Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Scheiden tut weh

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Als Anfang des Jahres RTL an­kündigte, dass Dieter Bohlen nicht mehr „Das Supertalent“ und „Deutschland sucht den Superstar“ moderieren wird, war dies zwar medial zum Paukenschlag gemacht worden, aber an sich eine Petitesse. Denn seit 2002 war Bohlen Kopf der Jury von DSDS, hat bei keiner Staffel gefehlt und beim Publikum den Eindruck vermittelt, er bestimme, was läuft, und nicht RTL. Nun wurde er gegangen, was wohl auch er selbst nicht für möglich gehalten hatte. Der Nachfolger ist verkündet. Mit Florian Silbereisen kommt ein völlig anderer Typus ans Ruder, ob dieser allerdings den zunehmenden Bedeutungs­verlust des Formats wird aufhalten oder gar umdrehen können, darf getrost bezweifelt werden. Modernere Trash-Ideen zwischen „Temptation Island“ bis hin zu „Are You the One“ werden in dann geschaffene Lücken stoßen, die faktisch nie Lücken waren und noch nie das Zeug dazu hatten.

Einen freiwilligen, aber überfäl­ligen Abgang hat die Deutsche Fußballnationalmannschaft zu verzeichnen. Joachim Löw, der seit 2006 die Mannschaft trainiert hat und auch davor schon unter Klinsmann Co-Trainer war, nahm die Europameisterschaft zum Anlass, Servus zu sagen. Sein Abgang war wenig überraschend, sondern von vielen spätestens nach der völlig verkorksten und von ihm zu verantwortenden Weltmeisterschaft 2018 vehement gefordert worden. Der angeschlagene Riese DFB aber war zu schwach, um selbst zu handeln. Weder Sportdirektor Bierhoff noch der mit Trompetenklängen als Heilsbringer gefeierte Süd­badener Fritz Keller, der nach nicht einmal zwei Jahren als Präsident schon wieder weg vom Fenster ist, nachdem er mit einem völlig verfehlten Wehrmachtsvergleich sich selbst mehr beschädigte als den damit gemeinten Vizepräsidenten, waren in der Lage, Löw vor die Tür zu setzen. Dessen EM-Taktik – so es tatsächlich eine gab – war ängstlich und bis zum Schluss wenig mitreißend. Nun scheint es Hansi Flick anstelle von Joachim Löw zu richten und obgleich er schon zu Beginn seiner Amtszeit bewiesen hat, was er kann, gehört er doch auch im weiteren Sinne zur DFB-Seilschaft und lässt den einen oder anderen Zweifel aufkommen.

Am gewichtigsten wird der vermutlich noch in diesem Jahr zu vollziehende Abgang der Bundeskanzlerin sein. Sie hat das Feld nicht während der Amtszeit geräumt, was für jeden Nachfolger einfacheres Terrain gewesen wäre, da er dann mit einem zwar kurzen, aber vorhandenen Amtsbonus in die Bundestagswahl gegangen wäre. Die Krisenkanzlerin geht zu einem unglücklichen Zeitpunkt, aber Wahltermine kann man sich nicht aussuchen – so auch Frau Merkel nicht. Die Riege der ernannten Nachfolgekandidaten als Kanzler/Kanzlerin wirkte nur bedingt verheißungsvoll, man möchte aber daran erinnert sein, dass auch beim Einstieg von Angela Merkel als Kanzlerin die Skeptiker deutlich lauter zu hören waren als die Jubilierer. Mögen Entertainment und Sport für viele näher und greifbarer sein als die hohe Kunst der Politik, so prägend sind die Politiker für jedes Land. Vier amerikanische Präsidenten, vier britische Premiers, vier französische Präsidenten hat Frau Merkel verschlissen. Von den vielen SPD-Vorsitzenden ganz abgesehen, egal ob mit ihr in einer Koalition oder gegen sie in der Opposition.

Sind diese Abgänge Chancen für die Republik? Mit Sicherheit, denn etwas Neues folgt. Irrelevant wird Deutschland sucht den Superstar sein, das Format hat sich schon überholt. Dass Hansi Flick Fußball-Deutschland neu zum Leben erweckt, ist den zahllosen Fußballfans und ihm zu wünschen, denn gerade in diesen Zeiten tut derlei Ablenkung Not.

Frau Merkel werden wir uns mehrfach herbeisehnen, denn ihre unaufgeregte Art auch bei schwierigsten Situationen, diese stoische Ruhe auch bei ihr gegenüber gezeigten Unverschämtheiten und die mehr als unprätentiöse Haltung, obgleich sie wahrlich eine andere Attitüde an den Tag legen könnte, hat dieses Land besser als viele andere durch die diversen Krisen geführt. Die Krisen werden nicht weniger werden, im Gegenteil; die Klimadebatte und die Naturkatastrophen nehmen zu. Noch ist die Mehrheit nicht bereit, die Kausalitäten anzuerkennen, aber es bleibt unverkennbar, dass die Welt hier gewütet hat. Die digitale Transformation läuft schleppend und die Politik dürfte nicht nur hier von den neuen Realitäten eingeholt werden. Sind Renten noch sicher? Wie geht es weiter mit der weltweiten Migra­tion? Wie lang kann diese Erde noch ausgebeutet werden? Wann sind demnach Grenzen des Wirtschaftswachstums und damit auch des Wohlstands erreicht? Wie sieht gerechte Verteilung aus? Bohlen und Löw haben bei diesen Themen zur Ablenkung beigetragen, Merkel zur Lösung. 2021 wird ein Jahr der Zäsur, dazu wird Bohlen eigentlich nichts, Löw am Ende sehr wenig, aber Angela Merkel sehr viel beigetragen haben. |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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