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Was wiegt stärker: Koalitionsvertrag oder Karrierepläne?

Kommentar von ADEXA-Vorstand Andreas May

Wie lang ist eigentlich die Halbwertszeit eines Koalitionsvertrages? Wie lange müssen Regierungsmitglieder sich für den erklärten Willen der Koalitionäre stark machen, bevor sie zu neuen Ufern aufbrechen, die ihren persönlichen Visionen und ihrer strategischen Karriereplanung mehr zupass kommen? Wie lange dauert es, bis die gemeinsamen Ziele zerbröseln und die Eigeninteressen überwiegen?

„Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein.“

Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD – 19. Legislaturperiode

Bei unserem Bundesgesundheitsminister drängt sich das Gefühl auf, dass diese Halbwertszeit in bestimmten Punkten gegen Null tendiert. Wo man nicht auf den Beifall der Journaille und der jüngeren, hippen Netzgemeinde setzen darf, wo Überzeugungsarbeit geleistet werden muss, wo man sich vielleicht bei alten Kumpanen unbeliebt machen würde, da versteckt er sich hinter dem Votum anderer Ministerien oder gar dem vermeintlichen Agieren der EU-Kommission und des EuGH.

Foto: sjo

ADEXA-Vorstand Andreas May und Beirätin Ingrid Heberle nahmen an der Anhörung von Benedikt Bühler im Petitionsausschuss teil, um die Forderung nach einem Rx-Versandverbot zu unterstützen.

Das ist die Erfahrung, die wir als Interessenvertretung der Apothekenangestellten gerade wieder gemacht haben. Ich meine in diesem Fall nicht so sehr das PTA-Reformgesetz, das seinen Name nicht verdient hat. Ich meine vielmehr das peinliche Lavieren bei der Frage des Rx-Versandverbotes. Da wird mit einer 90-prozentigen Gleichpreisigkeit gelockt, obwohl klar ist, dass eine einzige Klage hierzulande aufgrund der Ungleichbehandlung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung das Konstrukt zum Einsturz bringen könnte. Da wird das angebliche Veto von zwei anderen Ministerien vorgeschoben, obwohl auch diese Häuser sich dem Koalitionsvertrag verpflichtet fühlen sollten. Da wird eine Petition mit über 400.000 Unterzeichnern inhaltlich komplett ignoriert – angestoßen wohlgemerkt von einem Vertreter des apothekerlichen Berufsnachwuchses (!) und Mitglied von Spahns eigener Partei.

Was zählt also das geschriebene Wort des Koalitionsvertrages? Inwieweit können sich Wähler darauf verlassen, dass Politiker die übergreifenden Ziele ihrer Parteien und Regierung verwirklichen – und keine Alleingänge starten? Was zählt die Erfahrung und das Urteil von Betroffenen, in diesem Fall von Angestellten, Arbeitgebern und Patienten?

Spahn macht nicht nur alles, damit das Rx-Versandverbot nicht kommt. Er sorgt damit auch für einen Stillstand bei überlebenswichtigen Fragen der Apothekenfinanzierung. Über das Apothekensterben – rund 350 im Jahr 2019 und damit der stärkste Rückgang eines Kalenderjahres – redet er hinweg und verweist als Alternative auf den Einsatz von Drohnen mit einem Beratungsmonitor. Ist das die Vision des Ministers von „Heimat“? Meine, unsere ist es nicht! Und ich bin davon überzeugt: Das ist auch nicht das, was die Bevölkerung will, die ihre Vor-Ort-Apotheke zu verlieren droht. Deutsche Dörfer und Kleinstädte sind kein Südseeatoll, keine Hallig, keine hochalpine Einsiedelei. Wir brauchen hier Lösungen, die die inländischen Apotheken stärken und Arbeitsplätze im Inland sichern, damit Patienten gut, empathisch und schnell von pharmazeutischem Fachpersonal beraten und versorgt werden können. Lösungen, mit denen wir unsere hei­mische Apothekenlandschaft sichern, die für die Menschen in Deutschland unverzichtbar ist – beispielsweise auch bei Fragen zur Prävention gegen Grippe- und Coronaviren! |

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