Recht

Darf der Arbeitgeber einen Corona-Test verlangen?

Bei begründetem Verdacht droht Verlust der Lohnzahlung

Während der Corona-Pandemie kommen neben den grundsätz­lichen Pflichten zum Arbeitsschutz weitere Maßnahmen dazu, die der Arbeitgeber zum Schutz seiner Mitarbeiter vor der Pandemie ergreifen muss. Doch wie weit reichen die Rechte des Arbeitgebers? Darf er z. B. eine Testpflicht in seinem Betrieb einführen?
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Arbeiten nur nach dem angeordneten Test? Eine einfache Antwort gibt es darauf nicht ...

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Arbeitsgerichte zu einer möglichen Testpflicht am Arbeitsplatz noch nicht geäußert haben. Zwar hatte, nachdem ein Arbeit­geber Corona-Schnelltests für seine Mitarbeiter angeordnet hatte, ein Mitarbeiter, der sich nicht testen lassen wollte und eine Weiter­beschäftigung auch ohne Test verlangte, vor dem Arbeitsgericht Offenbach im Eilverfahren geklagt, doch scheiterte sein Verfahren wegen fehlender Eilbedürftigkeit. Nach fast herrschender Ansicht besteht bei anlasslosen Corona-Tests aber kein Recht zur Anordnung eines Tests. Letztlich sind die ärztlichen Vorgaben bei der Prävention und Behandlung des Coronavirus maßgeblich. Regel­mäßig bedarf es vor einem Test auf das Coronavirus einer dahingehenden ärztlichen Entscheidung. Nicht einmal die anlasslose Kontrolle der Körpertemperatur darf durch den Arbeitgeber vorgenommen werden. Im Übrigen gilt: Auch sonst ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, sich auf das neuartige Coronavirus testen zu lassen. Selbst wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit ein gesteigertes Risiko für Menschen bedeutet, mit denen er beruflich in Kontakt kommt, kann er nicht zu einem Test verpflichtet werden.

Tests bei begründetem Verdacht

Bestätigte Covid-Infektion: In festgestellten Fällen von Infektionen mit COVID-19 kann die Vor­lage einer Gesundschreibung bzw. eines negativen Testergebnisses erforderlich sein. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn der Arbeitnehmer mit typischen respiratorischen Symptomen erscheint und für den Arbeitgeber der begründete Verdacht besteht, dass der Arbeitnehmer (noch) infiziert ist. Zur effektiven Erfüllung seiner Rücksichtnahme- und Schutzpflichten nach §§ 241 II, 618 BGB gegenüber den anderen Arbeitnehmern und Dritten ist der Arbeitgeber berechtigt und verpflichtet, vom Arbeitnehmer die Vorlage eines (amts-)ärztlichen Attests oder eine Untersuchung durch den Betriebsarzt zu verlangen, wenn der Arbeit­nehmer auf Verlangen nicht unverzüglich von sich aus eine Gesundschreibung bzw. ein negatives Testergebnis vorlegt. Nur so kann der Arbeitgeber mit Sicherheit ausschließen, dass es im Falle des Kontakts des Arbeitnehmers mit Dritten nicht zu einer Ausbreitung der Infektion kommt.

Rückkehr aus einem Risiko­gebiet: Unter Umständen kann der Arbeitgeber berechtigt sein, den Arbeitnehmer zu befragen, ob er sich zuletzt in ausgewie­senen Risikogebieten aufgehalten hat. Darüber hinaus könnte der Arbeitgeber auch einen Nachweis darüber fordern, dass der Arbeitnehmer nicht infiziert ist. Seit dem 8. August 2020 ist jeder aus einem ausgewiesenen Risikogebiet in die Bundesrepublik Deutschland Einreisende verpflichtet, sich auf Anforderung des zuständigen Gesundheitsamtes oder der sonstigen vom Land bestimmten Stelle auf eine Corona-Infektion testen zu lassen oder ein aktuelles negatives Testergebnis vorzulegen. Der Arbeitgeber kann ein berechtigtes Interesse an der Vorlage des negativen Testergebnisses haben. Dies aber ohne Weiteres von allen Reiserückkehrern zu verlangen, wäre indes nicht gerechtfertigt. Ein solches berechtigtes Interesse besteht, wenn Anhaltspunkte für eine erhöhte Infektionsgefahr durch den Arbeitnehmer vorliegen.

Nach Kontakt zu infizierter Person: Eine ähnliche Interessenlage stellt sich für den Arbeitgeber, wenn er erfährt, dass sein Arbeitnehmer Kontakt mit einer infizierten Person hatte. Das kann auch dann der Fall sein, wenn die auf dem Mobiltelefon des Arbeitnehmers installierte Corona-Warn-App ein erhöhtes Risiko für den Arbeitnehmer anzeigt. Dann ist der Arbeitnehmer ohnehin verpflichtet, sein erhöhtes Infektionsrisiko ohne Aufforderung seinem Arbeitgeber zu melden. Wurde dem Arbeitgeber ein erhöhtes Infektionsrisiko infolge des Kontakts zu einer infizierten Person gemeldet, erscheint es sachgerecht, einschränkend danach zu differenzieren, ob der Arbeitnehmer symptomfrei am Arbeitsplatz erscheint oder ob er COVID-19-typische respiratorische Symptome aufweist. Zeigt der Arbeitnehmer respiratorische Symptome, kann der Arbeitgeber die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung bzw. eines negativen Testergebnisses verlangen.

Konsequenzen in der Praxis

Besteht seitens des Arbeitgebers der begründete Verdacht, dass eine Infektion mit dem Coronavirus stattgefunden hat, so kann der Arbeitgeber wohl die Vorlage eines ärztlichen, ggf. amtsärztlichen Attests begehren oder eine betriebsärztliche Untersuchung verlangen. Besteht ein begründeter Anlass für einen Test auf das Coronavirus oder besteht gar eine rechtliche Regelung, ohne Test der durch den Arbeitnehmer geschuldeten Arbeit nicht nachgehen zu dürfen, kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt verlieren. In Kurzform kann das bedeuten: Ohne Test keine Arbeit und ohne Arbeit kein Arbeitslohn. Damit besteht – das ist zuzugeben – eine Art mittelbarer Zwang, sich testen zu lassen. |

Volker Görzel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, Mitglied des VDAA Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte e. V.

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