Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Katze aus dem Sack

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Die Ampelkoalition steht, und nachdem die Parteien die jeweiligen Mandatsträger scheibchen­weise präsentierten und lange nur klar war, dass die SPD den Gesundheitsminister stellen wird, nicht aber wen, kann man konstatieren: also doch! Die Kommentare zur Personalie Lauterbach waren auch entsprechend verblüffend. Wenn ein designierter Minister den größeren Zuspruch gefühlt von außerhalb der Koalition bekommt, stellt sich die Frage, ob man sich innerhalb der Koalition mit der Personalie einen Gefallen getan hat. Gleichwohl war der Druck auf Kanzler Scholz immens hoch, musste er doch anerkennen, dass die Wahrnehmung der Person Lauterbach in der breiten Öffentlichkeit offensichtlich von der in Politik- und Fachkreisen signifikant abweicht.

Die Union hat es im letzten halben Jahr vor der Bundestagswahl schlicht und ergreifend versaut. Erst war die Kandidatenkür wenig öffentlichkeitswirksam, dann hat man sich ewig Zeit gelassen, ein Wahlprogramm zu schmieden, das Gerangel um den Spitzenplatz geriet für alle beklemmend und die Nadelstiche, nachdem man sich angeblich geeinigt hatte, wirkten aufs Wahlvolk verheerend. Die scheintote SPD zog an der CDU, zwar knapp, aber vorbei. Was vor einem Jahr unmöglich erschien, hat sich Ende September bewahrheitet. Dies kann der CDU allerdings Hoffnung machen, denn die launische Diva Wähler scheint binnen kürzester Zeit die Pferde schon mal zu wechseln, wenn es opportun erscheint. Und Umfrageergebnisse sind keine Wahlsiege.

Die Ampelkoalition ist vergleichsweise geräuschlos gebildet worden, dafür großen Respekt, im Vergleich zur letzten Regierungsbildung war dies fast schon vorbildlich. Vor dem Hintergrund eines Dreierbündnisses mit wahrnehmbaren Unterschieden lief dies professionell. Bei der Kabinettsbildung gab es einige wenige Überraschungen. So konnten bei den Grünen nicht alle das werden, was sie werden wollten, und wurden dann etwas anderes oder nichts, bei der FDP musste vor allem einer werden, was er nun geworden ist, und bei der SPD sind alles Vertraute um Olaf Scholz – bis auf besagten Gesundheits­minister. Wahrscheinlich hat der neue Kanzler deshalb mit der Ministerkür für die Öffentlichkeit gewartet, bis die Abstimmung zum Koalitionsvertrag innerhalb der SPD gelaufen war, denn sonst hätten manche ggf. die vielen Getreuen oder eben Lauterbach zum Maßstab genommen und nicht das Papier selbst, und ein schlechter Start der größten Regierungs­fraktion gemessen an der Zustimmungsquote sollte tunlichst vermieden werden. Am Rande sei bemerkt, wie knallhart das poli­tische Geschäft ist. Heiko Maas beispielsweise wurde praktisch nie vor und nach der Wahl als Minister ernsthaft genannt, obgleich er erst vier Jahre lang Justiz- und nun vier Jahre lang Außen­minister war. Es ist nicht überliefert, dass er von sich aus verzichtet hätte, vor dem Hintergrund muss man sich fragen, was an welchen Stellen wie entschieden wird.

Tut man Karl Lauterbach unrecht, wenn man konstatiert, dass sich kein anderer Politiker so in Szene gesetzt hat wie er? Keiner hat sich stärker aufgedrängt und keiner ein besseres Geschick aufgebracht, jede denkbare Kamera zu nutzen, die man auffinden konnte. Markige Sprüche schon vor der Wahl, aber auch nun bei seiner Inthronisierung erschienen und wirken etwas vorschnell. Die Pandemie wurde in der Großen Koalition auch mit Lauterbachs Hilfe noch nicht besiegt, warum es nun bei etwas anderer Besetzung besser laufen sollte, erschließt sich nur bedingt. Die Apotheker waren nie Lauterbachs Freunde und Lauterbach nie der Freund der Apotheker. Dies mag sich während der Pandemie etwas entspannt haben, aber ein wirklich gutes, geschmeidiges Verhältnis sieht anders aus. Vor allem ist Lauterbach ein wenig verlässlicher Kantonist und schon mal für Wendungen bekannt. Dies kann dann ein Vorteil sein, wenn es sich in die richtige Richtung wendet, anders herum kann es aber auch fatale Züge annehmen. Seine Einlassungen zur Apothekenhonorierung in der Vergangenheit dürften noch vielen in gruseliger Erinnerung sein.

Bundeskanzler Scholz hat in zwei Punkten deutlich gemacht, dass er Alleingänge von Ministerinnen und Ministern nicht zu tolerieren gedenkt. Russland- und Chinapolitik werden demnach im Bundeskanzleramt entschieden und nicht im Auswärtigen Amt, und mit der Bildung eines Krisenstabs zur Pandemiebekämpfung hat er bereits vor der eigentlichen Amtsübernahme deutlich gemacht, dass er zumindest für die Zeit der Pandemie nicht vorhat, das Feld ausschließlich Karl Lauterbach zu überlassen. Hier sind Konflikte vorprogrammiert, denn Lauterbach wird für sich eine universelle Deutungshoheit beanspruchen.

Ob es taktisches Geschick war, kurzfristig Andrea Nahles als Alternative für das Gesundheitsministerium aufzubauen, damit Lauterbach weniger bedrohlich anmutet, weiß man nicht. Wenn ja, Chapeau, denn eine Gesundheitsministerin Nahles hätte man sich nun beim besten Willen nicht vorstellen können und wollen. Dem Fuchs Lauterbach ist zuzutrauen, dass er dies Gerücht gestreut hat, um nochmals besser dazustehen. Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Mit dem Beginn der neuen Ära endet auch eine andere. Kanzlerin Merkel hat das Land 16 Jahre lang geprägt, Gesundheit indes war eines der Themen, in das sie sich kaum einmischte, nur im Rahmen der Pandemie als Krisenkanzlerin – aber auch hier selten im Detail. Jens Spahn tritt ebenfalls ab. Er ist vielfach gescholten worden und man hat ihn für seine Corona-Politik kritisiert. Den Apothekern gegenüber war er ein kritischer, aber offener Gesprächspartner und seine Corona-Leistung wird wohl erst dann final zu beurteilen sein, wenn sein Nachfolger im Amt selbst Hand anlegt. Denn kommentieren, deuten und Ratschläge geben ist etwas anderes, als Verantwortung zu übernehmen und schnell und effizient zu entscheiden. Nun kann Spahn kommentieren, deuten und Ratschläge geben, an Fachkompetenz fehlt es nicht. Es sind schwere Zeiten, um mit der Regierungs­arbeit zu beginnen, denn die vollmundig angekündigte Fortschrittskoalition muss nun liefern und die launische Diva Wähler wird vergleichsweise schnell deutlich machen, was sie davon hält. |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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