavirus (CoV) heraus. Das RKI schätzt das Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung zu 2019-nCoV, wie die Erkrankung zunächst heißt, in Deutschland bis auf Weiteres als gering ein. Das Virus wird anscheinend auch während der Inkubationszeit übertragen. Die ersten Daten zur Hemmung von SARS-CoV-2 durch Arzneistoffe in Zellkulturen werden bereits Anfang des Jahres veröffentlicht (DAZ 13, S. 42). Die höchste Aktivität zeigen das antivirale Nukleosidanalogon Remdesivir, das ursprünglich für die Bekämpfung der Ebola-Virusinfektionen entwickelt wurde, und die Malariamittel Chloroquin und Hydroxychloroquin.

Februar

Mittlerweile hat sich 2019-nCoV in mehr als 20 Ländern verbreitet, darunter auch in Deutschland (DAZ 6, S. 30). Die Angst vor Coronavirus-Infektionen rückt Hygienemaßnahmen in den Fokus. Doch wie kann man sich schützen? Wann helfen Atemmasken? Darüber spricht die DAZ mit Prof. Dr. Axel Kramer vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Universität Greifswald (DAZ 7, S. 20). Der internationale Apothekerverband (FIP) veröffentlicht eine Übergangsleitlinie für Apotheker, die Hinweise zum Coronavirus zur Verfügung stellt und sich auch mit präventiven Maßnahmen beschäftigt (DAZ 7, S. 19). Ende Februar startet der Biotech-Konzern Gilead zwei globale multizentrische, randomisierte klinische Phase-III-Studien, um die Sicherheit und Wirksamkeit von Remdesivir bei der Behandlung von Erwachsenen mit COVID-19 zu bewerten (DAZ 14, S. 32).

März

Am 11. März 2020 ruft die WHO offiziell die Pandemie aus. Angesichts der rasanten Zunahme der Erkrankungs- und Todesfälle durch COVID-19 läuft die Forschung zu Impfstoffen und antiviralen Therapien bereits auf Hochtouren (DAZ 10, S. 24). Da die Zeit drängt, konzentriert sie sich wesentlich auf die Suche nach passenden antiviralen Therapien in Datenbanken und auf bereits etablierte Arzneimittel sowie auf Substanzen, die wenigstens schon ansatzweise klinisch erprobt sind (Repurposing). Als Hoffnungsträger Nummer 1 gilt Remdesivir. Drei große Verbundstudien werden gestartet: Die SOLIDARITY-Studie der WHO untersucht vier Behandlungsansätze auf den Verlauf von ­COVID-19, darunter Remdesivir, Lopinavir/Ritonavir, Lopinavir/Ritonavir plus Beta-Inter­feron und Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin, jeweils ­zusätzlich zur Grundbehandlung. Einen ähnlichen Aufbau haben die europäische DISCOVERY-Studie und die RECOVERY-Studie der Universität Oxford.

Auf der Homepage der Weltgesundheitsorganisation WHO findet sich Ende des Monats eine Liste mit immerhin 41 Vakzin-Kandidaten (DAZ 13, S. 50). Alle sind in einem sehr ­frühen Stadium der Erprobung, die meisten noch in der ­Präklinik.

Mittlerweile ist das gesamte Spektrum der Hygienemaßnahmen in deutschen Apotheken angekommen. Manche Schreinerbetriebe und Apothekeneinrichter melden, dass Plexiglasscheiben nur schwer bis gar nicht mehr verfügbar sind (DAZ 13, S. 22). Hamsterkäufe von Mundschutz, Atemmasken und Desinfektionsmitteln führen dazu, dass diese dort knapp werden, wo sie dringend gebraucht werden: in Kliniken, Arztpraxen und auch in Apotheken, die für die Zytostatikaversorgung und parenterale Ernährung zuständig sind. Dr. Annette Sattler, Leiterin der Apotheke des Klinikums Nürnberg, schildert die Probleme in einem DAZ-Interview (DAZ 10, S. 30). Die Arbeitsgemeinschaft Notfall- und Katastrophenpharmazie (AG KatPharm) der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) veröffentlicht eine umfangreiche Checkliste mit Handlungsempfehlungen (DAZ 12, S. 24) zum Betrieb der Apotheke in der Pandemiesituation.

Weltweit stoßen Labore bei der PCR-gestützten Detektion von SARS-CoV-2 an ihre Grenzen. Auch in Deutschland ist es schon seit einiger Zeit nicht mehr möglich, bei allen Verdachtsfällen einen direkten Erregernachweis durchzuführen. Die DAZ liefert eine Übersicht über SARS-CoV-2-Testverfahren (DAZ 13, S. 60) mit dem Schwerpunkt auf der PCR-Testung. Derweil hat ein Wettlauf der Diagnostika-Anbieter für den professionellen Gebrauch begonnen. Als erster kommerzieller Anbieter erhält der Schweizer Pharma- und Diagnostik-Konzern Roche am 12. März 2020 von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA eine Notfallgenehmigung (Emergency Use Authorization, EUA) für seinen vollautomatisierten cobas® SARS-CoV-2-Test. Auch in Deutschland darf der neue real-time PCR-Test aufgrund einer CE-Kennzeichnung angewendet werden.

