Management

Angefacht oder ausgebrannt?

Dem Burn-out zuvorkommen

Ein Kunde betritt die Apotheke, er wirkt übermüdet und etwas gestresst. Er berichtet, wie furchtbar erschöpft er sich fühlt, nichts scheint ihm mehr zu gelingen. Seine Frau ist schon völlig genervt, weil er ständig alles vergisst. Ein bisschen Ruhe und Schlaf ist das Einzige, was er sich wünscht, aber sich zu erholen fällt ihm so schwer wie nie. Als Apotheker kennen wir die Symptome eines Burn-outs nur zu genüge und stehen den Kunden hilfreich zur Seite. Doch besonders in Zeiten mit hohem Arbeitspensum und zusätzlichen Belastungen schwingt manchmal die Sorge mit: „Hoffentlich trifft es mich nicht irgendwann – oder steuere ich vielleicht schon darauf zu?“ Kommen Sie dem Burn-out zuvor!

Ursprünglich wurde vermutet, dass Burn-out eine Problematik ist, die hauptsächlich in helfenden Berufen auftritt. Mittlerweile ist klar, dass es weniger mit der Berufswahl, sondern vielmehr mit unterschiedlichen Faktoren zusammenhängt, die das Auftreten eines Burn-outs wahrscheinlicher machen:

Situation am Arbeitsplatz – Arbeitsplätze, an denen es utopisch ist, die Zielvorgaben zu erfüllen, oder wo die Erfolgskriterien nicht klar formuliert sind, können das Auftreten eines Burn-outs begünstigen. Große Verantwortung, Termindruck, mangelnde Einflussmöglichkeiten, fehlende Anerkennung, Kränkungen und Konflikte verstärken die Tendenz.

Persönliche Aspekte – Menschen mit hohen Ansprüchen und einem Hang zum Perfektionismus bei gleichzeitigem Unvermögen, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu wahren, sind eher betroffen. Sie machen ihren Selbstwert unter Umständen an ihrer Leistung fest, was schnell zu dauerhafter Überlastung führen kann.

Weitere Faktoren können dazukommen, diese sind genauso individuell wie das Auftreten der Erkrankung, die Diagnose und die Behandlung.

Foto: Julien Bastide/AdobeStock

Den Blick auf die Un-dos richten statt auf die To-dos – dieser Perspektivwechsel kann helfen, wieder mehr bei sich anzukommen.

Wenn es in die falsche Richtung geht

Wenn die Betroffenen merken, dass ihre Leistungsfähigkeit nachlässt, arbeiten sie – als erste Intervention – noch intensiver. Sie ignorieren ihre eigenen Bedürfnisse und streichen die kleinen Chancen auf Erholung im Alltag wie z. B. Hobbys. Für den Kontakt zu Freunden und zur Familie fehlt die Energie. Irgendwann sind alle schönen Momente im Leben verschwunden, und genauso fühlt sich das eigene Leben dann auch an – leer, sinnlos und spaßbefreit. Die körperlichen Symptome, wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen, machen zusätzlich mürbe.

Mal langsam

Bei der Burn-out-Prävention und der -Therapie sind die Verbesserung der Strategien im Umgang mit Belastungen und die Schaffung von Entlastungsmöglich­keiten entscheidende Elemente. Wichtig ist, einen Weg aus der Negativspirale zu finden. Dabei lassen sich unterschiedliche Ebenen betrachten.

Wissen: Viele hilfreiche Auswege können aus dem Wissen über die Umstände, die einen Burn-out begünstigen, und dem Verlauf der Erkrankung abgeleitet werden, wie gerade kurz umrissen. Auch das Wissen über das eigene Verhalten und die eigenen Einstellungen kann Klarheit bringen. Zu diesem Zweck sind jede Menge Fragebögen im Internet verfügbar. Den am häufigsten verwendeten Fragebogen entwickelte die US-amerikanische Psychologin Christine Maslach: das Maslach Burnout Inventory (MBI). Er dient dazu, Hinweise zu geben, aber nicht den Schweregrad zu bestimmen. Die untersuchten Dimen­sionen sind emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung und verringerte Leistungsfähigkeit.

Verhalten: Um sich zu erholen und mehr Alltagsglück ins Leben zurückzubekommen, braucht es Zeit. Ein gängiger Tipp ist das Einplanen von Pausen. Wenn wir Tag für Tag über unsere Grenzen gehen, bleibt eine Erschöpfung nicht aus. „Mach mal ’ne Pause!“ – das lässt sich immer so leicht dahin­sagen, manchmal wirkt es fast flapsig. Es muss bedacht werden, dass ein Betroffener sehr stark den Fokus auf die Arbeit richtet. Was bedeuten kann, dass er auch arbeitet, obwohl es gar nicht den Anschein macht. Sogar in der Freizeit gehen ihm Konflikte bei der Arbeit oder unerledigte Aufgaben durch den Kopf. Die Denkleistung ist mit einem Marathon auf einem Bier­deckel vergleichbar.

