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Gesundheitspolitik
Der Apotheken-Ökonom: Pharmazeutische Dienstleistungen – Teil 2
Im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) wurde geregelt, dass ab Anfang 2022 die Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen anbieten und dafür jährlich 150 Mio. Euro abrufen können. Diese Idee ist uneingeschränkt zu begrüßen, die Honorierungsfrage sollte aber vor dem flächendeckenden Angebot an Patienten eindeutig geklärt werden. In der Honorierungslösung liegt eine grundsätzliche Gefahr. Werden Apotheken gegenwärtig weitgehend im Zuge einer Mischkalkulation vergütet, die in der Vergangenheit seitens der Standesvertretungen auch vehement verteidigt wurde, so müsste dieses Prinzip bei der Abrechnung pharmazeutischer Dienstleistungen aufgelöst werden. Da nicht jede Apotheke jede pharmazeutische Dienstleistung anbieten kann und will, müssen dafür Abrechnungsbeträge gefunden werden, die den damit einhergehenden Aufwand abbilden und selbstverständlich auch einen Gewinnaufschlag pro erbrachter Dienstleistung beinhalten, da ja auf der anderen Seite das kaufmännische Risiko eingegangen wird. Zudem sollten mit einem derartigen Modell auch Anreize für die Apotheker gesetzt werden, sich des Themas anzunehmen.
Die öffentlich geführte Diskussion über die Vergütung für Maskenpaket, Schnelltest oder das Ausstellen des Impfzertifikats hat zweierlei gezeigt: Es darf zum einen nicht passieren, dass wieder erst ein in den öffentlichen Raum geworfener Betrag publiziert und dann nach wenigen Wochen seitens des Bundesgesundheitsministeriums nach unten korrigiert wird. Man könnte dies auch eine einseitige Vertragsänderung nennen. Zum anderen hat die Bekanntgabe der absoluten Beträge teilweise heftige Debatten in der Bevölkerung ausgelöst, denn der isoliert betrachtete Betrag gemessen an dem Ausschnitt der Dienstleistung, den der Kunde wahrnimmt und zu Gesicht bekommt, erschien der überwiegenden Mehrheit oft als teuer bzw. zu teuer. Und die spätere Kürzung durch das Ministerium wurde als Beleg dafür empfunden, dass dies dort auch so gesehen wird. Die seitens der Apotheken anzustrengende Infrastruktur, die Nutzung personeller und räumlicher Kapazitäten usw. muss gegengerechnet werden, was aber die wenigsten Bürger machen oder leisten können. Von daher könnte eine auf dieser Grundlage entfachte Diskussion die Apotheken wieder in ein publizistisches Fahrwasser bringen, das nicht gewollt sein kann.
Dementsprechend ist viel Sorgfalt auf die Klärung der Honorierungsfrage zu legen und es sind erst die Beträge zu verhandeln, bevor dann die Leistungen an den Start gehen können, im besten Interesse aller Beteiligter. Dass deshalb ein zuvor festgelegtes Budget im Sinne einer Deckelung zu früh kam oder in dieser Form besser nicht veröffentlicht worden wäre, ergibt sich aus der zuvor aufgestellten Logik. Das Gesamtbudget müsste sich aus dem antizipierten geschätzten Jahresbedarf pro Dienstleistung und den dafür sorgsam errechneten Honoraren ergeben. Ob dies in Summe dann tatsächlich bei genau 150 Mio. Euro landen kann, ist unwahrscheinlich. Vielleicht aber liegen ja bereits derlei Berechnungen vor, ansonsten müsste man sich über die geplante Budgetierung kopfschüttelnd auslassen. Und auch hier sollte – wie bei der generellen Honorierung der Apotheken – eine regelmäßige Anpassung mitverhandelt werden. Seit 2004 leiden die Apotheker darunter, dass Anpassungen auf ihre Honorierung nicht, schleppend oder nicht angemessen erfolgten und noch nicht einmal einen Inflationsausgleich beinhalteten.
Zudem sollte keine Quersubventionierung zwischen den einzelnen Dienstleistungen oder mit der sonstigen Honorierung der Apotheke eingepreist werden, denn es muss einer Apotheke möglich sein, nur eine der Dienstleistungen anzubieten, ohne damit budgetär Schiffbruch zu erleiden. Oder anders herum argumentiert darf nicht nur deshalb eine pharmazeutische Dienstleistung seitens einer Apotheke angeboten werden, damit sich eine andere besser rechnet.
Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland hat dazu einen lesenswerten Vorschlag unterbreitet. Pharmazeutische Dienstleistungen sollten laut BPhD einerseits nach Zeitaufwand und andererseits danach eingeteilt werden, ob Zusatzqualifikationen nötig sind. So wird in einfache, mittlere und komplexe Dienstleistungen unterschieden, was ggf. schon eine Vereinfachung für eine Kalkulation nach sich zöge. Für die einfachen Dienstleistungen sind gemäß BPhD keine Zusatzqualifikationen nötig. Sie sind auch von PTAs durchführbar und benötigen keine weitere Anpassung der Räumlichkeiten. Der Zeitrahmen sollte sich hierbei auf ungefähr zehn Minuten beschränken. Als Beispiele nennt der Verband Blutdruckmessung sowie die Einweisung in medizinische Hilfsmittel wie Inhalatoren.
Für pharmazeutische Dienstleistungen der mittleren Kategorie können Zusatzqualifikationen nötig sein. Sie sind nur bedingt von PTAs durchführbar und benötigen eine Anpassung der Apothekenbetriebsräume. Der Zeitrahmen kann sich hier von 30 Minuten bis auf zwei Stunden erstrecken. Impfungen, Medication Review, Public Health Schulungen, Adhärenzberatungen (auch im häuslichen Umfeld) dienen hier als Beispiele. Bei den komplexen Dienstleistungen geht der Verband von einem hohen Zeitaufwand aus. Es handelt sich um komplexe Risikoprozesse, für die Zusatzqualifikationen notwendig sind. Darüber hinaus müssen diese Leistungen regelmäßigen Qualitätskontrollen unterzogen werden. Dazu zählen z. B. pharmakogenetische Analysen, Full-Medication-Reviews, langfristige Adhärenzprüfungen und Folgeverschreibungen. Bemerkenswerterweise weist der Verband darauf hin, dass bei der Kategorisierung eine kleinteiligere Einteilung denkbar und durchaus sinnvoll sei.
Als Grundlage für eine Kalkulation kann diese Einteilung allemal dienen. Vielleicht ist aber der Makel – so Zyniker –, dass der Vorschlag nicht von der ABDA kam und deshalb unmöglich genommen werden kann. |
Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de
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