April

Lopinavir/Ritonavir (Kaletra®) kann in einer randomisierten, kontrollierten Studie an schwerkranken COVID-19-Patienten im chinesischen Wuhan nicht überzeugen (DAZ 14, S. 36). Sowohl unter der HIV-Therapie als auch unter alleiniger Standardversorgung verbesserte sich der Gesundheitszustand der Patienten im Median nach 16 Tagen. Auch hinsichtlich der Viruslast und der Sterblichkeitsrate zeigte sich kein wesentlicher Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen.

Der lösliche ACE2-Rezeptor rhACE2 der österreichischen Firma Apeiron Biologics AG kommt bei COVID-19 in einer Phase-II-Studie in Deutschland, Österreich und Dänemark auf den Prüfstand (DAZ 15, S. 41). In Japan wird eine Phase-III-Studie mit dem dort als Zweitlinienmedikation gegen Influenza zugelassenen Virostatikum Favipiravir (Avigan®) aufgelegt (DAZ 21, S. 31).

Am 8. April genehmigt das Paul-Ehrlich-Institut die erste Studie mit COVID-19-Rekonvaleszenten-Plasma (CAPSID-Studie) (DAZ 16, S. 38) und am 22. April die erste klinische Prüfung eines Impfstoffs gegen COVID-19 in Deutschland (DAZ 18, S. 50). Es handelt sich um die mRNA-Vakzine des Mainzer Biotechnologieunternehmens Biontech.

Die deutsche Antwort auf die Frage nach der Maskenpflicht lautet immer noch: „nein“, auch deswegen, weil es einfach nicht genug Masken gibt. Selbst nähen, wiederverwenden oder einfach improvisieren? Erfüllt ein Mund-Nasen-Schutz den gleichen Zweck wie eine partikelfiltrierende Halbmaske (filtering face piece, FFP). Gleich zweimal geht die DAZ in diesem Monat solchen Fragen nach (DAZ 14, S. 28; DAZ 15, S. 22).

Ein weiterer Artikel lotet den Stand in Sachen „Corona-Tests“ aus. Er beschreibt die Arten von Testungen, wie die Vermarktung genehmigt wird, wer die Standards für die Tests festlegt, wie zuverlässig und wie gut validiert sie sind, wo die Tests herkommen und wie es um die Testkapazitäten steht (DAZ 18, S. 42). Das Robert Koch-Institut startet drei Antikörper-Studien, mit denen abgeklopft werden soll, wie viele Menschen in Deutschland bereits eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben könnten (DAZ 16, S. 40). Eine erstreckt sich auf Blutspender, eine auf die Situation an ­Corona-„Hotspots“ und die dritte ist eine bundesweite bevölkerungsrepräsentative seroepidemiologische Studie.

Mai

Am 1. Mai erteilt die US-FDA eine Notfallgenehmigung für Remdesivir (DAZ 19, S. 41). Das Virostatikum soll laut einer Studie in den USA die Krankheitsdauer bei COVID-19 verkürzen. Es darf nur bei schwerem SARS-CoV-2-Infektionsverlauf eingesetzt werden, dann aber sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern. Auch die Europä­ische Arzneimittel-Agentur EMA prüft Remdesivir seit Ende April in einem Rolling Review. Zu diesem Zeitpunkt ist es in der Europäischen Union auch schon über sogenannte Compassionate-Use-Programme verfügbar (DAZ 20, S. 20).

Ein DAZ-Beitrag wirft einige Schlaglichter auf den aktuellen Stand der Entwicklung von COVID-19-Therapeutika. Die weltweite Forschungstätigkeit ist immens und wird immer unübersichtlicher. Die Datenbank clinicaltrials.gov listet zu diesem Zeitpunkt 850 Interventionsstudien zu COVID-19 (Stand 13. Mai 2020, nicht nur medikamentöse Interventionen) (DAZ 21, S. 31). 93 gehören der Phase I an, 330 der Phase II, 220 der Phase III und 50 der Phase IV. Viele Studien rekrutieren gerade erst ihre Patienten. Manche haben noch nicht einmal damit begonnen.

Gleich mehrere Forschergruppen berichten in diesen Tagen über einen neuen Ansatz zur Therapie einer COVID-19-­Erkrankung: Monoklonale Antikörper sollen SARS-CoV-2 in der Akutphase der Erkrankung neutralisieren (DAZ 20, S. 44). Ein gutes Dutzend Unternehmen führt Studien dazu durch.

Juni

Der Monat Juni beginnt mit der „Entzauberung der Malariamittel“. Eine anschauliche Trial-and-Error-Chronologie in der DAZ zeigt auf, wie sich die Beurteilung von Chloroquin und Hydroxychloroquin zwischen Februar und Ende Mai entwickelt hat (DAZ 23, S. 34). Die Veröffentlichung einer international durchgeführten Registerstudie im Lancet veranlasst die WHO, Hydroxychloroquin vorerst nicht mehr zur Behandlung von COVID-19 zu empfehlen, denn die Studie zeigt eine erhöhte Sterblichkeit. Dieser Meinung schließen sich auch einige europäische Länder an. Doch die Studie weckt Zweifel und wird kurz darauf wieder zurückgezogen. Dies erschüttert das Vertrauen in die Wissenschaft „bis ins Mark“ (DAZ 24, S. 32). Mit Bekanntwerden der Lancet-Studie waren weltweit klinische COVID-19-Studien mit Hydroxychloroquin und Chloroquin gestoppt worden.

Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hatte am 28. März 2020 eine Notfallgenehmigung (EUA) für Chloroquin und Hydroxychloroquin zur Behandlung von COVID-19 erteilt. Mitte Juni zieht sie die Reißleine und widerruft die EUA (DAZ 26, S. 32). Inzwischen seien neue Daten veröffentlicht worden, die auf erhebliche Nebenwirkungen, vor allem Herzrhythmusstörungen, mit gleichzeitig erhöhtem Sterberisiko ohne signifikante Verbesserung der SARS-CoV-2-Infektion hingewiesen haben, so die Begründung. Kanadische Autoren hatten schon im April die provokante Frage gestellt, ob Chloroquin/Hydroxychloroquin eine COVID-19-Erkrankung verschlimmern könnten (DAZ 17, S. 42). Die Welt­gesundheitsorganisation WHO gibt bekannt, dass sie den Hydroxychloroquin-Studienarm ihrer SOLIDARITY-Studie endgültig einstellt.

Der gefürchtete Zytokin-Sturm ist bei schwerkranken COVID-19-Patienten ein lebensbedrohlicher Faktor. Es gibt zwar eine Vielzahl von immunmodulatorischen Wirkstoffen, die das systemische entzündliche Geschehen beeinflussen könnten, aber Eingriffe in das hochregulierte System sind immer eine Gratwanderung. Was steckt hinter dem Phänomen und wie könnte es wirksam bekämpft werden? Darauf versucht ein DAZ-Artikel eine Antwort zu geben (DAZ 25, S. 34). Eines jedenfalls scheint schon ziemlich klar zu sein: Es kommt entscheidend auf das Timing an, denn das Zeitfenster für die prompte Einleitung der entzündungshemmenden Therapie bis zum drohenden Organversagen mit Todesfolge ist extrem kurz.

Seit einigen Wochen gilt in Deutschland die Maskenpflicht. Die Zahl der Kunden, die wegen Hautproblemen im Mundbereich Beratung sucht, steigt. Ein DAZ-Artikel beleuchtet die Keimbelastung in den Masken und Phänomene wie Druckulzera und Wundreiben, Kontaktdermatitis und Juckreiz, Trockenheit von Haut und Lippen, Akne und liefert Empfehlungen bei Mundsoor sowie für die Mund- und Prothesenhygiene (DAZ 24, S. 25).

Juli

Am 3. Juli erteilt die Europäische Kommission eine bedingte Zulassung für Remdesivir (Veklury®) (DAZ 28, S. 32), die erste in der EU für ein COVID-19-Therapeutikum. Es darf angewendet werden bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren, die an einer SARS-CoV-2-bedingten Lungenentzündung mit zusätzlichem Sauerstoffbedarf leiden. Die gleitende Überprüfung (Rolling Review) durch den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) war am 30. April 2020 gestartet worden. Der gesamte Prozess von der Einreichung des vollen Antrags bis zu Erteilung der bedingten Zulassung dauerte nicht einmal vier Wochen. Bis Dezember 2020 muss Gilead die Abschlussberichte der Remdesivir-Studien vorlegen (DAZ 27, S. 34).

Nach Hydroxychloroquin enttäuscht auch Lopinavir/Ritonavir in der RECOVERY-Studie (DAZ 28, S. 32). Die 28-Tage-Sterblichkeit der COVID-19-Patienten konnte durch den Einsatz der Protease-Inhibitoren nicht gesenkt werden. Ebenso wurde kein Vorteil mit Blick auf die Klinikaufenthaltsdauer der Patienten und auf das Risiko der Progression zur mechanischen Beatmung festgestellt. Der Studienarm wird daher abgebrochen, ebenso wie der Studienarm mit Dexamethason, dieser allerdings genau aus dem gegenteiligen Grund. Mit der Veröffentlichung der RECOVERY-Studienergebnisse zu dem Glucocorticoid am 17. Juli 2020 im „New England Journal of Medicine“ scheint dessen Wirksamkeit bei schwerem COVID-19-Verlauf nach Abschluss des Peer-Review-Verfahrens belegt (DAZ 31, S. 29). Die 28-Tage-Sterblichkeit bei COVID-19-Patienten, die mechanisch beatmet werden oder Sauerstoff erhalten, ist hiernach mit Dexamethason signifikant verringert. Bei Patienten, die nicht beatmet werden mussten, zeigte sich dagegen kein Vorteil (DAZ 26, S. 27). Deutsche Fachgesellschaften ziehen daraus Konsequenzen für die Praxis: Am 21. Juli 2020 wird die S1-Leitlinie „Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19“ entsprechend aktualisiert.

Nach der aktuellen „Draft landscape of COVID-19 candidate vaccines“ der WHO vom 6. Juli 2020 hat die Zahl der COVID-19-Impfstoffkandidaten, die in der klinischen Erprobung angekommen sind, weiter zugenommen. Mittlerweile werden weltweit 19 Impfstoffkandidaten gegen das neuartige Coronavirus am Menschen getestet (DAZ 29, S. 26), davon zehn in den Phasen III, II und I/II. Neun weitere haben es immerhin schon bis in die Phase I geschafft, darunter auch die mRNA-Vakzine von Curevac (NCT04449276). Darüber hinaus befindet sich ein schier unüberschaubares Feld von 130 weiteren Kandidaten in der präklinischen Phase.

Nach dem amerikanischen Unternehmen Moderna startet auch der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech in Kooperation mit Pfizer eine Phase-III-Studie seines mRNA-Impfstoffs BNT162 gegen SARS-CoV-2 (DAZ 31, S. 30).

