Gesundheitspolitik

Vom Dampfer zum Schnellboot

Christine Ahlheim

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die große Folgen haben. Zu diesen kleinen Dingen dürfte gehören, dass der britische Gesundheitsminister Matt Hancock einen Spielfilm aus dem Jahr 2011 gesehen hatte, den wir noch vor Kurzem als „typisch Hollywood“ abgetan hätten. „Contagion“ handelt von einem Virus, das sich von Hongkong aus verbreitet und zu einer weltweiten Pandemie führt – mit Hamsterkäufen, Massengräbern und der fieberhaften Suche nach einem Impfstoff. Dieser Film hat Hancock, wie er in einem Radiointerview schilderte, maßgeblich bei der Beschaffung des COVID-19-Impfstoffs beeinflusst.

Und in der Tat klappt die Impfung in Großbritannien deutlich besser als in der EU. Dass die Impfungen hierzulande so schleppend anlaufen, ist sehr bedauerlich. Nicht nur, weil jede Impfdosis ein Schritt in Richtung Normalität ist, sondern auch, weil das Ansehen der EU in der Bevölkerung deutlich absinkt – was jedem überzeugten Europäer in der Seele wehtut.

Keine Frage: Natürlich ist es schwierig, bei der Impfstoffbeschaffung angesichts von Kosten und Haftungsfragen 27 EU-Länder unter einen Hut zu bringen. Und natürlich wäre es keine Alternative gewesen, wenn die einzelnen Mitglieder als Konkurrenten bei den Herstellern ein­gekauft hätten. Aber für die Zukunft muss klar sein: Als schwerfälliger Dampfer ist man im Kampf gegen eine Pandemie zu langsam. Die EU hat bereits signalisiert, dass sie hier etwas ändern will. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen in Brüssel einmal zum Filmabend treffen – damit sie wirklich alles dafür tun, damit die EU zukünftig bei der Seuchenbekämpfung nicht mehr als Dampfer, sondern als Schnellboot agieren kann.

Dr. Christine Ahlheim, Chefredakteurin der AZ

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