Gesundheitspolitik

Teilzeitkräfte: Bei Überstunden diskriminiert?

Bundesarbeitsgericht ruft Europäischen Gerichtshof an

ks | Werden Teilzeitbeschäftigte diskriminiert, wenn nach den tarifvertraglichen Regelungen ein Überstundenzuschlag erst dann vorgesehen ist, wenn die regelmäßige Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten überschritten ist? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Bundesarbeitsgericht nicht das erste Mal – aber jetzt soll sie der Europäische Gerichtshof beantworten. (Bundes­arbeitsgericht, Beschluss vom 28.10.2021, Az: 8 AZR 370/20 (A))

Die Klägerin ist bei einem bundesweit tätigen ambulanten Dialyseanbieter als Pflegekraft in Teilzeit beschäftigt. Ihre Arbeitszeit beträgt 40 Prozent der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft. Für sie einschlägig ist ein Manteltarifvertrag, der vorsieht, dass es für Überstunden einen Zuschlag von 30 Prozent gibt – sofern diese Überstunden über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat der Arbeitsleistung nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine Honorierung durch entsprechende Zeitgutschriften im Arbeitszeitkonto vorgesehen.

Das für die Klägerin geführte Arbeitszeitkonto wies zum Ende des Monats März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus – angesammelt durch Überstunden. Doch weder erhielt sie hierfür Zuschläge gezahlt noch nahm der Arbeitgeber im Arbeitszeitkonto eine entsprechende Zeitgutschrift vor.

Klägerin will Zeitgutschrift und Entschädigung

Die Pflegekraft meint, sie werde durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung unzulässig als Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligt. Zugleich werde sie deshalb mittelbar wegen des Geschlechts benachteiligt – denn ihr Arbeit­geber beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit. Mit ihrer Klage will sie eine den Zuschlägen entsprechende Zeitgutschrift in ihrem Arbeitszeitkonto sowie eine Entschädigung in Höhe eines Vierteljahresverdienstes nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erreichen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeits­gericht hat den Arbeitgeber sodann verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin die geforderten Stunden gutzuschreiben und einen Entschädigungsanspruch abge­wiesen. Diesen verfolgt sie nun mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht weiter. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in dem Fall nun den Europä­ischen Gerichtshof angerufen. Er will wissen, ob die europäischen Regelungen, die eine Diskriminierung am Arbeitsplatz verbieten, so auszulegen sind, dass eine tarifvertragliche Regelung wie die hier vorliegende eine Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten enthält. Das gleiche erfragt er mit Blick auf die europäische Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit. Darin heißt es: „Teilzeitbeschäftigte dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeit­beschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt.“

Auch der Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter enthält eine Regelung, der zufolge die Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit erst ab der 41. Wochenarbeitsstunde gezahlt werden. Insofern dürfte das Urteil aus Luxemburg auch für teilzeitbeschäftigte Apotheken­mitarbeiter von Interesse sein. |

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