Das europäische Netzwerk zur Gesundheitstechnologie-Bewertung (EUnetHTA) hat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) die Aussagekraft von SARS-CoV-2-Antikörpertests beurteilt (DAZ 27, S. 46). In die Auswertung wurden weltweit 40 Studien einbezogen. Das EUnetHTA kommt zu dem Ergebnis, dass mit einem Antikörpertest zwar eine zurückliegende SARS-CoV-2-Infektion detektiert, jedoch nicht auf eine Immunität gegen eine erneute Infektion geschlossen werden kann.

August

Keine guten Nachrichten zu Tocilizumab (Roactemra®). Nach einer Pressemitteilung des Herstellers Roche hat der monoklonale Antikörper in einer Phase-III-Studie keinen Nutzen für schwer erkrankte COVID-19-Patienten gebracht (DAZ 32, S. 30). Von dem Interleukin-6-Inhibitor hatte man sich einen mildernden Einfluss auf den COVID-19-assoziierten Zytokin-Sturm erhofft. Leider war in der Verum-Gruppe im Vergleich zu Placebo keine statistisch signifikante Verbesserung des Zustands erkenntlich. Auch hinsichtlich der Senkung der Mortalitätsrate zeigte sich kein Benefit durch die Tocilizumab-Gabe.

Am 11. August 2020 sorgt Russland mit der weltweit ersten Zulassung eines COVID-19-Impfstoffs mit Namen Sputnik V für Furore (DAZ 34, S. 30). Verschiedenen Berichten zufolge müsste die Vakzine den gesamten klinischen Forschungsprozess in nur zwei Monaten durchlaufen haben. In der Datenbank ClinicalTrials.gov finden sich bis dahin lediglich zwei kleinere offene Phase-I/II-Studien unter Beteiligung von jeweils 38 gesunden Freiwilligen. Die Phase III, die in der Regel die Erprobung an Tausenden Freiwilligen beinhaltet, war offensichtlich übersprungen worden. Der Einsatz des Impfstoffs in großem Umfang soll laut Eintrag in dem Registrierungszertifikat erst ab dem 1. Januar 2021 möglich sein. Trotzdem sollte er schon ab Oktober in Massen produziert werden.

Inzwischen gehen einige vielversprechende COVID-19-Impfstoffkandidaten in absehbarer Zeit in die entscheidende Runde (DAZ 34, S. 30). Sechs sind bereits in Phase III, darunter die mRNA-Projekte von Moderna (mRNA-1273) und Biontech/Pfizer (BNT162), der nicht replizierende ­virale Vektorimpfstoff AZD1222 von Oxford/AstraZeneca sowie drei Kandidaten auf Basis inaktivierter Viren von ­Sinovac, aus dem Wuhan Institute of Biological Products/Sinopharm und aus dem Beijing Institute of Biological ­Products/Sinopharm.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät von der Verwendung von Nanosilber-Masken ab (DAZ 33, S. 30). Zwar gebe es Hinweise, dass SARS-CoV-2 durch eine Nanosilberlösung inaktiviert wird, doch eine abschließende gesundheitliche Bewertung sei nicht möglich, meint das BfR.

Auch viruzide Mundspüllösungen könnten das Übertragungsrisiko von SARS-CoV-2 senken. Eine Arbeitsgruppe aus Bochum hat die viruzide Aktivität von acht verschiedenen, in Apotheken oder Drogerien erhältlichen Mundspül­lösungen in vitro untersucht (DAZ 34, S. 28). Alle getesteten Präparate reduzierten die initiale Virusmenge. Eine Überprüfung der Ergebnisse in klinischen Studien steht noch aus. Die Studienautoren weisen darauf hin, dass Mundspülungen nicht zur Behandlung von COVID-19-Erkrankungen geeignet sind.

In den letzten Wochen hat sich auf dem Gebiet der Corona-Testungen viel getan. Mittlerweile sind zahlreiche Corona-Tests auf dem Markt, die Kapazitäten der deutschen Labore wurden weiter aufgestockt. Nach einem Auszug aus der Datenbank des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI, jetzt BfArM Dienstsitz Köln) waren dort am 24. Juli 2020 453 SARS-CoV-2-Tests behördlich registriert, weitaus überwiegend Antikörper-Tests. Die Unsicherheit hinsichtlich deren Nutzen für ­epidemiologische Erhebungen besteht jedoch weiter. Ein DAZ-Artikel liefert ein Update der Lage an der „Testfront“ (DAZ 32, S. 20).

September

Der Kampf gegen COVID-19 ist zu einem Politikum geworden. Russland steht in der Kritik, eine unzureichend getestete Vakzine für die Immunisierung der Bevölkerung freigegeben zu haben. Auch US-Präsident Trump möchte mit einem Impfstoff und Erfolgen in der Bekämpfung von COVID-19 noch vor der Präsidentschaftswahl in den USA punkten. Ein offener Brief an den Leiter der FDA sorgt für Aufsehen (DAZ 37, S. 26). Er kritisiert eine angebliche Willfährigkeit der Behörde gegenüber dem Präsidenten, unter Aufgabe ihres Leitbildes.

Nachdem mit Dexamethason eine relevante Verringerung der Sterblichkeit bei Patienten mit schweren COVID-19-­Verläufen gesehen wurde, befasst sich eine Metaanalyse mit der Frage, ob dies für systemische Corticosteroide ­generell gelten könnte (DAZ 38, S. 30). Hierzu hat die ­REACT-Arbeitsgruppe der WHO (Rapid Evidence Appraisal for ­COVID-19 Therapies) von einem Protokoll zur Erstellung von Metaanalysen aus laufenden randomisierenden klinischen Prüfungen Gebrauch gemacht. Sieben Studien wurden in die Analyse einbezogen. Die Autoren schlussfolgern, dass die Verabreichung von Corticosteroiden bei kritisch erkrankten COVID-19-Patienten generell die Gesamtmortalität senkt und somit Teil der Standardbehandlung werden sollte.

