Arzneimittel und Therapie

Verschreibungskaskaden erkennen

Bei Ödemen folgen auf Calciumkanalblocker auffallend häufig Schleifendiuretika

Ödeme in den unteren Gliedmaßen sind eine bekannte Nebenwirkung von Calciumkanalblockern vom Nifedipin-Typ wie Amlodipin. Leider werden dagegen oft Schleifendiuretika zur symptomatischen Behandlung verschrieben, anstatt die ursächliche Therapie anzupassen – oft ein Einstieg in eine Verschreibungskaskade. Anhand von US-amerikanischen Krankenversicherungsdaten wurde nun untersucht, wie häufig und bei welchen Patienten diese Verschreibungssequenz vorkommt.

Calciumkanalblocker werden häufig zur Behandlung der Hypertonie eingesetzt und gelten generell als gut verträglich. Sie senken durch Erweiterung der arteriellen Gefäße den Blutdruck und die Nachlast. Dadurch kann es jedoch zu einem Blutstau in den Kapillargefäßen der Peripherie, vor allem in den Beinen, kommen. Durch den vermehrten Austritt von Wasser ins Gewebe entstehen dann Ödeme. Die empfohlene Reaktion auf diese Nebenwirkung ist eine Reduktion der Dosis oder ein völliges Absetzen des Calciumkanalblockers. Teilweise werden entgegen diesen Empfehlungen Schleifendiuretika zur Therapie von Calciumkanalblocker-induzierten Ödemen eingesetzt. Diese bringen oft neue Nebenwirkungen mit sich und können zum Einsatz weiterer Arzneimittel führen, beispielsweise um den Elektrolythaushalt wieder auszugleichen. Dies ist ein klassisches Beispiel für eine Verschreibungskaskade.

In einer amerikanischen Studie wurden Abrechnungsdaten von über einer Million Patienten ohne Herzinsuffizienz daraufhin analysiert, wie häufig Schleifendiuretika mit Calciumkanalblockern kombiniert wurden und welche Patientengruppen am häufigsten betroffen waren.

Foto: ilkercelik – stock.adobe.com

Eins führt häufig zum anderen. Verhängnisvolle Verschreibungssequenzen gilt es zu unterbrechen.

Verschreibungskaskade bei rund 1,4% der Patienten

Bei 55.818 Patienten (4,6%) wurde innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren sowohl eine Therapie mit einem Calciumkanalblocker als auch mit einem Schleifendiuretikum begonnen. Die Reihenfolge Calciumkanalblocker – Schleifendiuretikum kam dabei fast doppelt so häufig vor wie die umgekehrte (adjusted Sequence Ratio 1,87; 95%-Konfidenzintervall 1,84 bis 1,90). Besonders stark ausgeprägt war dieser Effekt bei Männern, Patienten mit einer hohen Calciumkanalblocker-­Anfangsdosis oder einer anfänglichen Amlodipin-Verordnung sowie bei Patienten, bei denen zuvor keine oder nur eine andere Antihypertensivaklasse eingesetzt worden war. Die Autoren schätzen, dass bei 1,4% der Patienten eine Verschreibungskaskade vorlag. Ein Vergleich mit Patienten, die statt mit Calciumkanalblockern entweder mit ACE-Hemmern oder Sartanen behandelt wurden, erhärtete die Annahme. Betroffen waren wiederum vor allem Hochdosis- und Amlodipin-Patienten, aber auch Ältere, Frauen und Patienten, die drei oder weniger antihypertensive Arzneistoffe erhielten.

Daten aus Deutschland

Mit den Nebenwirkungen von Calciumkanalblockern und dem Umgang damit hat sich auch der Qualitätszirkel Pharmazeutische Betreuung Starnberg beschäftigt. Dort wurden in Zusammenarbeit mit zehn Apotheken Daten von 233 Patienten erhoben. Daraus ergaben sich die Empfehlungen, verstärkt auf Knöchelödeme als Nebenwirkung zu achten und den Einsatz von Schleifendiuretika kritisch zu hinterfragen. Der ausführliche Bericht ist in DAZ 2017, Nr. 20, S. 42 zu finden.

Höchstes Risiko am Anfang

Das Risiko einer Verschreibungskaskade war in den ersten vier Monaten nach Beginn einer Therapie mit einem Calciumkanalblocker am größten. In dieser Anfangszeit sollten Ärzte besonders auf Ödeme achten und bei Bedarf die Dosis des Calciumkanal­blockers reduzieren oder zu einem anderen Blutdrucksenker wechseln. |

Literatur

Vouri SM et al. Magnitude Of and Characteristics Associated With the Treatment of Calcium Channel Blocker-Induced Lower-Extremity Edema with Loop Diuretics. JAMA Netw Open 2019;2(12):e1918425

Apothekerin Sarah Katzemich

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