Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Früher war mehr Lametta – ein Jahresrückblick

Prof. Dr. Andreas Kaapke 

„Weihnachten bei Hoppenstedts“ von Loriot mit dem oben stehenden Zitat ist legendär. 2021 war mit Verlaub ein Jahr der zum einen gut genutzten und zum anderen verschleppten Chancen. Zwei dieser eher verschleppten Chancen betreffen die Apothekerinnen und Apotheker unmittelbar, da sie als richtungsweisend einzuordnen sind. Das Digitalisierungs-Vorzeigeprojekt E-Rezept verlief das Jahr über schleppend, wenn auch nun allerdings von den Protagonisten selbst angekündigt wird, dass alles besser wird und dann auch noch halbwegs im Zeitrahmen realisiert werden soll. Als kritischer Betrachter muss man zugestehen, dass das Projekt E-Rezept in infrastruktureller, inhaltlicher und kommunikativer Hinsicht einem gewaltiger Aufriss gleichkommt. Von daher ist es keine Petitesse, dieses Projekt zu stemmen, gleichwohl stand in Summe viel Zeit zur Verfügung und es wurde auch schon früh mit dem Projekt begonnen. Noch sind Nebel und wenig Kerzen zu sehen. Die Umsetzung wird noch einem gewaltigen Spagat gleichkommen, da mögen Pilot­projekte noch über die eine oder andere Barriere hinwegtäuschen. Nun gibt es kurz vor dem angekündigten verheißungsvollen Beginn aber wieder – berechtigte – Bedenken, es soll geschoben und noch mehr getestet werden. Ein guter Start sieht anders aus.

Die Implementierung pharmazeu­tischer Dienstleistungen stand ebenfalls auf der Jahres-Agenda und nachdem es nicht so recht klappen wollte mit den Verhandlungen landete das Projekt folgerichtig bei der Schiedsstelle, was auch nicht wirklich gelingen wollte. Da muss man sich fragen und fragen lassen, wie konnte dies geschehen, woran liegt dies, sind die Positionen tatsächlich so weit entfernt voneinander und hätte es nicht einen Kompromiss geben können?

Und nun? In einem sich stark wandelnden Gesundheitsmarkt und bei einem zunehmend digitalen Kaufverhalten der Kundinnen und Kunden können und werden pharmazeutische Dienstleistungen gerade für die pharmazeutische Expertise und zur Abgrenzung gegenüber alternativen Vertriebsformaten ein wichtiger Baustein einer Apotheke der Zukunft sein. Es mag sein, dass die eine oder andere Apotheke nicht jeden Schritt hinsichtlich der pharmazeutischen Dienstleistungen wird mitgehen können, was nicht bedeuten kann und darf, dass dieser Schritt nicht so schnell wie möglich zu gehen ist. Beiden Projekten – E-Rezept wie pharmazeutische Dienstleistungen – ist gemein, dass sie für die Apotheken innovativen Charakter haben. Beim E-Rezept stoßen die Apotheken in eine neue, deutlich digitale Dimension vor. Und natürlich birgt dieser Weg auch Risiken, muss doch befürchtet werden, dass die Technik eben auch den Weg ins Online-Geschäft befeuert. Genau aus diesem Grund ist es so wichtig und richtig, pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten, die den Kunden verdeutlichen, warum es und wofür es nach wie vor oder besser mehr denn je die Vor-Ort-Apotheke gibt und geben muss. Der viel beschworene Gamechanger E-Rezept wird dort, wo er auch Gefahren birgt, durch den herbeiersehnten Gamechanger pharmazeutische Dienstleistungen kompensiert, an vielen Stellen vermutlich überkompensiert.

Gepunktet haben die Apotheken in der Wahrnehmung vieler, vor allem aber einflussreicher Entscheidungsträger mit ihren viel­fältig übernommenen Rollen im Rahmen der Pandemie. Die Feinverteilung der Impfstoffe, die Ausstellung der Impfzertifikate, die zahlreichen von Apotheken eröffneten Testzentren mit dem bekannt barrierefreien Zugang und den organisatorisch vielfach guten Lösungen stehen stellvertretend für den Beitrag der Apotheken an dieser Stelle. Nun sollen Apotheken gemäß der neuen Regierung auch noch impfen dürfen, gut so! Den Unkenrufern und Bedenkenträgern, die derlei Ambitionen für falsch halten, mag man entgegenhalten, dass es um Schnelligkeit und Barrierefreiheit geht. Es bleibt zu hoffen, dass dies weder ver­gessen noch als in jedem Punkt selbstverständlich angesehen wird. Und es ist unerlässlich, sich auch bei der 4. Welle und ggf. weiteren Anforderungen durch die Pandemie immer wieder, immer aufs Neue und im bestverstande­nen Sinne konstruktiv ins Spiel zu bringen, so wie dies in den vergangenen zwölf Monaten geschah. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Apotheken hier auch wieder gemeinsam mit dem pharmazeutischen Großhandel gezeigt haben, was eine flächendeckend funktionierende Wertschöpfungskette zu leisten imstande ist.

Nun muss dies alles von Karl Lauterbach wahrgenommen werden, er muss gutheißen und goutieren und seinen Blick auf die Apotheken entweder verstärken oder korrigieren. Es gehört zum Jahresrückblick dazu, die ersten Amtshandlungen dieser überraschenden Personalie zu würdigen, wenn sie wohl noch nicht als repräsentativ einzustufen sind. Da kann man zuvorderst den Koalitionsvertrag bemühen – ob dessen Abarbeitung in einer Pandemie an oberster Stelle der To-do-Liste des Ministers steht, muss abgewartet werden.

Sicher ist, dass nunmehr Jens Spahn nach knapp vier Jahren nicht mehr als Minister verantwortlich ist, und ob er in einer sich Wunden leckenden, dezimierten und nun mit einer neuen, alten Führung versehenen CDU weiterhin für Gesundheitsfragen zuständig sein wird, ist zumindest fraglich. Zuletzt wurde er von der Journaille niedergeschrieben und gleichermaßen Lauterbach hoch­gejubelt. Was davon in einem Jahr an gleicher Stelle übrig sein wird, kann fürwahr als Spannungs­bogen bezeichnet werden. Denn früher war mehr Lametta! |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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