Antigen- und Antikörper-Schnelltests auf SARS-CoV-2 drängen in den Markt. Die Forderungen, den Weg für die Abgabe an Endverbraucher auch in Apotheken frei zu machen, werden lauter, aber die ABDA mauert (DAZ 36, S. 24). Sie beruft sich auf die Medizinprodukteabgabeverordnung sowie ­darauf, dass die Durchführung derartiger Tests nach dem Infektionsschutzgesetz ausschließlich Ärzten vorbehalten ist. Darüber hinaus dürfte die Testung von Patienten in der Apotheke als erlaubnispflichtige Ausübung der Heilkunde einzustufen sein, so die Auffassung der Standesführung.

Die Pool-Bildung von PCR-Einzeltests könnte bei begrenzten Testkapazitäten einen Ausweg bieten, doch hier ist noch einiges zu klären, etwa wie es um die analytische Zuverlässigkeit der Pool-Testungen im Vergleich zur Einzeltestung steht, bei welchen Prävalenzraten sich Gruppentests sinnvoll durchführen lassen und für welche Settings sie sich überhaupt anbieten. Verschiedene Arbeitsgruppen in Deutschland und auch international haben praktikable Verfahren für Gruppentestungen auf SARS-CoV-2 beschrieben (DAZ 38, S. 26).

Oktober

Im „New England Journal of Medicine“ werden die endgültigen Daten der doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten multizentrischen Studie veröffentlicht, die die Wirksamkeit von Remdesivir belegt (DAZ 42, S. 36). Je früher es eingesetzt wurde, umso größer war der Nutzen für den Patienten. Am 22. Oktober 2020 wird Remdesivir (Veklury®) als erstes COVID-19-Therapeutikum in den USA offiziell zugelassen (DAZ 44, S. 36), und zwar für die Behandlung von hospitalisierten COVID-19-Erkrankten, die mindestens zwölf Jahre alt sind. Parallel bleibt die schon im Mai erteilte Notfallzulassung für hospitalisierte Kinder unter zwölf Jahren, die zwischen 3 und 40 kg wiegen, erhalten. Es gibt aber auch einen Wermutstropfen in diesem Monat: Schon in Tierversuchen war aufgefallen, dass Remdesivir nierentoxisch wirken kann. Nun nimmt das bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) dafür zuständige Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) Berichte über akute Nierenschäden bei COVID-19-Patienten zum Anlass für eine Sicherheitsbewertung (DAZ 41, S. 51).

Neutralisierende Antikörper sind eine von vielen „Waffen“ des Immunsystems im Kampf gegen SARS-CoV-2. Ein DAZ-Beitrag nimmt den Stand der Forschung zu Rekonvaleszentenplasma unter die Lupe (DAZ 42, S. 30). Die USA-FDA hatte dazu schon am 23. August 2020 eine Notfallgenehmigung erteilt. Daneben forschen wissenschaftliche Institute und Pharmafirmen mit Hochdruck an vielversprechenden Immunglobulinen (DAZ 43, S. 27). Eine hohe Neutralisationsfähigkeit wird Antikörpern zugeschrieben, die sich gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 richten und so die Anheftung der Viren und den Eintritt in menschliche Zellen blockieren. Grundsätzlich scheint die Kombination mehrerer monoklonaler Antikörper in einem „Cocktail“ sinnvoll, gerade vor dem Hintergrund möglicher Mutationen und Resistenzentwicklungen. Ein Beispiel ist der Antikörper-Cocktail REGN-COV2 der US-Firma Regeneron.

Nach der aktuellen „Draft landscape of COVID-19 candidate vaccines“ der WHO (vom 2. Oktober 2020) hat die Zahl der COVID-19-Impfstoffkandidaten, die in der klinischen Erprobung angekommen sind, weiter zugenommen. Zehn sind mittlerweile in Phase III (DAZ 41, S. 44). Vier davon sind Vektor-Impfstoffe. Drei beruhen auf dem inaktivierten Virus, zwei sind RNA-Impfstoffe und einer ein Protein-Impfstoff. Für die Phase II werden zwei Kandidaten gelistet, darunter der mRNA-Kandidat von Curevac. Neben der weitgehend üblichen intramuskulären Injektion werden auch andere Verabreichungswege wie Schluckimpfung und intranasale COVID-19-Impfstoffsprays erforscht.

Am 14. Oktober gibt Russland einen weiteren Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus mit Namen EpiVacCorona für die Anwendung frei (DAZ 43, S. 36). Auch dieses Mal wurde die Registrierung offenbar erteilt, ohne vorher das regulär geforderte klinische Prüfprogramm absolviert zu haben. Mittlerweile wurden groß angelegte Phase-III-Studien sowohl mit Sputnik V als auch mit EpiVacCorona auf den Weg gebracht.