Aufmerksamkeit auf sich selbst richten

Was tun? Das wichtigste ist wohl, den Fokus der Aufmerksamkeit zu verschieben, und zwar auf sich selbst. Was tut mir gut und was tut mir nicht gut? Es gibt viele Angebote, die perfekte Entspannungstechnik für sich zu finden oder den passenden Zugang zu einem achtsamen Lebensstil. Für jeden funktioniert etwas anderes, um abzuschalten, runter- und zu sich zu kommen. Einfach mal ausprobieren und anders handeln als sonst. Hier drei Highlights:

1) Waldbaden: Zeit im Wald zu verbringen, die Waldluft zu atmen, dem Wind in den Wipfeln zu lauschen oder über Moos zu wandern fördert das Wohlbefinden und baut Stress ab. Im Japanischen wird das „Baden im Wald“ Shinrin-Yoku genannt und ist dort Bestandteil eines gesunden Lebensstils. Es bedeutet, mit allen Sinnen in die Stille und Unberührtheit des Waldes einzutauchen. An japanischen Universitäten ist Waldmedizin ein anerkanntes Forschungsgebiet, in dem untersucht wird, welche Auswirkungen ein Aufenthalt im Wald auf den menschlichen Körper und die Seele hat. Positive Effekte auf Atmung, Puls und Blutdruck wurden festgestellt, sodass das „Eintauchen“ in den Wald dort durchaus eine Empfehlung für Burn-out-Patienten ist.

Foto: Andrea/AdobeStock

Burn-out-Prävention durch Waldbaden ist nur eine von vielen Möglichkeiten, um Ihr Stresslevel wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

2) Un-do-Liste: To-do kann jeder, eine Un-do-Liste zu schreiben und einzuhalten ist schon wesentlich anspruchsvoller. Auf eine Un-do-Liste gehören zehn Dinge, die man am liebsten nicht mehr tun würde. Danach wird bei jedem Punkt auf der Liste überlegt, wie sich das Leben verändern würde, wenn diese Tätigkeiten einfach wegfielen. Neben abwegigen Wünschen lassen sich meist auch Dinge finden, die einfach Altlasten sind und „entrümpelt“ werden können, da sie viel Stress, aber nur wenig Freudvolles mit sich bringen.

3) Der Ausgleich: Wer seine In­teressen verfolgt und zumindest ein wichtiges Gegengewicht in seinem Leben etabliert, der bleibt stabiler, auch wenn es auf der Arbeit mal wackelt. Sport ist ein Klassiker zum Ausgleich, die Bewegung hilft, Stress abzubauen. Im Grunde genommen eignet sich alles, was Sinn und Wert ins Leben bringt – ein Musikinstrument spielen, ein Nebenjob (auch wenn es komisch klingt), die Familie oder der Hund.

Das schnelle Alltagsglück lässt sich übrigens beim Kochen, Musikhören, Schwimmen, Lesen, Stricken, Meditieren oder, oder, oder finden. Wenn alles etwas viel ist, dann beginnen Sie klein, und sammeln Sie jeden Tag einen schönen Moment. Das richtet den Blick auf wertvolle Kleinigkeiten, wer auf den Geschmack kommt, sammelt immer mehr.

Glaubenssätze und Antreiber

Ob jemand anfällig für Burn-out ist, liegt zum Teil an seiner Persönlichkeit. Folgende Fragen stehen im Raum:

  • Was treibt mich an?
  • Welcher Glaubenssatz erklingt immer wieder in meinem Kopf?
  • Warum muss ich es perfekt machen? Was würde reichen?
  • Was bin ich mir selbst wert?
  • Definiere ich meinen Selbstwert über meine Leistung?
  • Wie oft gehe ich über meine Grenzen und warum?
  • Kenne ich meine Grenzen überhaupt?
  • Was hindert mich daran, eine klare Grenze zu ziehen und „Nein“ zu sagen?

Glaubenssätzen oder Antreibern, die uns immer wieder in die Selbstausbeutung schicken, auf die Spur zu kommen, ist u. U. ein längerer Prozess, der gut in einem Coaching durchlaufen werden kann. Um Grenzen zum eigenen Schutz für sich und andere zu etablieren, lässt sich die oben genannte Un-do-Liste gut als Vorübung nutzen.

Die Säulen der Identität

Auslöser eines Burn-outs kann die Erschütterung unserer Grundfeste sein – unserer „Säulen der Identität“, wie es der deutsche Psycho­loge Hilarion Petzold beschreibt.

Die fünf Säulen umfassen:

1) Körper und Gesundheit

2) Soziale Beziehungen

3) Arbeit und Leistungs­fähigkeit

4) Materielle Sicherheit

5) Werte und Ideale

In einer ruhigen Minute hinzuschauen, an welchen Säulen es wackelt, kann ein Weckruf sein und Klarheit bringen, an welcher Stelle etwas geändert werden muss oder welche Instabilitäten sich bedingen. Beeinflusst der Stress auf der Arbeit so stark, dass nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Beziehung angeschlagen ist? Ist von der Säule der Werte und Ideale überhaupt noch etwas übrig?

Wir zerstören unsere Säulen durchaus selbst durch unser Handeln. Dadurch, dass wir keine Grenzen ziehen, längst überfällige Konflikte scheuen oder uns klein machen. Dabei ist es offensichtlich, dass jede Säule Aufmerksamkeit und Pflege braucht, denn nur wenn unsere Identität stabil ist und auf den Säulen thronen kann, stehen wir selbst stabil im Leben.

Der richtige Weg

Bei allem, was an Informationen verfügbar ist: Sollte die Ver­mutung auf die Diagnose Burn-out hin­wei­sen, ist der Gang zum Arzt zwingend nötig, um Klarheit zu schaffen. Letztendlich können die Symptome auch immer körperlichen Ursprungs oder Vorboten schwerer Krankheitsverläufe sein. |

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Master-Coach (DGfC) und Systemische Beraterin; www.anjakeck.de

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