Angesichts dessen, dass sich die Suche nach einem Impfstoff gegen COVID-19 allmählich zu einem geopolitischen Machtkampf auszuwachsen scheint, mehren sich die Befürchtungen, dass auch andere Länder wie die USA, China und Indien Russlands Beispiel folgen könnten (DAZ 41, S. 44). Die EU bleibt besonnen. Anfang Oktober startet der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) erstmals ein Rolling-Review-Verfahren zur Überprüfung eines COVID-19-Impfstoffs, und zwar von AZD1222 (AstraZeneca/Universität Oxford). Kurz darauf wird auch eine gleitende Überprüfung des Biontech/Pfizer-Impfstoffkandidaten BNT162b2 gestartet.

Im Oktober machen Berichte über Studienunterbrechungen im Zusammenhang mit COVID-19-Impfstoffen und Therapeutika wegen Sicherheitsbedenken die Runde. Neben AstraZeneca pausiert auch Janssen, der Pharmahersteller von Johnson & Johnson die Phase-III-Studie ENSEMBLE mit seinem Vektor-Impfstoff Ad26.COV2. Eli Lilly stoppt vorübergehend seine ACTIV-3-Studie mit dem neutralisierenden Antikörper Bamlanivimab (LYCoV555) in Kombination mit Remdesivir (DAZ 43, S. 36). Bezüglich der Gründe halten sich die Firmen weitgehend bedeckt.

Zahlreiche Strategien gegen das Coronavirus setzen mittlerweile auch auf die nasale Anwendung von COVID-19-Prophylaktika und Therapeutika (DAZ 44, S. 24). Das australische Biotech-Unternehmen Ena Respiratory entwickelt ein neuartiges Nasenspray mit dem Wirkstoff INNA-051, einem synthetischen pegylierten Agonisten der Toll-Like-Rezeptoren 2 und 6 (TLR2/6). Die Universitätsmedizin Mainz setzt für den gleichen Zweck auf anorganische Polyphosphate (PolyP), die von aktivierten Thrombozyten gebildet werden und die Fibrinbildung modulieren. Auch Sphingosin könnte möglicherweise mit einem Nasenspray verabreicht werden, um so die SARS-CoV-2-Infektion zu hemmen. Als weitere attraktive Optionen gelten Carrageen und Carragelose® (iota-Carrageen). Viele Projekte sind noch in frühen Stadien.

Auch das Mundspülen und Gurgeln mit antiseptischen Lösungen wird als prophylaktische und ergänzende therapeutische Maßnahme gegen COVID-19-Infektionen diskutiert (DAZ 41, S. 52). Verschiedene Autoren berichten über eine effektive Senkung der initialen Viruslast durch unterschiedliche Mundspüllösungen, wie etwa mit Povidon-Jod oder Wasserstoffperoxid, allerdings in vitro.

Zu den Testungen gibt es ebenfalls Neuigkeiten. Mit Inkrafttreten der Coronavirus-Testverordnung vom 14. Oktober 2020 stellt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Liste von Antigen-Testkits online, die zumindest gewisse Mindestkriterien erfüllen (DAZ 44, S. 30). Antigentests sind überwiegend einfach handhabbare, immunchromatografisch arbeitende Lateral-flow-Tests. Für die Probenahme muss allerdings wie beim PCR-Test ein Nasen/Rachenabstrich durchgeführt werden, der geschultem Personal vorbehalten sein sollte. Die weitere Probenaufbereitung und Analyse kann dann auch der Laie bewerkstelligen. Öffentliche Apotheken bieten indessen auch Antikörpertests wie z. B. AProof® an (DAZ 46, S. 14). Wer sich damit auf eine bereits durchlaufene Infektion mit dem Virus testen will, kann sich zwar selbst einen Tropfen Vollblut dafür abnehmen, aber die Analyse erfolgt dann im Labor. Eigentlich dürfen Apotheken SARS-CoV-2-Antigen- oder Antikörpertests nach der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) nicht an medizinische Laien abgeben, weil diese als In-vitro-Diagnostika zum Nachweis einer meldepflichtigen Krankheit bestimmt sind. Testkits, die lediglich zur Probenentnahme und anschließende Sendung an ein Labor gedacht sind, unterliegen allerdings laut Rechtsauffassung des Bundesgesundheitsministeriums nicht grundsätzlich dem relevanten Paragrafen der Medizinprodukte-Abgabeverordnung. Deren Einhaltung werde auf Landesebene überprüft, so das BMG. Daher fragen die 17 Apothekerkammern bundesweit bei den zuständigen Ministerien nach. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich von Einschätzungen.

Rückschau und Ausblick

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In zwei Oktober-Ausgaben der DAZ blickt Prof. Dr. med. Hermann Feldmeier, Arzt für Mikrobiologie, Infektions­epidemiologie und Tropenmedizin auf die vergangenen sechs Monate Corona-Pandemie in Deutschland zurück (DAZ 42, S. 24) und wagt auch einen Ausblick auf die Entwicklung der Pandemie in Deutschland (DAZ 43, S. 38). Er schildert, wie die Deutschen in den Shut-down rein- und wieder aus ihm herausgekommen sind und wie sich die Situation hierzulande im internationalen Vergleich, das heißt mit anderen europäischen Ländern, aber auch mit Ländern in Fernost darstellt. Im Fokus seiner beiden spannenden Artikel stehen alle möglichen Aspekte des Infek­tionsgeschehens, die in dem Pandemie-Rückblick auf diesen Seiten mit den Schwerpunkt-Themen „COVID-19-Therapeutika und Impfungen, Masken und Corona-Tests“ nicht zur Sprache kommen.

November

Mit zunehmendem Druck auf den Arzneimittel-und Impfstoffentwicklern wächst die Sorge, dass die Qualität der Forschung und die Sorgfalt der Behörden, die diese zulassen müssen, darunter leidet (DAZ 46, S. 32). Ein Hintergrundartikel legt dar, wo Zeit und Ressourcen gespart werden können und wie die Behörden ihre Beurteilung rationalisieren, ohne dabei Abstriche bei der Sicherheit zu machen. Im Falle von Remdesivir wurden diese Spielräume bereits erfolgreich genutzt. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde erteilt im November gleich drei weitere Notfallgenehmigungen für COVID-19-Therapeutika:

  • Die erste SARS-CoV-2-Antikörpertherapie mit dem monoklonalen Antikörper Bamlanivimab von Lilly (9. November 2020, DAZ 47, S. 34), für Risikopatienten mit beginnenden Symptomen innerhalb der ersten zehn Tage und nicht für hospitalisierte oder beatmete Patienten,
  • eine Kombinationstherapie mit Remdesivir (Velkury®) und dem JAK-Inhibitor Baricitinib (Olumiant®) (19. November 2020, DAZ 48, S. 44), für Kinder ab zwei Jahren sowie Erwachsene, bei denen eine vermutete oder bestätigte SARS-CoV-2-Infektion vorliegt und die bereits Sauerstoff benötigen,
  • die Antikörper-Kombination (Casirivimab und Imdevimab) der Firma Regeneron (21. November 2020, DAZ 48, S. 44), für Hochrisikopatienten ab zwölf Jahren mit mildem bis moderatem COVID-19-Krankheitsverlauf.

Ende November geht die Weltgesundheitsorganisation auf Distanz zu Remdesivir. Derzeit lägen keine Hinweise vor, dass es unabhängig von der Schwere der Erkrankung wesentliche Auswirkungen auf die Mortalität, die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung, die Zeit bis zur klinischen Verbesserung oder andere für den Patienten wichtige Ergebnisse habe, heißt es in einer „bedingten Empfehlung“ der WHO. Die weitere Erforschung wird gleichwohl befürwortet (DAZ 48, S. 40). Als Grundlage für die Kehrtwende werden die Mitte Oktober veröffentlichten Zwischenergebnisse der SOLIDARITY-Studie (DAZ 43, S. 36) sowie von drei weiteren randomisierten kontrollierten Studien angeführt. Insgesamt wurden Daten von über 7000 Patienten berücksichtigt. Trotz der kritischen WHO-Studie soll Veklury® in Deutschland zur Behandlung bestimmter Corona-Patienten vorbehaltlich einer Neubewertung auf EU-Ebene zunächst weiter eingesetzt werden.

Mitte November überschlagen sich die Nachrichten über die ungeahnten Erfolge der mRNA-Impfstoffkandidaten von Biontech/Pfizer und Moderna (DAZ 46, S. 38; DAZ 47, S. 30; DAZ 48, S. 42). Nach den Ergebnissen von zulassungsrelevanten Phase-III-Studien sollen sie zu etwa 95% wirksam sein, das heißt eine COVID-19-Erkrankung verhindern können. Ende November beantragen Moderna und Biontech/Pfizer nahezu zeitgleich die Zulassung für ihre mRNA-Impfstoffe in der EU und bei der US-FDA (DAZ 49, S. 34). Beide sagen eine baldige Lieferbereitschaft zu. Ein großes Thema ist jedoch die „Distributionstauglichkeit“. Der Biontech/Pfizer-Impfstoff muss nach derzeitigen Erkenntnissen bei –70° C transportiert und gelagert werden. Der mRNA-Konkurrent von Moderna und auch die mRNA-Vakzine CVnCoV von CureVac stehen diesbezüglich besser da.

Auch die Vakzine ChAdOx1 nCoV-19 von AstraZeneca/University of Oxford nähert sich der Zulassung mit großen Schritten. Erste Daten der Phase-II/III-Studie werden Ende November im „Lancet“ veröffentlicht (DAZ 48, S. 44). Durchschnittlich hat sich eine Wirksamkeit des Impfstoffs von etwa 70% gezeigt. Allerdings kommen Zweifel an dem Design der klinischen Studie sowie der hohen Wirksamkeit des Vektor-Impfstoffs auf (DAZ 49, S. 36).

Mittlerweile haben sich die Schutzmasken allerorten etabliert und FFP-Masken sind bei den steigenden Infektionszahlen auch außerhalb des Gesundheitswesens sehr gefragt. Ein DAZ-Artikel erklärt die Kennzeichnung verkehrsfähiger FFP2-Masken und wie es bei fehlenden Zertifikaten um die Verkehrsfähigkeit steht (DAZ 45, S. 38).

Antigentests sollen in der angespannten Testsituation einen schnellen Nachweis des neuen Coronavirus ohne aufwendige Laboranalysen ermöglichen. Ein Forscherteam um Prof. Dr. Christian Drosten hat in einer Studie sieben Antigentests überprüft (DAZ 48, S. 38). Insgesamt könnten solche Tests durchaus zur Entlastung der PCR-Labore beitragen, betonen die Autoren, vor allem dort, wo sich Risikogruppen anstecken können, z. B. in Pflegeheimen, Kliniken oder Arztpraxen. Die Ergebnisse sollten jedoch nur als eine momentane Beurteilung der Infektiosität und nicht als ein Ausschluss einer Infektion verstanden werden.

Einige Länder wie Luxemburg und die Slowakei oder auch die italienische autonome Provinz Bozen-Südtirol versuchen mit Massen-Schnelltests, das dramatische Infektionsgeschehen in ihren Bevölkerungen besser in den Griff zu bekommen. Experten halten das zwar auch in Deutschland für sinnvoll, zweifeln jedoch an der Machbarkeit (DAZ 48, S. 35). Bei den derzeitig verfügbaren Testkapazitäten würde ein Massentest der gesamten Bevölkerung mehr als ein Jahr dauern.

Corona-Tests in Apotheken rücken zunehmend in den ­Fokus. Eine DAZ-/DAZ.online-Live-Session klopft ab, welche Pflichten und auch Chancen das für die Apotheken mit sich bringen könnte. Eine Kollegin aus der Schweiz gibt einen Einblick in das Testgeschehen in ihrer Apotheke (DAZ 47, S. 28). Dort hatte sich die Situation im Oktober so schnell so stark zugespitzt, dass man keine Zeit hatte, sich groß mit Haftungsfragen oder technischen Problemen zu beschäftigen.

Erstmals erteilt die US-FDA am 18. November eine Notfallzulassung für einen SARS-CoV-2-Selbsttest (Lucira™ COVID-19 All-In-One Test Kit) (DAZ 48, S. 44). Ein positives Testergebnis soll bereits nach elf Minuten abgelesen werden können. Der Test ist allerdings verschreibungspflichtig und wird zunächst nur in begrenztem Umfang und nur für POC-Umgebungen und Gesundheitsnetzwerke verfügbar sein.

Dezember

Anfang Dezember verständigen sich die Fachgesellschaften auf ein umfassendes Behandlungskonzept für stationär aufgenommene COVID-19-Patienten (DAZ 49, S. 32, 03.12.2020). Die neue S2k-Leitlinie gibt Empfehlungen zur Diagnostik und zum Therapieablauf bis hin zur Rehabilitation. Inmitten der zweiten Infektionswelle kann das medizinische Personal so auf eine wertvolle Hilfestellung zurückgreifen.

Großbritannien genehmigt am 2. Dezember als erstes europäisches Land noch vor der EU den breiten Einsatz des mRNA-Impfstoffs von Biontech/Pfizer über eine Notfallzulassung (DAZ 50, S. 23). Am 9. Dezember zieht Health Canada mit einer Emergency Use Authorization nach und am 11. Dezember auch die US-FDA, unter dem Druck ihres scheidenden Präsidenten und der dramatischen Infektionslage im Land. Die britische Fachinformation zu BNT162b2 gibt einen Einblick in die Datenlage und die komplizierte Aufbereitung der Vakzine (DAZ 50, S. 25).

Am 21. Dezember spricht der Ausschuss für Humanarzneimittel bei der EMA eine positive Empfehlung für die bedingte zentrale Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffs in der EU aus. Noch am selben Tag wird die Zulassung durch die Europäische Kommission offiziell erteilt, und zwar unter dem Handelsnamen Comirnaty® (DAZ 52, S. 23)

Als Termin für den EU-weiten Impfstart wird der 27. Dezember 2020 vereinbart. Wer in Deutschland zuerst drankommen soll, und wer noch etwas auf die Immunisierung warten muss, regelt die Coronavirus-Impfverordnung vom 15. Dezember auf der Basis ausführlicher STIKO-Empfehlungen (DAZ 52, S. 25)

Am 18. Dezember erteilt die US-FDA eine Notfallzulassung (EUA) für den Corona-Impfstoff von Moderna mRNA-1273 (DAZ 52, S. 26).

Nach einer Absprache zwischen dem BMG und den zuständigen Landesministerien ist es den Apotheken nun ausdrücklich gestattet, Antigentests auf das Coronavirus am Kunden anzuwenden (DAZ 52, S. 9).

Die Verwendung von antiseptischen Mundspülungen zur Unterbrechung von Infektionsketten während der COVID-19-Pandemie scheint eine sinnvolle Maßnahme zu sein. Weltweit werden mehrere klinische Studien dazu durchgeführt. Möglicherweise geeignet sind Stoffe wie Chlorhexidin (Chlorhexamed® Mund-Antiseptikum), Octenidin (Octenident® Mundspülung) oder Povidon-Iod (Betaisodona® Mund-Antiseptikum). Ein DAZ-Artikel beleuchtet die Datenlage zur Wirksamkeit und Toxikologie solcher Lösungen (DAZ 50, S. 28).

Seit dem 15. Dezember können sich über 60-Jährige sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen oder Risikofaktoren FFP2-Schutzmasken (oder vergleichbare) in der Apotheke abholen. Das sieht die Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung vor, die am selben Tag im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde und in Kraft getreten ist. Bis Mitte April 2021 sollen die öffentlichen Apotheken insgesamt 400 Millionen Schutzmasken an rund 27 Millionen dafür Berechtigte verteilen. Jeder hat Anspruch auf insgesamt 15 Masken, die in drei Etappen ausgegeben werden sollen. In der ersten Etappe der Ausgabe bis zum 6. Januar sollen die Apotheken die Anspruchsberechtigung prüfen. Ab 2021 geben die Krankenkassen dann Bescheinigungen aus und beim Einlösen eines Coupons wird eine Eigenbeteiligung des Versicherten von 2 Euro fällig. In der vorletzten Ausgabe des Jahres gibt die DAZ eine Schritt-für-Schritt-Übersicht, was bei der Masken-Ausgabe alles beachtet werden muss. (DAZ 2020, Nr. 51, S. 27). |

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